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23.07.2015
Unternehmensteuer

BFH: Tarifbegünstigung des Betriebsaufgabegewinns trotz vorheriger Ausgliederung einer GmbH-Beteiligung zum Buchwert

Ein steuerbegünstigter Gewinn aus der Aufgabe einer Mitunternehmerschaft liegt auch dann vor, wenn zuvor eine im Sonderbetriebsvermögen gehaltene GmbH-Beteiligung, die das gesamte Nennkapital umfasst und in der erhebliche stille Reserven gebunden sind, zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt wird (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

M war sowohl alleiniger Kommanditist einer KG als auch alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH sowie einer weiteren GmbH , an die die KG ein Grundstück im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietet hatte. Im Streitjahr 2004 überführte M das Gesamthandsvermögen der KG in sein Privatvermögen. Vorher hatte M seine im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen GmbH-Anteile zum Buchwert in das Sonderbetriebsvermögen einer anderen KG, an der er zu 40 % beteiligt war, überführt. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Aufgabegewinn der KG nicht tarifbegünstigt war, da nicht alle stille Reserven aufgedeckt worden waren. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Überführung der GmbH-Anteile aus dem Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der KG in dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer anderen KG der Tarifbegünstigung des Aufgabengewinns der KG entgegenstehe.

Gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 EStG unterliegen in dem zu versteuernden Einkommen enthaltene außerordentliche Einkünfte der Tarifbegünstigung. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterliegt ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn i.S. d. § 16 EStG der Tarifbegünstigung nur, wenn er auch "außerordentlich" ist. Dies setze eine atypische Zusammenballung voraus (BFH-Urteile vom 09.12.2014 und 17.12.2014).

Die Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG erfordere demnach, dass alle stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt wurden, in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden (BFH-Urteile vom 09.12.2014 und 17.12.2014). Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs gehörten in diesem Zusammenhang neben den funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern auch solche Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nicht erforderlich seien, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden seien (sog. funktional-quantitative Betrachtungsweise). Unerheblich sei, ob die Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen oder im Sonderbetriebsvermögen (I oder II) der Mitunternehmer gehalten werden (BFH-Urteil vom 02.10.1997).

Die Tarifbegünstigung knüpfe nicht stets an die vollständige Aufgabe des betrieblichen Engagements an. Vielmehr seien daneben auch die Veräußerung/Aufgabe eines Teilbetriebs, einer das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (fingierter Teilbetrieb) oder eines Mitunternehmeranteils (Sachgesamtheiten) begünstigt. Daraus folge, dass die Frage der Aufdeckung der in den wesentlichen Wirtschaftsgütern vorhandenen stillen Reserven nur im Hinblick auf die jeweils veräußerte oder aufgegebene Sachgesamtheit zu untersuchen sei.

So habe der BFH bereits im Urteil vom 25.02.2010 die Veräußerung der Anteile an einer Obergesellschaft als tarifbegünstigte Veräußerung beurteilt, obwohl im zeitlichen Kontext mit dieser Veräußerung Anteile der Obergesellschaft an einer Untergesellschaft zum Buchwert ausgegliedert worden seien.

Dementsprechend unterliege der Gewinn aus der Betriebsaufgabe auch dann der Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG, wenn im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen oder überführt werde. Eine derartige Beteiligung werde in § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG einem Teilbetrieb gleichgestellt. Die gesetzliche Fiktion eines Teilbetriebs habe denknotwendig zur Folge, dass der Gesamtbetrieb fiktiv aus zwei Teilbetrieben (zwei Sachgesamtheiten) bestehe und die Tarifbegünstigung bezogen auf die jeweils betroffene Sachgesamtheit zu prüfen sei. Für die Tarifbegünstigung sei dabei irrelevant, welcher der beiden Teilbetriebe zuerst veräußert oder aufgegeben werde.

Betroffene Normen

§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, § 16 Abs. 1 und Abs. 3 EStG
Streitjahr 2004

Anmerkungen

Änderung der Rechtsprechung ggü. BFH-Urteil vom 02.10.1997
Im Urteil vom 02.10.1997 hatte der BFH noch entschieden, dass eine Tarifbegünstigung gem. § 34 EStG nicht vorliege, wenn bei Aufgabe einer Mitunternehmerschaft eine im Betriebsvermögen
dieser Mitunternehmerschaft bilanzierte Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, die aufgrund erheblicher stiller Reserven zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der aufgegebenen Mitunternehmerschaft gehört, zu Buchwerten in ein anderes Sonderbetriebsvermögen überführt werde. An dieser Rechtsauffassung hält der BFH nun in seinem Urteil vom 28.05.2015 nicht mehr fest.

Vorinstanz

FG Nürnberg, Urteil vom 19.06.2012, 6 K 633/10

Fundstelle
BFH, Urteil vom 28.05.2015, IV R 26/12

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.12.2014, IV R 57/11, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.12.2014, IV R 36/13, siehe Deloitte Tax-News
BFH-Urteil vom 02.10.1997, IV R 84/96, BFHE 184 S. 425
BFH-Urteil vom 25.02.2010, IV R 49/08,siehe Deloitte Tax-News

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