BFH: Zeitpunkt der gewerblichen Betätigung des Organträgers
Der Organträger muss nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft gewerblich tätig sein (entgegen BMF-Schreiben vom 10.11.2005). Als Organträger kommt auch eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist, in Frage. Für die steuerliche Anerkennung einer Organschaft trotz mangelhafter Verlustübernahmeregelung kommt es bei Anwendung der rückwirkend heilenden Übergangsregelung des § 34 Abs. 10b S. 2 bis 3 KStG dann nicht auf die tatsächliche Verlustübernahme an, wenn die Organgesellschaft während der Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags keine Verluste erlitten hat.
Sachverhalt
Die S-KG erwarb im November 2005 sämtliche Anteile an der Klägerin, einem Herstellungsbetrieb in der Rechtsform einer GmbH. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin entsprach dem Kalenderjahr. Im Dezember 2005 schlossen die Klägerin und die S-KG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der eine Verlustübernahmeregelung enthielt, die allerdings nicht § 302 Abs. 4 AktG einbezog. Der Eintrag des Vertrags ins Handelsregister erfolgte noch im Dezember 2005. Zum 01.03.2006 verkaufte die Klägerin ihren gesamten Geschäftsbetrieb an die S-KG, den sie sogleich wieder von der S-KG zurückmietete. Das Finanzamt war der Auffassung, dass im Streitjahr 2006 kein wirksames Organschaftsverhältnis bestanden habe, da es an einer gewerblichen Tätigkeit der S-KG zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin fehle. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Entscheidung
Zu Unrecht hat das FG die steuerliche Anerkennung des Organschaftsverhältnisses abgelehnt. Der Organträger muss nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft gewerblich tätig sein.
Eine Personengesellschaft kann Organträger sein, wenn sie eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG). Eine zeitliche Anforderung dahingehend, dass die Personengesellschaft zu Beginn des Wirtschaftsjahres gewerblich tätig sein muss, gibt der Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht her. Hätte der Gesetzgeber eine solche zeitliche Anforderung bestimmen wollen, hätte er dies – wie z. B. bei der finanziellen Eingliederung, die ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an bestehen muss (§14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG) – ausdrücklich festgelegt. Ein zeitliches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn es ist nicht Zweck der Regelung, eine Umqualifizierung der abzuführenden Gewinne auf Ebene des Organträgers in nicht (mehr) gewerbesteuerpflichtige Einkünfte zu verhindern. Dafür ist es ausreichend, dass der Organträger im Zeitpunkt der Gewinnabführung gewerblich tätig ist.
Im Streitfall genügte es daher, dass die S-KG mit Erwerb des Geschäftsbetriebs der Klägerin zum 01.03.2006 gewerblich tätig war. Zwar hat die S-KG den Geschäftsbetrieb sogleich der Klägerin zur Nutzung überlassen. Nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung gilt ein Besitzunternehmen allerdings über die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsunternehmens als Gewerbetrieb. Dem steht auch das Erfordernis einer originär gewerblichen Tätigkeit nicht entgegen. Entweder nimmt das Besitzunternehmen infolge der sachlichen und personellen Verflechtung über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil oder die nicht gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmens wird durch Infektion bzw. Abfärbung in eine gewerbliche Tätigkeit umgewandelt.
Unschädlich für die steuerliche Anerkennung der Organschaft ist aufgrund der rückwirkend heilenden Übergangsregelung in § 34 Abs. 10b S. 2 und 3 KStG n.F auch die im Streitfall mangelhafte Verlustübernahmevereinbarung. Demnach steht ein mangelhafter Verweis auf § 302 AktG im Gewinnabführungsvertrag einer Anerkennung der ertragsteuerlichen Organschaft für Veranlagungszeiträume, die vor dem 31.12.2014 enden, nicht entgegen, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine den Anforderungen des § 17 S. 2 Nr. 2 KStG entsprechende Verlustübernahme bis zum Ablauf des 31.12.2014 wirksam vereinbart wird. Letzteres ist nicht erforderlich, wenn die Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet wurde. Im Streitfall sind die Voraussetzungen der Übergangsregelung erfüllt. Die tatsächliche Durchführung des Verlustausgleichs ist nicht relevant, wenn – wie im Streitfall – die Organgesellschaft in der Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags keine Verluste erlitten hat. Einer Neufassung der Verlustübernahme bedurfte es nicht, da die Organschaft zwischen der S-KG und der Klägerin inzwischen beendet worden war.
Betroffene Norm
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2, § 34 Abs. 10b KStG
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.02.2012, 9 K 3556/10 K,G, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 24.07.2013, I R 40/12
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 10.11.2005, BStBl I 2005, S. 1038