FG Köln: Keine pauschale Hinzurechnung bei Dividenden aus Drittstaaten
Der BFH hat das Urteil des FG Köln aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die sog. Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F.) verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit und bleibt deswegen innerhalb der EU unanwendbar. Die Unanwendbarkeit der Schachtelstrafe erstreckt sich infolge des Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf sog. Drittstaaten. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien auch kein "Treaty override" dar.
BFH, Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12 , Zusammenfassung Deloitte Tax-News
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Die pauschale Hinzurechnung von 5 % einer Dividende als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 7 KStG 1999) verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit sind nebeneinander anzuwenden mit der Folge, dass über den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaatenbeziehungen geschützt sind.
Sachverhalt FG
Die Klägerin war im Streitjahr 1999 an einer in den USA ansässigen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Corporation (nachfolgend AC) beteiligt. Aus dieser Beteiligung erzielte sie eine Brutto-Dividende in Höhe von 4,5 Mio. Euro für die in den USA gemäß Art. 10 DBA-USA 5 % Quellensteuer einbehalten wurden. Die mit der Beteiligung tatsächlich entstandenen Kosten der Klägerin haben im Streitjahr 5.600 Euro betragen.
Das Finanzamt behandelte bei der Körperschaftsteuer und dem Gewerbesteuermessbetrag die aus den USA stammenden Dividenden als steuerfrei und nahm nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 eine Hinzurechnung i. H. v. 5 % als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben vor.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße und die Hinzurechnung auf die tatsächlich entstandenen Kosten zu beschränken sei.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat zu Unrecht den Gewinn der Klägerin um 5 % der von der AC bezogenen Dividenden erhöht. Lediglich die tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen sind steuerlich hinzuzurechnen. Die Revision war zuzulassen. Dem BFH ist Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben, ob er im Hinblick auf die jüngeren Entscheidungen des EuGH an seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit festhält.
Die vom Finanzamt vorgenommene Gewinnerhöhung entspricht der Anwendung der nationalen körperschaftsteuerrechtlichen Regelungen. 5% der Dividenden aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die nach einem DBA von der Körperschaftsteuer befreit sind, gelten als Betriebsausgaben, die mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und daher nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können (§ 8b Abs. 7 KStG; für die Gewerbesteuer i. V. m. § 7 GewStG).
Die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG verstößt im vorliegenden Fall allerdings gegen primäres Gemeinschaftsrecht und ist wegen Verstoßes gegen die geschützte Kapitalverkehrsfreiheit nicht anzuwenden. Soweit eine inländische Vorschrift gegen eine der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechtes verstößt, ist auf Grund des Anwendungsvorranges gemeinschaftsrechtlichen Primärrechtes vor nationalen Rechtsvorschriften (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.2008) eine Anwendung des inländischen Rechtes nicht mehr möglich, ohne dass es einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den EuGH bedarf.
Dass es sich bei § 8b Abs. 7 KStG um eine europarechtswidrige Vorschrift handelt, hat der BFH bereits mit Urteil vom 13.06.2006 entschieden. Danach verstößt § 8b Abs. 7 KStG gegen die in Art. 49 AEUV geregelte Niederlassungsfreiheit, weil er eine Pauschalierung der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben lediglich zu Lasten ausländischer Beteiligungsgesellschaften anordnet (BFH-Urteil vom 13.06.2006 mit Verweis auf EuGH-Urteile vom 18.09.2003 und vom 23.02.2006). Die Vorschrift verstößt zugleich gegen die in Art. 63 AEUV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit. Die Anwendung der Niederlassungsfreiheit verdrängt nicht die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit. Dies hat zur Folge, dass über den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaatenbeziehungen geschützt sind. Die pauschale Hinzurechnung nach § 8b Abs. 7 KStG ist somit auch dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit zuzuordnen. Die Regelung gilt für alle Beteiligungen und zwar unabhängig von einer bestimmten Beteiligungshöhe und unabhängig von der Möglichkeit, auf die Tochtergesellschaft einen sicheren Einfluss ausüben zu können. Rechtfertigungsgründe für den Verstoß der Regelungen in § 8b Abs. 7 KStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat akzeptiert, dass ihr die tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen hinsichtlich der AC nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen sind. Über die Streitfrage, ob § 3c Abs. 1 EStG i. V. m. § 8b Abs. 1 KStG bei der europarechtlich erzwungenen Nichtanwendung von § 8b Abs. 7 KStG wieder auflebt und subsidiär anzuwenden ist, braucht daher nicht entschieden zu werden
Betroffene Norm
§ 8b Abs. 7 KStG 1999, Art. 49 AEUV, Art. 63 AEUV, Streitjahr 1999
Anmerkungen
Auch das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat in einem ähnlichen Fall die vom Finanzamt durchgeführte pauschale Hinzurechnung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der ausländischen Dividendenerträge korrigiert und nur die tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen hinzugerechnet. Das Urteil ist ebenfalls BFH-anhängig: I R 44/11, siehe Deloitte Tax-News.
Fundstellen
Finanzgericht Köln, Urteil vom 22.11.2011, 13 K 2853/07, BFH, Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.07.2008, X R 62/04, BFH/NV 2008, S. 1927
BFH, Urteil vom 13.06.2006, I R 78/04
EuGH, Urteil vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 "Bosal",
EuGH, Urteil vom 23.02.2006, Rs. C-471/04 "Keller Holding“