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27.05.2013
Unternehmensteuer

FG Münster: Keine AdV trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke

Mit Beschluss vom 18.12.2013 hat der BFH den Beschluss des FG Münster aufgehoben und AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit Zinsschranke – die auch das FG hatte – gewährt. Obwohl die vorliegende Substanzbesteuerung nicht zu einer Existenzgefährdung oder zu einem irreparablen Nachteil für die Antragstellerin führe, sei AdV zu gewähren, da die Gefahren für die öffentliche Haushaltsführung vergleichsweise gering seien, weshalb das Aussetzungsinteresse überwiege. Der BFH folgt damit dem BFH-Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13 (siehe Deloitte Tax-News), demzufolge eine AdV nicht deshalb abgelehnt werden könne, weil das BVerfG möglicherweise in einem Normenkontrollverfahren eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen anordnen könnte.
BFH, Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13, siehe Deloitte Tax-News
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FG Münster
Das FG Münster hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke. Die Zinsschranke, die insbesondere eingeführt worden ist, um missbräuchliche konzerninterne Gewinnverlagerungen zu verhindern, geht in ihrer Wirkung weit über die Fälle missbräuchlicher Gestaltungen hinaus. Trotz dieser erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken kann einem Aussetzungsantrag nicht entsprochen werden, wenn sich kein gegenüber dem öffentlichen Interesse an dem Gesetzesvollzug überwiegendes besonderes Aussetzungsinteresse des Antragstellers – insbesondere eine durch die Zinsschranke begründete Existenzgefährdung – feststellen läßt. Damit schließt sich das FG der bisher noch überwiegend vertretenen Auffassung des BFH an.

Sachverhalt

Die Anwendung der sog. Zinsschranke führte bei der Antragstellering, einer GmbH, dazu, dass sie von den im Jahr 2008 angefallenen Zinsen in Höhe von rund 9,6 Mio. Euro im Jahr 2008 lediglich 3,3 Mio. Euro als Betriebsausgaben abziehen und die weiteren etwa 6,3 Mio. Euro lediglich in die Folgejahre vortragen konnte. Gegen den entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 2008 stellte die GmbH einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV), da sie die Regelung der Zinsschranke für verfassungswidrig hielt.

Beschluss

Der Antrag auf AdV des Körperschaftsteuerbescheides 2008 ist trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke (§ 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG) abzulehnen.

Die Regelung der sog. Zinsschranke begrenzt die Möglichkeit von Unternehmen, Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abzuziehen. Danach sind Zinsaufwendungen, sofern sie 3 Mio. Euro übersteigen, grundsätzlich nur in Höhe von 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens (sog. verrechenbares EBITDA) abziehbar. Die nach Abzug verbleibenden nicht abziehbaren Zinsaufwendungen können in die folgenden Wirtschaftsjahre vorgetragen werden. Eine Abzugsbeschränkung kann unterbleiben, wenn bestimmte Ausnahmetatbestände (§ 4h Abs. 2 Buchst. a bis c EStG) erfüllt werden.

Nach Auffassung des FG ist ernsthaft zweifelhaft, ob diese gesetzliche Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht. Mit den Regelungen zur Zinsschranke ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Durch die Vorschrift sollten vornehmlich konzerninterne Gestaltungen zur Gewinnverlagerung beschränkt werden. Das FG Münster schließt sich dem Beschluss des FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13.10.2011) an, in dem erhebliche Zweifel daran geäußert wurden, ob die Zinsschranke einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde (offen gelassen im BFH-Beschluss vom 13.03.2012) und stellt darüber hinaus klar, dass sich die ernstlichen Zweifel auf die Zinsschranke selbst sowie ihre Ausnahmen beziehen. Die Zinsschranke gehe über den Zweck der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen hinaus und führe auch im Bereich einer üblichen Fremdfinanzierung zu Belastungswirkungen und einer Substanzbesteuerung, was insbesondere die Situation insolvenzbedrohter Unternehmen verschlechterte.

Allein die ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke genügen jedoch nicht, um eine AdV des angefochtenen Bescheides zu rechtfertigen.

Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 i.v.m. Abs. 2 S. 2 FGO). Beruhen die ernstlichen Zweifel auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt (im Streitfall dem Körperschaftsteuerbescheid 2008) zugrundeliegenden Gesetzesvorschrift, setzt der Rechtsschutz in Form einer AdV ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus (BFH-Beschluss vom 01.04.2010). Dafür hat nach überwiegender Rechtsprechung des BFH (u.a. BFH-Beschluss vom 01.04.2010; a.A. etwa BFH-Beschluss vom 25.08.2009) eine Abwägung des individuellen Aussetzungsinteresses gegen das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung zu erfolgen (einschränkende Auslegung des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO). Im Streitfall sei mangels überwiegenden individuellen Aussetzungsinteresses der GmbH – es liegt vor allem keine durch die Zinsschranke begründete Existenzgefährdung vor – das öffentliche Interesse an einer Durchsetzung der gesetzgeberischen Entscheidungen vorrangig.

Das FG hat die Beschwerde zum BFH zugelassen, weil neben der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke auch klärungsbedürftig sei, nach welchen Maßstäben eine AdV zu gewähren sei, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt wird.

Betroffene Norm
§ 4h EStG, § 8 Abs. 1 KStG, § 8a KStG, § 69 Abs. 2 FGO
Streitjahr 2008

Fundstellen
BFH, Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 29.04.2013, 9 V 2400/12 K

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 13.03.2012, I B 111/11, BStBl II 2012, S. 611, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 01.04.2010, II B 168/09, BStBl II 2010, S. 558
BFH, Beschluss vom 25.08.2009, VI B 69/09, BStBl II 2009, S. 826
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.10.2011, 12 V 12089/11, EFG 2012, S. 358

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