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19.11.2010
Unternehmensteuer

BVerfG: Pauschaliertes Abzugsverbot für Betriebsausgaben verfassungsgemäß

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, erzielte im Streitjahr 2005 einen Jahresüberschuss von rund 12 Millionen Euro, in dem im Wesentlichen ein Veräußerungsgewinn von etwa 11,6 Millionen Euro aus dem Verkauf der von ihr an der Tochtergesellschaft gehaltenen Aktien enthalten war. Zudem erzielte sie aus Beteiligungen Dividendenerträge von rund 700.000 Euro. Ihre mit den Beteiligungen verbundenen Betriebsausgaben beliefen sich dagegen auf lediglich knapp 28.000 Euro. Das Finanzamt rechnete pauschal 5 % der Erträge, mithin insgesamt rund 600.000 Euro, dem Gewinn der Klägerin hinzu. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die seit dem Jahr 2004 in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG vorgesehene feste Hinzurechnung von 5 % des Veräußerungsgewinns und der Bezüge aus Unternehmensbeteiligungen zu den Einkünften einer Körperschaft verfassungswidrig ist.

Entscheidung

§ 8b Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1 KStG idF des Steuervergünstigungsabbaugesetzes ist mit dem Grundgesetz vereinbar. § 8b KStG regelt die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen. Danach sind die Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft außer Ansatz zu lassen. Hierdurch wird zur Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften verbleiben. Ein Abzug der mit der Beteiligung zusammenhängenden Betriebsausgaben bleibt möglich. Von den steuerfreien Beteiligungserträgen werden 5 % fiktiv als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt (§ 8b Abs. 5 Satz 1 KStG) und außerhalb der Bilanz dem zu versteuernden Einkommen steuererhöhend hinzugerechnet. Neben Bezügen stellt § 8b Abs. 2 KStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerfrei. Ein Abzug der mit der Veräußerung zusammenhängenden Veräußerungskosten bleibt ebenfalls möglich. Auch hier erfolgt eine pauschale Hinzurechnung von 5% des jeweiligen Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG). Auf die Höhe der tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, kommt es für die Hinzurechnung der 5 % des Veräußerungsgewinns und der Bezüge nicht an. Eine außerbilanzielle Zurechnung ist auch dann vorzunehmen, wenn für die Beteiligung keine oder nur geringere Betriebsausgaben angefallen sind (§ 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG).

Nach § 3c Abs. 1 EStG können Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stehen, nicht in Abzug gebracht werden. An diesen Grundgedanken knüpft § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG an, indem er einerseits den § 3c Abs. 1 EStG für unanwendbar erklärt und damit den Betriebsausgabenabzug ungeachtet der Steuerfreiheit der damit verbundenen Erträge in grundsätzlich vollem Umfang erlaubt, andererseits aber durch das 5%ige pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot bei der Muttergesellschaft den ansonsten einschlägigen, allgemeinen Abzugsausschluss von Betriebsausgaben ersetzt. Die 5%ige Hinzurechnung der Beteiligungseinkünfte bewegt sich daher innerhalb des Gesamtkonzepts des Gesetzgebers für das Körperschaftsteuerrecht. Der Gesetzgeber hält sich mit der Vorschrift auch innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis. Denn das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot verfolgt legitime und zur Rechtfertigung von Typisierungsregelungen grundsätzlich geeignete Ziele und ist in seiner konkreten Ausgestaltung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung vereinbar. Die Typisierung und Pauschalierung dient der Vereinfachung der steuerlichen Behandlung von Beteiligungen, da zum einen die nach der früheren Rechtlage erforderliche und im Einzelfall schwierige Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen und sonstigen Aufwendungen zu den einzelnen Beteiligungen entfällt und zudem nunmehr eine einheitliche Behandlung von in- und ausländischen Beteiligungserträgen erlaubt ist. Des Weiteren beseitigt sie die steuerlichen Missbrauchsmöglichkeiten, die vor Inkrafttreten der Regelung bestanden (sog. „Ballooning“).

Der Gesetzgeber darf sich bei der notwendigen Verallgemeinerung gesetzlicher Regelungen grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Dass die Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben an die Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne anknüpft, ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Denn die Annahme, dass die zu erwartenden Beteiligungsaufwendungen regelmäßig in einer gewissen Relation zur Ertragskraft der Beteiligungsgesellschaft stehen, erscheint mangels besser geeigneter Maßstäbe zumindest vertretbar.

Die gesetzliche Festlegung auf einen Pauschalierungssatz in Höhe von 5 % hat ebenfalls verfassungsrechtlich Bestand. Zwar hat der Gesetzgeber hierzu nicht auf statistische Erhebungen zurückgegriffen oder selbst solche Grundlagen für die Pauschalierung geschaffen. Es spricht jedoch auch nichts dagegen, dass es sich - gerade mit Rücksicht auf die relativ geringe Höhe der Hinzurechnung - um eine plausible und damit vertretbare Annahme des Gesetzgebers handelt. Schließlich ist die durch den Pauschalierungseffekt der streitigen Vorschriften hervorgerufene Belastung als eher geringfügig einzustufen. Zudem wird sich bei der Mehrzahl der Körperschaften die pauschale Hinzurechnung im Ergebnis als vorteilhaft erweisen, weil sie auch weit über 5 % liegende Betriebsausgaben uneingeschränkt geltend machen können. Offen bleibt, ob der in der Literatur der Pauschalierung des Ausgabenabzugsverbots in mehrfach gestaffelten Beteiligungsstrukturen entgegengehaltene mögliche „Kaskadeneffekt“ im Extremfall eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung verlangen kann.

Betroffene Norm

§ 8b Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1 KStG idF des Steuervergünstigungsabbaugesetzes
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 07.11.2007, 5 K 153/06 sowie Ergänzungsbeschluss vom 17.08.2009, 5 K 275/09

Fundstelle

BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07

Englische Zusammenfassung

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