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14.06.2012
Unternehmensteuer

FG Münster: Organträgerin muss während des gesamten Wirtschaftsjahres gewerbliche Einkünfte erzielen

Aufhebung des FG-Urteils durch: BFH, Urteil vom 24.07.2013, I R 40/12
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Eine Personengesellschaft, die nicht von Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an gewerbliche Einkünfte erzielt, kann nicht Organträgerin sein, auch wenn dies im Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG in der ab 2003 gültigen Fassung nicht mehr ausdrücklich normiert ist. Der Gesetzeszweck, dass die Einkünfte der Organgesellschaft zu den gewerblichen Einkünften der Personengesellschaft gehören und der Gewerbesteuer unterliegen, wäre sonst nicht sichergestellt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile im November 2005 an eine KG veräußert wurden. Gleichzeitig wurde ein Gewinnabführungsvertrag mit der KG als Organträgerin abgeschlossen. Zum 01.03.2006 veräußerte die Klägerin ihren gesamten Geschäftsbetrieb an die KG. Ebenfalls zum 01.03.2006 vermietete die KG diesen Geschäftsbetrieb an die GmbH zurück. Die in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärten Einkünfte rechnete die Klägerin in voller Höhe der Organträgerin, der KG, zu. 

Das Finanzamt erkannte die Organschaft nicht an,, da nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KStG eine Personengesellschaft nur dann steuerlich Organträger sein könne, wenn diese ein gewerbliches Unternehmen betreibe. Eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft könne nicht Organträger sein. Zur steuerlichen Anerkennung einer Organschaft müssten alle gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt sein. Die KG habe ihr gewerbliches Betriebsverpachtungsunternehmen erst durch den Kauf des Geschäftsbetriebs zum 01.03.2006 begründet. Zum 01.01.2006 habe sie lediglich die Beteiligung an der Klägerin gehalten und sei damit vermögensverwaltend tätig gewesen. Die Organschaft sei deshalb steuerlich für 2006 nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist dagegen der Ansicht, dass nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG in der ab 2003 gültigen Fassung das ganzjährige Erzielen gewerblicher Einkünfte nicht erforderlich sei.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft verneint.

Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 KStG sind im Streitfall gegeben. Insbesondere verfügte die KG seit Ende 2005 über 100% der Anteile an der Klägerin, so dass eine finanzielle Eingliederung der Klägerin zu Beginn des Wirtschaftsjahres als Organgesellschaft gegeben war. Des Weiteren war der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen. Auch eine Verlustübernahme war vertraglich festgehalten. Voraussetzung für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG ist die ausdrückliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG.

Die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Danach muss der Organträger eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 mit Geschäftsleitung im Inland sein. Organträger kann auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit Geschäftsleitung im Inland sein, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt. Streitig ist, ob eine Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft ausüben muss, um tauglicher Organträger zu sein, oder ob es ausreicht, dass sie eine solche gewerbliche Tätigkeit unterjährig ab irgendeinem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr aufnimmt.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG 1999 war es noch erforderlich, dass die Voraussetzungen für die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahres an vorliegen mussten. Durch die Neufassung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG, die erstmals für den Veranlagungszeitraum 2003 gilt, ist die zeitliche Komponente im Wortlaut der Nr. 2 ganz entfallen; lediglich für die in § 14 Abs.1 S. 1 Nr. 1 KStG geregelte finanzielle Eingliederung sind zeitliche Mindestanforderungen im Gesetz ausdrücklich normiert. Folglich könnte man annehmen, dass die nicht ausdrücklich festgelegte zeitliche Voraussetzung in Nr. 2 dazu führt, dass diese vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sei, da er dies sonst ausdrücklich geregelt hätte. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Er vertritt vielmehr, unter Beachtung von Sinn und Zweck der Regelung, die Auffassung, dass die originär gewerbliche Tätigkeit des Organträgers vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt sein muss. Die Voraussetzungen für die Tauglichkeit von Personengesellschaften als Organträger sind vom Gesetzgeber erheblich verschärft worden. Zweck der Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG war es, eine Umqualifizierung des Organeinkommens zu verhindern. Die Einkünfte der Organgesellschaft, die immer eine Kapitalgesellschaft sein muss und daher nur gewerbliche Einkünfte haben kann, sollen durch die Organschaft nicht in eine andere Einkunftsart umqualifiziert werden. Dies erfordert es, dass im Veranlagungszeitraum des Organträgers, bei dem eine Zurechnung des Organeinkommens erfolgt, gewerbliche Einkünfte vorliegen. Bei einer nur unterjährigen gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft ist der Gesetzeszweck, dass die Einkünfte der Organgesellschaft zu den gewerblichen Einkünften der Personengesellschaft gehören und der Gewerbesteuer unterliegen, aber gerade nicht sichergestellt.

Weder das bloße Halten und Verwalten der Beteiligung an der Klägerin noch die mit Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages von der KG ausgeübte geschäftsleitende Tätigkeit für die Klägerin begründet eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 17.12.1969 entschieden, dass die Ausübung der einheitlichen Leitung im Konzern (sog. geschäftsleitende Holding) unter gewissen Voraussetzungen eine originär gewerbliche Tätigkeit begründen kann. Dies setzt aber unter anderem voraus, dass die Holding mindestens zwei Tochtergesellschaften beherrschen muss. Bei nur einer Tochtergesellschaft führt die Muttergesellschaft lediglich den Betrieb der Tochtergesellschaft und übt gerade keine einheitliche Leitung gegenüber mehreren abhängigen Gesellschaften aus, die sie zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, die neben die einzelnen Unternehmen tritt (vgl. BFH-Urteil vom 13.09.1989 und BFH-Beschluss vom 12.08.2002).

Die Frage, ob bei einer Betriebsaufspaltung eine Personengesellschaft als Besitzunternehmen eine eigene gewerbliche Betätigung ausübt und aufgrund dessen tauglicher Organträger sein kann, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Auch die von der Klägerin dargelegten Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf die angestrebte Betriebsaufspaltung führen insoweit zu keinem anderen Ergebnis, denn sie ändern nichts an den Umstand, dass die Betriebsaufspaltung erst ab dem 01.03.2006 bestand. Eine zeitliche "Rückbeziehung" der Betriebsaufspaltung auf den Zeitpunkt der ersten (relevanten) Vorbereitungshandlungen kommt nicht in Betracht, denn erst bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung wird die gewerbliche Tätigkeit des anderen (Betriebs-)Unternehmens dem Besitzunternehmen zugerechnet.

Betroffene Norm

§ 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG, Streitjahr 2006

Fundstellen

BFH, Urteil vom 24.07.2013, I R 40/12
Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.02.2012, 9 K 3556/10 K, G

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.12.1969, I R 252/64, BFHE 98, S. 152, BStBl II 1970, S. 257
BFH, Urteil vom 13.09.1989, I R 110/88, BFHE 158, S. 346, BStBl II 1990, S. 24;
BFH, Beschluss vom 12.08.2002, VIII B 69/02, BFH/NV 2002, S. 1579

Englische Zusammenfassung

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