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25.02.2013
Unternehmensteuer

FG Köln: Verdeckte Gewinnausschüttung durch Nichtgeltendmachung von Forderungen gegen Schwestergesellschaft

Die fehlende Durchsetzung von Forderungen gegen eine Schwestergesellschaft stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft dar, wenn dies ausschließlich geschieht, um die Schwestergesellschaft finanziell nicht zu belasten. Sofern die gemeinsame Muttergesellschaft ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, begegnet die Inanspruchnahme der ausschüttenden Gesellschaft für Kapitalertragsteuer im Wege der Haftung keinen europarechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu 100 % von der Ltd. mit Sitz auf den British Virgin Islands gehalten werden. Die Ltd. hält zugleich 100 % der Anteile an der C-GmbH. Mit Wirkung zum 01.02.2005 schloss die Klägerin mit der GmbH einen Pachtvertrag über die Überlassung eines Hotelgebäudes. Hierfür sollte monatlich Miete sowie eine Kaution gezahlt werden.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 stellte der Prüfer fest, dass weder die Kaution noch die Monatsmieten tatsächlich an die Klägerin gezahlt wurden. Es erfolgte weder eine bilanzielle Erfassung von Mietforderungen noch wurde ein wirksamer Mietverzicht erklärt. Da die Gesellschaften als nahestehende Personen anzusehen seien, lag nach Auffassung des Prüfers eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Ltd. durch eine verhinderte Vermögensmehrung vor. Die vGA sei der Ltd. als beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Gesellschaft zuzurechnen und löse Kapitalertragsteuer als Abgeltungsteuer aus, die im Wege eines Haftungsbescheides gegen die Klägerin festzusetzen sei.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch und Klage.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Die fehlende bilanzielle Berücksichtigung der Mietforderungen gegen die C-GmbH stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, für welche die Klägerin Kapitalertragsteuer hätte einbehalten müssen.

Unter einer vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Der Vorgang muss zudem dazu geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auszulösen (BFH-Urteil vom 07.08.2002 und vom 08.10.2008).

Soweit die Klägerin auf die Durchsetzung ihrer Mietansprüche aus Rücksicht gegenüber der finanziellen Situation der Schwestergesellschaft verzichtet, liegt eine verhinderte Vermögensmehrung vor, die ihre Ursache im Gesellschafterverhältnis hat. Dabei handelt es sich um eine vGA an die ausländische Muttergesellschaft.

Die Schuldner der Kapitalerträge haften für die Kapitalertragsteuer, es sei denn sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grobfahrlässig verletzt haben (§ 44 Abs. 5 EStG). Schuldner der Kapitalertragsteuer im Hinblick auf die vGA ist der Gläubiger der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 EStG). Im Streitfall handelt ist das der Geschäftsführer der Klägerin. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er im Interesse der Klägerin die Mietforderungen hätte geltend machen müssen, aber tatsächlich im Interesse der Schwestergesellschaft handelte. Die Klägerin konnte insoweit nicht nachweisen, dass der Geschäftsführer seine Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterhielt die Muttergesellschaft der Klägerin keine inländische Betriebsstätte. Bei beschränkt Steuerpflichtigen gilt die Besteuerung mit dem Steuerabzug vom Kapitalertrag als abgegolten, es sei denn es liegt ein inländischer Betrieb vor (§ 50 Abs. 5 S. 1, 2 EStG a.F.). Das Halten von zwei Beteiligungen in Deutschland reicht für das Vorliegen einer Betriebsstätte (§ 12 S. 1 AO) nicht aus, da es an einer im Inland belegenen Einrichtung fehlt. Folglich handelt es sich bei der Muttergesellschaft um eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft ohne Betrieb im Inland, für die § 50 Abs. 5 S. 1 EStG a.F. gilt.

Das FG verneint ebenso den von der Klägerin angeführten Verstoß gegen Unionsrecht wegen der Freistellung von Dividenden für Einkünfte im Inland nach § 8b KStG. Die Niederlassungsfreiheit wird Gesellschaften durch Art. 49 AEUV gewährt. Der EuGH hat aus dem Inhalt dieser Bestimmungen zusammenfassend abgeleitet, dass Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft das Recht zusteht, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 28.01.1986). Eine Gewinnausschüttung von einer Kapitalgesellschaft an eine andere Kapitalgesellschaft wäre grundsätzlich im Inland steuerfrei (§ 8b Abs.1 KStG). Der Umstand, dass in Bezug auf die ausländische Muttergesellschaft Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, führt nicht zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Denn nach § 43 Abs. 1 S. 1 EStG können Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag stellen, dass die Kapitalertragsteuer ebenfalls nicht erhoben wird. Im Streitfall hätte die Klägerin einen solchen Antrag bis zum Ablauf des Jahres 2009 stellen können, da die Frist für den Antrag vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge bezogen worden sind (2005) beträgt (§ 50d Abs. 1 S. 7 EStG). Dass ein solcher Antrag nicht gestellt wurde kann aus Sicht des FG nicht dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder ggf. die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, da die vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten schlicht nicht genutzt wurden.

Betroffene Norm
§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG, § 8b Abs. 1 KStG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 44 Abs. 5 EStG, Art. 49 AEUV
Streitjahr 2005

Fundstelle
Finanzgericht Köln, Urteil vom 27.09.2012, 10 K 2898/10, rechtskräftig, EFG 2013, S. 231

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 07.08.2002, I R 2/02, BStBl II 2004, S. 131
BFH, Urteil vom 08.10.2008, I R 61/07, BStBl II 2011, S. 62
BFH, Urteil vom 20.08.2008, I R 19/07, BStBl II 2011, S. 60
EuGH, Urteil vom 28.01.1986, Rs. 270/83, NJW 1987, S. 569

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