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23.07.2010
Unternehmensteuer

BFH: Steuerneutrale Abspaltung eines Teilbetriebs nur bei Übertragung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen

Ein Teilbetrieb kann steuerneutral übertragen werden, wenn auf den übernehmenden Rechtsträger alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des betreffenden Teilbetriebs übertragen werden. Die bloße Vermietung wesentlicher Betriebsgrundlagen reicht nicht aus. Die steuerliche Rückwirkungsfunktion ist auch auf Abspaltungen anwendbar, bei denen keine Teilbetriebe übertragen werden. Sie gilt aber nicht für die Gesellschafter der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft, so dass die Ausschüttungsbelastung zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abspaltung herzustellen ist.

Sachverhalt

Der Teilbetrieb Stahl- und Metallbearbeitung der Klägerin, eine GmbH, sollte auf die neu gegründete S-GmbH abgespalten werden. Es wurde ein Spaltungsplan auf den Spaltungsstichtag 1. Januar 1999 festgestellt. Ausdrücklich nicht übergehen sollten die Grundstücke, auf denen die S-GmbH ihren Fertigungsbetrieb unterhielt. Diese blieben im Eigentum der Klägerin, die sie mit aufstehenden Gebäuden an die S-GmbH vermietete. Die S-GmbH setzte die übernommenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert an. Das Finanzamt ging davon aus, dass die nach § 15 UmwStG 1995 für eine Buchwertfortführung erforderliche Übertragung eines Teilbetriebes nicht vorliege, weil die von der S-GmbH genutzten Grundstücksteile, Gebäude und baulichen Anlagen nicht übertragen worden seien. Die Übereignung von Wirtschaftsgütern an die S-GmbH sei deshalb steuerlich als eine Sachausschüttung an deren Gesellschafter zu behandeln.

Entscheidung

Die Klägerin hat keinen Teilbetrieb auf die S-GmbH übertragen, denn sie hat funktional wesentliche Betriebsgrundlagen (Betriebsgrundstück mit aufstehenden Gebäuden und Anlagen) zurückbehalten und diese der S-GmbH nur mietweise überlassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist unter einem Teilbetrieb ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs zu verstehen, der für sich allein funktions- bzw. lebensfähig. Ein Teilbetrieb wird nur übertragen, wenn die Tätigkeit endgültig eingestellt wird und sämtliche zum Teilbetrieb gehörenden wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übergehen. Dabei ist grundsätzlich auf die Situation aus der Sicht des Übertragenden zum Zeitpunkt der Übertragung abzustellen.

Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlagen ist normspezifisch entsprechend dem jeweiligen Gesetzeszweck auszulegen. Als funktional wesentlich sind alle Wirtschaftsgüter anzusehen, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebes notwendig sind oder dem Betrieb das Gepräge geben. Ein Grundstück ist für den Betrieb wesentlich, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit bildet und es dem Unternehmen ermöglicht, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Demzufolge ist grundsätzlich jedes vom Betrieb genutzte Grundstück eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage, es sei denn, es ist im Einzelfall ausnahmsweise nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung für den Betrieb. Das von der Klägerin zurückbehaltene Grundstück und die aufstehenden Gebäude sind danach als wesentliche Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs der Stahlverarbeitung anzusehen, da die S-GmbH auf dem Grundstück und in den Gebäuden ihren Betrieb betreibt.

Der Umstand, dass die Besteuerung der stillen Reserven in der Zukunft gesichert ist und die wesentlichen Betriebsgrundlagen weiterhin von einem der beiden Rechtsträger betrieblich genutzt werden, ist keine hinreichende Voraussetzung für die Gewährung des Wahlrechts nach § 11 Abs. 1 UmwStG 1995. Die bloße Vermietung oder Verpachtung einer wesentlichen Betriebsgrundlage kann die Übertragung nicht ersetzen. Ob von der Übertragung eines Teilbetriebes dann ausgegangen werden kann, wenn das aufnehmende Unternehmen durch die Gestaltung der Nutzungsüberlassung wirtschaftlicher (Mit-)Eigentümer des über-lassenen Wirtschaftsgutes wird, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Für die Beurteilung des Streitfalles kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin ihr Gewerbe auf demselben Grundstück betreibt wie die S-GmbH die Stahl- und Metallverarbeitung.

Die steuerliche Rückwirkung (§ 2 Abs. 1 UmwStG 1995) ist auch auf Abspaltungen anwendbar, bei denen keine Teilbetriebe übertragen werden (gl.A. BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 15.11 Satz 6, BTDrucks 12/6885, S. 16). Sie soll der übertragenden Körperschaft ermöglichen, die Bilanz des letzten Geschäftsjahres als Schlussbilanz zu verwenden (BTDrucks 12/6885, S. 24). Von diesem Ziel werden nicht nur Fälle erfasst, in denen Teilbetriebe, sondern auch einzelne Wirtschaftsgüter abgespalten werden. Denn auch in diesen Fällen wäre ohne eine steuerliche Rückwirkung eine Abspaltung kaum praktikabel, da andernfalls allein für steuerliche Zwecke eine Zwischenbilanz zum Zeitpunkt der Registereintragung erstellt werden müsste.

Da ein Teilbetrieb nicht übertragen wurde, handelt es sich insoweit um eine Sachausschüttung (verdeckte Gewinnausschüttung) der Klägerin an ihre Gesellschafter. Die Rückwirkungsfiktion gilt nicht für die Gesellschafter. Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei dem übertragenden Rechtsträger ist daher erst zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses -also zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abspaltung- vorzunehmen.

Vorinstanz

Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 09.09.2008, 3 K 1996/06, EFG 2009, S. 65, ausführlicher in den Deloitte Tax-News.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 07.04.2010, I R 96/08, BStBl II 2011, S. 467 

Weitere Fundstelle

BundestagsDrs. 12/6885

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