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26.04.2018
Unternehmensteuer

FG Hamburg: Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an Verlustabzugsbeschränkung

Mit Beschluss vom 29.08.2017 hat das FG Hamburg das Bundesverfassungsgericht zu der Frage angerufen, ob § 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt: § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) verfassungswidrig ist. Aufgrund dieser Verfassungsfrage gewährt das FG Hamburg nun auch vorläufigen Rechtsschutz. Es ist eher zu erwarten, dass § 8c Abs. 1 S. 2 KStG nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt wird.

Sachverhalt

Streitig ist der Untergang verrechenbarer Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG im Streitjahr 2013 aufgrund der Anwendung von § 8c Abs. 1 S. 2 KStG. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung

Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung kann nach ständiger Rechtsprechung auch bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsnorm gewährt werden.

Nach § 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) entfällt der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft vollständig, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden.

Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ergeben sich aus dem Beschluss des FG Hamburg vom 29.08.2017, 2 K 245/17, mit dem eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt wird, ob § 8c S. 2 KStG a.F. verfassungsgemäß ist. Auch die Entscheidung des BVerfG vom 29.03.2017, 2 BvL 6/11, mit der die partielle Unvereinbarkeit von § 8c S. 1 KStG (jetzt § 8c Abs. 1 S. 1 KStG) festgestellt wurde, begründet ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der hier maßgeblichen Regelung. Denn das FG Hamburg bezweifelt, dass das BVerfG den von den Folgen her gravierenderen Fall des vollständigen Verlustuntergangs bei einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile angesichts der Deutlichkeit seiner Ausführungen zum anteiligen Verlustuntergang anders beurteilen könnte.

Gegen eine Aussetzung der Vollziehung spricht nach Ansicht des FG Hamburg auch nicht, dass bezogen auf § 8c Abs. 1 S. 2 KStG lediglich die Unvereinbarkeit mit dem GG ausgesprochen und dem Gesetzgeber nur eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgegeben werden könnte. Im Streitfall sei nämlich eher zu erwarten, dass auch bei der Regelung des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG wie bei § 8c Abs. 1 S. 1 KStG eine rückwirkende Unvereinbarkeit ausgesprochen werden wird.

Darüber hinaus muss die Interessenlage des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das öffentliche, vornehmlich haushalterische Interesse abgewogen werden. Hier kommt das FG zu dem Schluss, dass ein vorrangiges öffentliches Interesse am Vollzug des Gesetzes nicht erkennbar ist. Die bei Einführung von § 8c KStG errechneten finanziellen Auswirkungen von 1,475 Milliarden € per anno, die sich sowohl auf den anteiligen als auch vollständigen Verlustuntergang beziehen, seien nicht von einem solchen Ausmaß, dass eine Gefahr für den Haushalt angenommen werden könnte.

Betroffene Norm

§ 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt § 8c Abs. 1 S. 2 KStG), § 15a Abs. 4 EStG
Streitjahr 2013

Anmerkungen

BMF-Schreiben vom 15.01.2018

Das FG Hamburg sieht sich gemäß seiner Pressemitteilung in Widerspruch zu der gegenwärtigen Verwaltungspraxis im Schreiben des BMF vom 15.01.2018. Allerdings werden hier (unter V. i.V.m. Abschnitt B der Anlage) Fälle des § 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) gar nicht explizit genannt, worin das FG möglicherweise den Widerspruch sieht.

​Abweichende Auffassung des FG Düsseldorf im Urteil vom 15.10.2018

Anders als das FG Hamburg gewährte das FG Düsseldorf in einem Beschluss vom 15.10.2018 (12 V 1531/18 A (G,F), anhängig beim BFH: I B 67/18) keinen vorläufigen Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung. Beim Abwiegen des Aussetzungsinteresses des Steuerpflichtigen gegen das öffentliche, vornehmlich haushalterische Interesse kommt das FG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein vorrangiges öffentliches Interesse am Vollzug des Gesetzes erkennbar ist. Denn bei den auf § 8c Abs. 1 S. 2 KStG beruhenden Steuerzahlungen handele es sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die finanziellen Auswirkungen bis zum Vorliegen einer Entscheidung des BVerfG über etliche Jahre aufsummieren könnten, um Steuereinnahmen gewichtigen Ausmaßes.

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 11.04.2018, 2 V 20/18

Pressemitteilung zum Beschluss 2 V 20/18

Weitere Fundstellen

FG Düsseldorf, Beschluss vom 15.10.2018, 12 V 1531/18 A (G,F), EFG 2019, S. 379

Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29.08.2017, 2 K 245/17, EFG 2017,S. 1906, BVerfG-anhängig: 2 BvL 19/17, siehe Deloitte Tax-News 

BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, 2 BvL 6/11, BStBl II 2017, S. 1082, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 15.01.2018, BStBl I 2018, S. 2 (dort unter V. i.V.m. Abschnitt B der Anlage)

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