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13.04.2017
Unternehmensteuer

BFH: Zwei Goldfinger-Modelle nicht rechtsmissbräuchlich

Der BFH hat zwei Gestaltungen, bei denen eine gewerblich geprägte Personengesellschaft bzw. eine ausländische Personengesellschaft durch den Ankauf physischen Goldes Verluste aus Gewerbebetrieb erzielt haben, nicht als Gestaltungsmissbrauch bewertet.
Auch eine vermögensverwaltend tätige, aber gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG kann Umlaufvermögen haben. Die Grundsätze des Wertpapierhandels sind nicht auf den Handel mit physischen Gold übertragbar.

Sachverhalt

BFH, IV R 10/14 (Inlandsfall):
Die Klägerin, eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, erzielte mit dem Handel mit Goldbarren Verluste aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin behandelte die Aufwendungen für den Goldkauf im Jahr des Ankaufs als Betriebsausgaben. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die angeschafften Goldbarren Anlagevermögen darstellen und folglich deren Anschaffungskosten erst im Zeitpunkt der Veräußerung gewinnmindernd zu berücksichtigen sind. Das FG gab der Klägerin Recht.

BFH, IV R 50/14 (Auslandsfall):
Die Klägerin, eine nach englischem Recht gegründete General Partnership mit zwei im Inland wohnenden Gesellschaftern, war u.a. im Goldhandel tätig und erzielte Verluste. In London wurde ein u.a. mit Faxgerät und Computer ausgestattetes Büro angemietet und eine Person mit der Büroverwaltung beauftragt.

Die Klägerin rechnete den Gesellschaftern nach DBA steuerfreie, im Inland dem Progressionsvorbehalt unterliegende Verluste (sog. negativer Progressionsvorbehalt) aus Gewerbebetrieb zu. Das Finanzamt ließ die Ausgaben für das erworbene Gold nicht nach § 4 Abs. 3 EStG zum sofortigen Abzug zu. Das FG gab der Klägerin Recht.

Entscheidungen

BFH, IV R 10/14 (Inlandsfall):
Das FG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufwendungen für den Goldkauf bereits im Jahr des Ankaufs als Betriebsausgaben abgezogen werden können.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 4 EStG, nach der u.a. Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen sind, greife nicht.

Auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG könne unabhängig davon, ob sie originär gewerbliche Einkünfte erziele oder vermögensverwaltend tätig sei Umlaufvermögen haben, sofern sich die Zuordnung nach der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts im (fiktiven) Betrieb ergäbe. Dieser Auffassung stehe auch nicht das BFH-Urteil vom 14.12.2006 entgegen, in dem der BFH die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Umlaufvermögen bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft vom Erzielen originär gewerblicher Einkünfte abhängig gemacht hatte und sei in einer Linie mit den späteren BFH-Urteilen vom 13.12.2012 und vom 09.09.2010.
Weiter sei physisches Gold kein den Wertpapieren vergleichbares nicht verbrieftes Recht, da im Rahmen des Erwerbs von Goldbarren eine bewegliche Sache (körperlicher Gegenstand) und kein unkörperliches Recht erworben würde und der Gesetzgeber bewusst Edelmetalle und sonstige Rohstoffe nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 S. 4 EStG aufgenommen habe.

Es läge auch keine Steuerumgehung im Sinne von § 42 AO a.F. bzw. kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO n.F. vor, da es dem Steuerpflichtigen frei stünde beispielsweise eine bestimmte, gesetzlich vorgesehene Rechtsform (hier: gewerblich geprägte Personengesellschaft) und für Anschaffungen einen Zeitpunkt kurz vor Jahresende zu wählen, um hohe Verluste zu erzielen bzw. Steuern zu minimieren.

BFH, IV R 50/14 (Auslandsfall):
Die gleichen Grundsätze zum Anwendungsbereich der Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 4 EStG gelten auch für den vom BFH entschiedenen Auslandsfall, insbesondere seien die Grundsätze des Wertpapierhandels nicht auf den An- und Verkauf von physischem Gold übertragbar. Auch läge in der gewählten Gestaltung der Klägerin, den Goldhandel im Ausland über eine ausländische Personengesellschaft zu betreiben und durch die Anschaffung erheblichen Umlaufvermögens kurz vor Jahresende hohe negative Progressionseinkünfte zu generieren, keine Steuerumgehung im Sinne von § 42 AO a.F. vor.
Hervorzuheben ist noch, dass der BFH im Urteilsfall aufgrund der Besonderheiten des Goldhandels (Anzahl der Umschichtungen, Geschäftsvolumen und hoher Fremdkapitaleinsatz) eine originär gewerbliche Tätigkeit der Klägerin bejahte.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, § 4 Abs. 3 S. 4 EStG, § 42 AO
Streitjahre 2006-2010

Vorinstanzen

Finanzgericht München, Urteil vom 15.01.2014, 10 K 2321/12 (zu IV R 10/14)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 11.12.2013, 6 K 3045/11 F (zu IV R 50/14)

Anmerkungen

Goldfinger-Modelle:
Das o.g. Goldfingermodell führt im Inlandsfall zu einem Steuerstundungseffekt, da die Anschaffungskosten für das Gold bereits im Jahr des Erwerbs als Betriebsausgaben abgezogen werden und folglich Verluste aus Gewerbebetrieb vorliegen, die bereits sofort (und nicht erst im Veräußerungsjahr) mit anderen positiven Einkünfte der Gesellschafter ausgeglichen bzw. abgezogen werden können.
In der o.g. Modellvariante im Auslandsfall tritt regelmäßig sogar eine definitive Steuerreduzierung ein. Während der negative Progressionsvorbehalt im Jahr des Golderwerbs regelmäßig zu einem (häufig deutlich) reduzierten Steuersatz führt, bewirkt der positive Progressionsvorbehalt im Jahr des Goldverkaufs regelmäßig keine (oder nur eine geringe) Steuersatzsteigerung, weil bereits vor Anwendung des positiven Progressionsvorbehalts der Spitzensteuersatz anzuwenden ist.

Reaktion des Gesetzgebers auf Goldfinger-Modelle:
Der Gesetzgeber ist zwischenzeitlich gegen derartige Gestaltungen vorgegangen. Für Inlandsfälle wird nun in § 15b Abs. 3a EStG unter dort näher genannten Voraussetzungen ein Steuerstundungsmodell angenommen, wonach solche Verluste nur noch mit künftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechenbar sind (erstmals anwendbar auf Modelle, bei denen Wirtschaftsgüter nach dem 28.11.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden). Für Auslandsfälle wurde in § 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG u. a. eine Regelung eingefügt, die bei Ermittlung des anzuwendenden Einkommensteuersatzes einen sofortigen Betriebsausgabenabzug verhindert (erstmals anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28.02.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden).

Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017 Seite 456

BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14, BStBl II 2017 Seite 466

Pressemitteilung Nr. 24 vom 12.04.2017

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.12.2006, IV R 3/05, BStBl. II 2007, S. 777

BFH, Urteil vom 13.12.2012, IV R 51/09, BStBl. II 2013, S. 203

BFH, Urteil vom 09.09.2010, IV R 22/07, BFH/NV 2011, S. 31

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