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25.10.2012
Unternehmensteuer

BFH: Rechtssache Meilicke - Keine Anrechnung ausländischer Körperschaftssteuer mangels ordnungsgemäßem Nachweis

Mit Urteil vom 15.01.2015 hat der BFH die Auffassung des FG Köln bestätigt und in dem langjährigen Rechtsstreit zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer (sog. Meilicke Urteile des EuGH, C-292/04 und C262/09) abschließend entschieden, dass der Anrechnungsbetrag in substantieller Weise gegenüber den deutschen Finanzbehörden nachgewiesen werden müsse. Es obliege allein dem Anteilseigner, den Beweis der tatsächlichen körperschaftsteuerlichen Vorbelastung zu erbringen. Hierfür reiche eine ausländische Bankbescheinigung über die tatsächliche Zahlung von Körperschaftsteuer nicht aus. Auch wenn das körperschaftsteuerrechtliche Anrechnungsverfahren seit 2001 abgeschafft ist, dürfte das BFH-Urteil noch von großer Praxisrelevanz sein, da in vielen Fällen die entsprechenden Steuerbescheide „offen“ gehalten und der Abschluss des Klageverfahrens „Meilicke“ abgewartet wurde.
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FG Köln:
Für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer ist es nicht ausreichend, wenn eine Bank die anrechenbare ausländische Steuer lediglich aus dem Körperschaftsteuersatz ableitet und bescheinigt, da sich hieraus nicht ergibt, dass die Steuer vom ausländischen Unternehmen auch tatsächlich entrichtet wurde.

Sachverhalt

Die Kläger hatten Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Streitjahren 1995 bis 1997 i.H.v. insgesamt 16 984 DM geerbt. Im Oktober 2000 beantragten sie die Anrechnung von 3/7 der vom Erblasser erzielten Dividendeneinnahmen. 

Zur Begründung gaben sie an, dass die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG vorgesehene Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuerbeträge gegen EG-Recht verstoße. Der EuGH habe im Urteil vom 06.06.2000 (Rs. C-35/98, Verkooijen) in einer niederländischen Rechtssache entschieden, dass es mit dem EG-Vertrag unvereinbar sei, wenn bei der Einkommensteuer für Inlandsdividenden eine Steuerbefreiung gewährt werde, die für Dividenden aus anderen Mitgliedstaaten verweigert werde. Das Finanzamt lehnte die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer ab, weil das von den Klägern zitierte EuGH-Urteil nur die Niederlande binde und nicht festgestellt werden könne, ob die dort geltende Rechtslage den deutschen Regelungen entspreche.

Entscheidung

Der 2. Senat des Finanzgerichts Köln entschied in einem Urteil vom 27.08.2012 (2 K 2241/02), dass es für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer nicht ausreichend sei, wenn eine Bank die anrechenbare ausländische Steuer lediglich aus dem Körperschaftsteuersatz ableitet und entsprechend bescheinigt. Hieraus ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass die Steuer vom ausländischen Unternehmen auch tatsächlich entrichtet wurde. Das FG Köln wies somit die Klage mangels entsprechender Nachweise ab. Die Revision beim BFH wurde zugelassen.

In dem Klageverfahren hatte der 2. Senat des FG Köln zwei Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt. Im Rahmen des bis zum Jahr 2000 geltenden Anrechnungsverfahrens konnte nur die Körperschaftsteuer bei der persönlichen Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden, die auf Dividenden einer inländischen Kapitalgesellschaft entfiel. Infolge des ersten Vorlagebeschlusses hielt der EuGH diese Beschränkung für rechtswidrig und schuf damit die Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer (Urteil in der Rechtssache Meilicke v. 06.03.2007, C-292/04).

Offen blieb hierbei allerdings, welche formellen Anforderungen an den Nachweis des Anfalls ausländischer Körperschaftsteuer zu stellen sind. Der 2. Senat hatte deshalb den Rechtsstreit im Hinblick auf die praktischen Umsetzungsfragen erneut dem EuGH vorgelegt. Im Urteil v. 30.06.2011, C-262/09 (Meilicke II) hat der EuGH hierzu entschieden, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer keine Körperschaftsteuerbescheinigung voraussetze, die dem seinerzeit geltenden deutschen Körperschaftsteuergesetz entspreche. Ausreichend aber auch erforderlich seien insoweit Belege, die es den Steuerbehörden erlaubten, klar und genau zu überprüfen, in welcher Höhe die ausländischen Dividenden tatsächlich mit ausländischer Körperschaftsteuer belastet seien.

