FG Münster: Aktive Einkünfte einer EU-Betriebsstätte sind beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen
Aktive Einkünfte aus einer in der EU belegenen Betriebsstätte sind beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Dies ist die vom Gesetzgeber beabsichtigte Folgeregelung für den Erhalt des negativen Progressionsvorbehalts für Verluste aus denselben Tätigkeiten.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die an mehreren ausländischen Gesellschaften beteiligt ist, u. a. auch an zwei polnischen Gesellschaften (vergleichbar mit einer deutschen GmbH & Co. KG).
Die Klägerin gab in ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2008 keine Einkünfte aus diesen Beteiligungen an. Im Anschluss an eine Außenprüfung berücksichtigte das Finanzamt die Gewinnanteile an den polnischen Gesellschaften im Rahmen des Progressionsvorbehalt als Einkünfte aus aktiven gewerblichen Betriebsstätten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das Finanzamt habe die Gewinnanteile der Klägerin aus den Beteiligungen an den polnischen Gesellschaften zu Recht in den Progressionsvorbehalt einbezogen.
Der Progressionsvorbehalt ist gem. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG auf Einkünfte anzuwenden, die nach einem DBA steuerfrei sind. Dies sei vorliegend der Fall, da das Besteuerungsrecht an den Einkünften der polnischen Gesellschaften Polen zustehe (Art. 7 DBA-Polen); die Ausnahme für passive Einkünfte sei vorliegend nicht einschlägig.
Auch greife die Ausnahme für eine Einbeziehung von Einkünften in den Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG im Streitfall nicht. Nach dieser Vorschrift ist der Progressionsvorbehalt nicht anwendbar für Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG erfüllt. Gem. § 2a Abs. 2 S. 1 EStG unterliegen negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten ausnahmsweise keiner Verlustausgleichsbeschränkung, wenn die Betriebsstätte aktive Einkünfte bezieht.
Im Streitfall handele es sich bei den Gewinnanteilen der Klägerin aus den polnischen Gesellschaften unstreitig um Einkünfte aus nicht in Drittstaaten belegenen Betriebsstätten, die aktive Tätigkeiten ausüben. Damit greife die Ausnahme vom Progressionsvorbehalt nicht.
Die in § 2a Abs. 2 S. 1 EStG enthaltene Formulierung, nach der der Steuerpflichtige nachweisen muss, dass die „negativen Einkünfte“ aus einer „gewerblichen Betriebsstätte in einem Drittstaat“ stammen, sei lediglich eine unnötige Wiederholung der Grundregel des § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, aber keine Tatbestandvoraussetzung des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG. Voraussetzung der Ausnahmeregelung des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG sei allein die Art der Tätigkeit (Aktivitätsvorbehalt). Andernfalls hätte der Verweis in § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG keinen Anwendungsbereich. Da diese Vorschrift ausdrücklich Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen Betriebsstätte voraussetzt, wären die Voraussetzungen der Verweisung niemals erfüllt, wenn man die Belegenheit der Betriebsstätte als Tatbestandsvoraussetzung des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ansehen würde.
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 sollten bestimmte gewerbliche Verluste aus EU-Betriebsstätten vom negativen Progressionsvorbehalt ausgenommen werden. Um europarechtlichen Bedenken hiergegen zu begegnen, sollten im Gegenzug auch entsprechende positive Einkünfte aus EU-Betriebsstätten vom Progressionsvorbehalt ausgenommen bleiben. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf positive Einkünfte aus aktiven Tätigkeiten ist demnach als vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Folgeregelung für den Erhalt des negativen Progressionsvorbehalts für Verluste aus denselben Tätigkeiten anzusehen.
Betroffene Norm
§ 2a Abs. 2 S.1 EStG, § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG
Streitjahr 2008
Anmerkung
Die Frage, wie weit die seit 2008 geltende Ausnahme vom Progressionsvorbehalt bei Einkünften aus EU-Betriebsstätten (§ 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG) reicht, dürfte für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam sein und bisher lag hierzu - soweit ersichtlich - noch keine gerichtliche Entscheidung vor.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.03.2014, 4 K 2292/11 F, rechtskräftig