Zurück zur Übersicht
15.02.2012
Unternehmensteuer

EuGH-Rechtsprechung und neue Entwicklungen zum Kapitalertragsteuereinbehalt auf inländische Dividenden

Der EuGH entschied in diesem Vertragsverletzungsverfahren (EuGH-Urteils vom 20.10.2011 (C-284/09) gegen Deutschland, dass die deutschen Vorschriften zur Erhebung bzw. Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Dividenden bei Ausschüttung an eine Gesellschaft mit Sitz außerhalb Deutschlands gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, früher Art. 56 EG) verstoßen. Die inländische Kapitalertragsteuer kann bei einem inländischen Empfänger trotz Steuerfreiheit der Erträge (§ 8b Abs. 1 KStG) vollständig auf dessen Körperschaftsteuer angerechnet wird. Bei einem ausländischen Empfänger wirkt die (ggf. durch DBA bzw. § 44a Abs. 9 EStG in den durch § 50d Abs. 3 EStG gesetzten Grenzen reuzierte) Kapitalertragsteuerbelastung indessen i.d.R. abgeltend (§ 32 Abs.1 Nr. 2 KStG).

 

Aufgrund der durch den EuGH festgestellten Verletzung der Kapirtalverkehrsfreiheit haben beschränkt steuerpflichtige EU-/EWR-Kapitalgesellschaften einen Anspruch auf vollständige Erstattung der einbehaltenen und noch nicht aufgrund von DBA bzw. der Regelung des § 44a Abs. 9 EStG erstatteten Kapitalertragsteuer. Die verfahrensmäßige Geltendmachung dieser Ansprüche gestaltet sich jedoch immer noch schwierig, da insbesondere die Zuständigkeitsfrage nicht final geklärt ist.

 

 

Auswirkungen auf Investmentvermögen

Wieweit dieses Urteil Auswirkungen auf Ausschüttungen an ausländische Investmentfonds haben kann und, ob es hierin ebenfalls zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten kommt, ist für Deutschland noch nicht höchstrichterlich geklärt. Es wird allerdings überwiegend davon ausgegangen, dass eine ungleichmäßige Belastung ausländischer und inländischer Investmentfonds vorliegt.

 

Ursache ist zunächst das für Investmentvermögen geltende Transparenzprinzip, wonach die Besteuerung nicht auf Fondsebene, sondern auf Anlegerebene erfolgen soll. Zur Umsetzung des Transparenzprinzips werden inländische Investmentfonds zum einen von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und zum anderen wird ihnen die auf Dividendenausschüttungen einbehaltene Kapitalertragsteuer von der Depotbank erstattet. Eine vergleichbare Möglichkeit zur Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer auf Dividendenzahlungen steht ausländischen Investmentvermögen jedoch i.d.R. nicht zur Verfügung, weshalb es bei diesen Vehikeln zu einer definitiven Belastung auf der Fondeingangsseite kommt.

 

 

Fortbestehen der verfahrensrechtlichen Unsicherheit

Angesichts der nun erfolgten Klärung der materiellen Rechtslage ist die Klärung der verfahrensrechtlichen Situation umso dringender. Die diesbezüglich immer noch bestehende Unsicherheit ist umso unverständlicher, da die Finanzbehörden seit Jahren Erstattungsanträge für gemeinschaftsrechtswidrig erhobene Kapitalertragssteuer vorliegen haben. Es wurde bislang versäumt, die sachliche und örtliche Zuständigkeit für derartige Anträge festzulegen. Auf den existierenden gesetzlichen Grundlagen sind grundsätzlich drei Erstattungswege denkbar. Zum einen könnte sich eine Zuständigkeit des Bundeszentralamtes für Steuern ergeben, welches schon für die Erstattung der Quellensteuer nach DBA zuständig ist. Zweitens könnte sich eine Zuständigkeit der lokalen Finanzämter ergeben, an welche die Kapitalertragssteuer für die jeweiligen Dividenden abgeführt wurde. Ebenfalls möglich wäre eine Verantwortlichkeit des Finanzamtes nach § 20 Abs.3 AO. Hierbei handelt es sich um das Finanzamt, in dessen Zuständigkeitsbereich der größte Teil des Inlandsvermögens fällt.

 

 

Neue Entwicklungen und geplante gesetzliche Änderungen

Aktuell ist ein Fall dem BFH (I R 30/10) zur Entscheidung vorgelegt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem BFH deutete sich eine Tendenz in Richtung einer Verantwortlichkeit des Finanzamtes nach § 20 Abs.3 AO an. Es sind dem Vernehmen nach jedoch Bestrebungen im Gange, eine davon abweichende gesetzliche Regelung zu erlassen.

 

Es deuten sich auch weitere gesetzliche Vorhaben im Zusammenhang an. So wird scheinbar erneut über eine Abschaffung der Körperschaftsteuerbefreiung von Streubesitzdividenden nachgedacht. Daneben sind Bestrebungen zu beobachten, die zu einer Definitivbesteuerung deutscher Dividenden auf Ebene inländischer Investmentvermögen führen könnten. Bei Umsetzung dieser Maßnahmen könnte künftig die Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger – durch Mehrbelastung inländischer Dividendenempfänger – entfallen.

 

 

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-284/09, Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.