Das FG Köln verlangt nunmehr in seinem Urteil, dass die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf einer objektivierten und zuverlässigen Überprüfung der Belastung der ausgeschütteten Dividenden mit Körperschaftsteuer basieren müsse. Es komme nicht auf die Erfüllung der formellen, sondern vielmehr auf die Erfüllung der materiellen Kriterien der Körperschaftsteuerbescheinigung an.

Die beiden vom EuGH aufgestellten Alternativen, d.h. Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung oder anderer Nachweise über die tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer sind als gleichwertige Alternativen zu verstehen. Die erste Alternative – die Körperschaftsteuerbescheinigung – erschöpft sich deshalb nicht in einer bloßen Formalie. Würde eine niedrigere Beweiskraft der ausländischen Körperschaftsteuerbescheinigung ausreichen, z.B. eine solche, die – wie im Streitfall – auf Unterstellungen und Vermutung beruht, wäre zudem eine Beweismaßreduzierung gegeben. Eine solche ist nach der EuGH-Entscheidung vom 30.06.2011 allerdings nicht zulässig. Dies ergibt sich daraus, dass der EuGH zum Zwecke der Körperschaftsteueranrechnung eine Schätzung des einschlägigen Steuersatzes ausdrücklich ablehnt (EuGH-Urteil vom 30.06.2011, C-262/09 - Meilicke II, Rn. 36). Eine Schätzung ist indes nichts anderes als eine Reduzierung des Beweismaßes.

Das FG Köln erkennt an, dass die Anforderung, die „tatsächlich entrichtete“ Körperschaftsteuer nachzuweisen, mit großen faktischen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Mitunter könnte die Feststellbarkeit der tatsächlichen Belastung der Dividende mit ausländischer Körperschaftsteuer sogar tatsächlich unmöglich erscheinen. Diese Erkenntnis war u.A. Anlass für das FG Köln, den EuGH mit Beschluss vom 14.05.2009 im Wege des Vorabentscheidungsersuchens anzurufen. Er hatte dabei u.a. auch erwogen, das Problem zugunsten der ausländischen Dividenden durch eine Schätzung zu lösen. Dies hat der EuGH jedoch ausdrücklich abgelehnt (EuGH-Urteil vom 30.06.2011, C-262/09 - Meilicke II, Rn. 36). Der EuGH forderte den Nachweis der „tatsächlich entrichteten“ Körperschaftsteuer. Dies ist der gemeinschaftsrechtlich gebotene adäquate Ersatz der nationalen Körperschaftsteuerbescheinigung und dient der Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Dividenden. Soweit sich hierbei Probleme ergeben, müssen diese nicht vom betroffenen Mitgliedstaat aufgefangen werden (vgl. EuGH-Urteil vom 30.06.2011, C-262/09 – Meilicke II, Rn. 48).

Anmerkungen

Aktuell: FM Schleswig-Holstein, Kurzinformation vom 25.02.2020

Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat mit Kurzinformation vom 25.02.2020 im Hinblick auf die noch offenen Anrechnungsanträge eine Zusammenstellung von Fallgruppen erarbeitet. Danach können momentan lediglich Anträge in Fällen bearbeitet werden, in denen allein aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Anrechnung nicht in Betracht kommt. Mangels endgültiger Entscheidung darüber, welche materiell-rechtlichen Anforderungen an den Nachweis, aus dem sich die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der empfangenen ausländischen Dividende ergibt, zu stellen sind, kann über Anträge, die nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt werden können, nach wie vor nicht entschieden werden.

Deloitte

Das Urteil führt leider zu einer verschlechterten Möglichkeit der Anrechnung ausl. Körperschaftssteuer. Es muss ein Nachweis über die „tatsächlich entrichtete“ Körperschaftsteuer geführt werden, welcher aufgrund der bereits vergangenen Zeitspanne und des Auslandsbezugs schwer zu führen sein dürfte. Letztendlich verbleibt jetzt nur die Möglichkeit direkt auf die jeweiligen ausländischen Unternehmen zuzugehen, mit der Bitte einer Bestätigung über die „tatsächlich entrichtete“ Körperschaftsteuer.
Die hieraus resultierenden faktischen Schwierigkeiten erkennt sowohl das zuständige FG als auch der EuGH an, gleichzeitig wird jedoch auch bestätigt dass dies nicht zu Lasten der betroffenen Mitgliedstaaten geht.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15.01.2015, I R 69/12

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