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14.06.2013
Unternehmensteuer

FG München: Betriebsaufspaltung aufgrund des Ausweises einzelner Räumlichkeiten eines Zweifamilienhauses als Unternehmenssitz

Mit Urteil vom 29.07.2015 hat der BFH das Urteil des FG München aufgehoben und entschieden, dass allein der Ausweis einzelner Räume einer Immobilie als Unternehmenssitz noch keine eine Betriebsaufspaltung begründende funktionale und quantitative Bedeutung der Räumlichkeiten für das Betriebsunternehmen entfaltet.
BFH, Urteil vom 29.07.2015, IV R 16/13 nicht amtlich veröffentlicht, siehe Deloitte Tax-News 
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FG München (Vorinstanz):
Bereits der Ausweis einzelner Räume eines Zweifamilienhauses als Unternehmenssitz der Betriebsgesellschaft führt bei räumlich-funktionaler Betrachtungsweise dazu, dass die überlassenen Räumlichkeiten als wesentliche Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft anzusehen sind. Dasselbe gilt im Falle der (formalen) Zuordnung des Ortes der Geschäftsleitung zum Standort der überlassenen Räume, auch wenn die tatsächlich dort ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeit nur ein geringes Ausmaß erreicht.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, deren Beteiligte (Ehegatten) jeweils zu 50 v.H. Miteigentümer des Grundstücks in X-Stadt sind. Die Ehegatten vermieteten in den Streitjahren 2002 bis 2004 an die AG mit Sitz in X-Stadt (an der sie zu 69,44 v.H. beteiligt waren) ein Büro nebst weiteren Räumen in ihrem Zweifamilienhaus. Die hieraus erzielten Einkünfte erklärten sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. 
 
Nach Durchführung von Außenprüfungen bei den Ehegatten und der Klägerin vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Einkünfte aus der Vermietung von Räumen an die AG im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der AG erzielt worden und daher die vermieteten Räumlichkeiten dem Betriebsvermögen der Klägerin und die Anteile der Ehegatten an der AG dem Sonderbetriebsvermögen der Ehegatten zuzuordnen seien. Es qualifizierte die Vermietungseinkünfte daher als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Entscheidung

Das Finanzamt hat die Mieteinnahmen zu Recht den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zugeordnet, da die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, nämlich sachliche und persönliche (unstreitig) Verflechtung, gegeben sind.

Eine sachliche Verflechtung setzt die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage durch die Besitzgesellschaft an die Betriebsgesellschaft voraus. Ein an die Betriebsgesellschaft überlassenes Grundstück stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn es von dieser genutzt und für diese wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Notwendig ist dabei allein, dass das Grundstück eine räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2006). Es kommt weder auf einen besonderen Lagevorteil noch auf eine besondere bauliche Gestaltung des Grundstücks noch darauf an, ob das Grundstück jederzeit durch ein anderes ersetzbar wäre oder auf die besonderen Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten ist, und somit auch nicht darauf, ob es sich um ein reines Büro-/Verwaltungsgebäude oder um ein „Allerweltsgebäude“ wie z.B. ein Einfamilienhaus handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 16.02.2012).

Entscheidend ins Gewicht fällt, dass am Standort X-Stadt der Unternehmenssitz der AG angesiedelt ist. Denn ohne einen Unternehmenssitz kann die Betriebsgesellschaft rechtlich nicht existieren und ihr Betrieb daher nicht fortgeführt werden. Die Bestimmung des Unternehmenssitzes ist daher ein wesentliches funktionales Erfordernis der Betriebsgesellschaft und der Unternehmenssitz damit von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung.

Hinzu kommt im Streitfall, dass die Geschäftsleitungstätigkeit unstreitig zumindest teilweise, nämlich an Wochenenden, vom Standort des Grundstücks aus ausgeübt worden ist. Auch aus diesem Grunde haben die überlassenen Räume in X-Stadt nicht nur – unbedeutende – formale (vgl. Anmeldung zum HR, Steuererklärungen für die AG) Bedeutung. Es spielt insoweit keine entscheidende Rolle, dass die Geschäftsleitung, wie die Klägerin glaubhaft vorgetragen hat, ganz überwiegend von anderen Standorten ausgeübt worden ist. Denn die überlassenen Räume müssen nicht „die“ wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, es genügt vielmehr, dass es sich um „eine“ von mehreren wesentlichen Betriebsgrundlagen handelt. Zudem ist die Geschäftsleitungstätigkeit als solche von so zentraler Bedeutung für den Betrieb der AG, dass auch ein verhältnismäßig geringer Anteil daran Auswirkung auf die funktionale Bedeutung des entsprechenden Ortes i.S. einer wesentlichen Betriebsgrundlage hat.

Betroffene Normen
§ 15 Abs. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 8 EStDV

Fundstelle
BFH, Urteil vom 29.07.2015, IV R 16/13 nicht amtlich veröffentlicht, siehe Deloite Tax-News
Finanzgericht München, Urteil vom 26.02.2013, 2 K 26/11 
 
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 13.07.2006, IV R 25/05, BStBl II 2006, S. 804
BFH, Beschluss vom 16.02.2012, X B 99/10, BFH/NV 2012, S. 1110

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