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14.09.2012
Unternehmensteuer

BFH: Steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung bei einem Freiberufler

Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann vorliegen, wenn ein Steuerberater eine Beratungspraxis veräußert, die er (neben anderen Praxen) als völlig selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er betrieb Büros in A (seit 1983) und B (seit 1988 als Sozietät, seit 1991 vollständige Übernahme). Beide Orte sind etwa 22 km voneinander entfernt. 1991 gründete der Kläger außerdem eine weitere Praxis in C. Alle drei Praxen führte der Kläger unter seinem Namen allein. Mit Wirkung zum 02.01.1998 veräußerte der Kläger die Praxis in B. Zwischen dem Kläger und den Erwerbern wurde ein Konkurrenzverbot vereinbart. Den Veräußerungsgewinn erklärte er als steuerbegünstigten Gewinn aus einer Teilbetriebsveräußerung. Nach einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung wurde die Anwendung der Tarifbegünstigung für den Veräußerungsgewinn versagt. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung
Die Revision ist begründet. Das FG hat zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger zwei historisch gewachsene Betriebe übernommen und bis zur Veräußerung des einen unverändert fortgeführt habe. Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, ob die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers zutreffen. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen.

Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehört auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Der Veräußerungsgewinn wird, soweit er nicht steuerfrei bleibt, ermäßigt besteuert (§ 16 Abs. 2 bis 4 EStG, § 18 Abs. 3 S. 2 EStG, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Der Ausdruck "selbständiger Teil des Vermögens" ist im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH ist er unter entsprechender Heranziehung der Voraussetzungen des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu bestimmen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18.10.1999). Ein Teilbetrieb ist danach ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der - für sich betrachtet - alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 13.02.1996). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung beim Veräußerer zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2003). Dabei kann im Hinblick auf die Eigenart der selbständigen Arbeit, insbesondere die Bedeutung der persönlichen Betätigung, nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung die erforderliche Selbständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden- oder Patientenkreisen erstreckt (1. Fallgruppe) oder bei gleichartiger Tätigkeit in örtlich wie organisatorisch voneinander getrennten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe). Die vom BFH in der Vergangenheit gebildeten alternativen Fallgruppen beschreiben nur indiziell (nicht tatbestandlich) die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit, und zwar für die besonders häufig auftretenden Sachverhalte. Dies schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände bei weniger typischen Sachverhalten nicht aus (vgl. auch Beschluss des BVerfG vom 07.11.1995 zum "Oderkonto").

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger im Streitfall zwei für sich genommen völlig selbständige und lebensfähige Steuerbüros von zwei verschiedenen Steuerberatern erworben und (nach seinem Vortrag) als solche fortgeführt hat. Da das FG bisher keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, dass er das Steuerbüro in B bis zu dessen Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Das FG wird die hierzu erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen und den Sachverhalt erneut umfassend würdigen. Dabei wird es in rechtlicher Hinsicht von Folgendem auszugehen haben: Es ist nicht erforderlich, dass der Betrieb in B vom Erwerb bis zur Veräußerung völlig unverändert geblieben ist. Es genügt, wenn der Kläger die Praxis im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat. Eine (schädliche) Zuordnung von Mandaten anderer Büros zu B ist nicht anzunehmen, soweit der Kläger in B auch Arbeiten für Mandanten aus anderen Büros hat erledigen lassen. Die Nutzung freier Kapazitäten in einzelnen Büros durch Verlagerung von Tätigkeiten bewirkt - für sich genommen - auch keine organisatorische Integration bei ansonsten streng voneinander getrennt geführten Betriebsteilen. Soweit streitig ist, ob der Kläger den Mandantenstamm des Büros in B vollständig veräußert hat, kommt es neben der historischen auch auf die räumliche Zuordnung der (vom Kläger hinzuerworbenen) Mandate an. Hinsichtlich der weiteren Streitfrage, ob der Kläger seine bisherige Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis des Büros in B vollständig eingestellt hat, ist im Streitfall indiziell schon deshalb auszugehen, weil der Kläger von den Erwerbern des Büros in B nicht wegen Verletzung des Konkurrenzverbots in Anspruch genommen worden ist. Die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger durch die Fortsetzung seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer im örtlichen Wirkungskreis von B auch nach der Veräußerung der Praxis tätig geworden ist, bedarf noch der Aufklärung. Zwar tritt der Senat der Ansicht des FG nicht bei, dass die Tätigkeiten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer generell als gleichartig anzusehen sind. Die Verschiedenartigkeit der Tätigkeiten reicht jedoch nicht hin, um insofern auch stets von selbständigen Teilpraxen ausgehen zu können. Hinzukommen muss eine hinreichende organisatorische Trennung der beiden Tätigkeiten.

Betroffene Norm
§ 18 Abs. 3 EStG
Streitjahr 1998

Vorinstanz
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.04.2008, 5 K 2457/05, EFG 2009, S. 1113

Fundstelle
BFH, Urteil vom 26.06.2012, VIII R 22/09, BStBl II 2012, S. 777 

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss des Großen Senats vom 18.10.1999, GrS 2/98, BStBl II 2000, S. 123
BFH, Urteil vom 13.02.1996, VIII R 39/92, BStBl II 1996, S. 409
BFH, Urteil vom 05.06.2003, IV R 18/02, BStBl II 2003, S. 838
BVerfG, Beschluss vom 07.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, S. 34

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