FG Niedersachsen: Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei späterer Übertragung von Sonderbetriebsvermögen
Die Aufdeckung von stillen Reserven im unentgeltlich übertragenden Teil eines Mitunternehmeranteils scheidet auch dann aus, wenn ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens erst später zum Buchwert übertragen wird. Für den Fall der vorherigen bzw. zeitgleichen Übertragung von Sonderbetriebsvermögen hatte der BFH dies bereits mit Urteil vom 02.08.2012 entschieden. Auf dieses Urteil hatte die Finanzverwaltung allerdings mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG deren alleiniger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ursprünglich A war. Dieser übertrug einen Teil seines Kommanditanteils sowie seine im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Geschäftsanteile der Komplementärin mit Wirkung zum 30.12.2008 unentgeltlich auf seinen Sohn B. Die Klägerin führte die Buchwerte des Gesamthandsvermögens unverändert fort. Das bilanziell als Sonderbetriebsvermögen von A geführte Betriebsgrundstück der Klägerin wurde nicht (teilweise) mitübertragen. A übertrug das Betriebsgrundstück mit Wirkung zum 01.01.2011 unentgeltlich auf die X GmbH & Co. KG. A war auch bei dieser Gesellschaft alleiniger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementärin. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Fortführung der Buchwerte bei der Klägerin nicht möglich sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Entgegen der Ansicht des Finanzamtes stehe der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG die Übertragung des Betriebsgrundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin in das Betriebsvermögen der X GmbH & Co. KG nicht entgegen.
Wird der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so ist bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers für die übertragenen Wirtschaftsgüter bzw. Anteile an Wirtschaftsgütern der Buchwert anzusetzen (§ 6 Abs. 3 S. 1 1. HS EStG). Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG für eine Fortführung der Buchwerte liegen grundsätzlich nicht vor, wenn taggleich mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen an einen Dritten veräußert oder übertragen wird.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei aber dann zu machen, wenn die Übertragung auf den Dritten oder die Überführung in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert stattfinde. Die Privilegierungen nach § 6 Abs. 5 EStG und § 6 Abs. 3 EStG ständen
nach dem Wortlaut des Gesetzes gleichberechtigt nebeneinander.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG dafür, bei der Ermittlung des Gewinns des A die Wirtschaftsgüter mit den Werten, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, anzusetzen (Buchwertfortführung), seien bei der Übertragung des Teils des Kommanditanteils des A und eines Teils seines Sonderbetriebsvermögens auf B im Jahr 2008 erfüllt gewesen.
An diesem Ergebnis ändere die spätere unentgeltliche Übertragung des Betriebsgrundstücks im Jahr 2011 aus dem Sonderbetriebsvermögen des A bei der Klägerin in das Betriebsvermögen der X GmbH & Co. KG nichts. A habe die Übertragungen des Teils des Mitunternehmeranteils und des Grundstücks nicht taggleich, sondern in einem Abstand von mehr als zwei Jahren vorgenommen. Zudem wurde das Grundstück unentgeltlich aus dem Sonderbetriebsvermögen des A bei der Klägerin in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, der X GmbH & Co. KG, an der A beteiligt ist, gemäß § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG zu Buchwerten übertragen. Dies rechtfertige eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Übertragung funktional wesentlichen Betriebsvermögens auf Dritte für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG schädlich sei.
Es komme auch keine einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG in Betracht, da es im Streitfall wirtschaftlich nicht zu einer Zerschlagung des Betriebs und damit im Ergebnis zu einer Betriebsaufgabe gekommen sei. Denn das Grundstück sei weiter von der Klägerin als Betriebsgrundstück genutzt worden.
Eine von dem übertragenden Mitunternehmer zu beachtende Behaltefrist für zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine solche Frist ergebe sich weder aus dem Wortsinn des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG noch aus dessen Entstehungsgeschichte.
Der Sachverhalt gebe keinen Anlass, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Veräußerungen oder Entnahmen von zurückbehaltenem Sonderbetriebsvermögen, die in einem Gesamtplan mit der unentgeltlichen (Teil-)Anteilsübertragung stehen, schädlich seien.
Anmerkung
Die Finanzverwaltung hat das Urteil des BFH vom 02.08.2012, wonach der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Gesellschaftsanteil steuerneutral auf ein Kind übertragen kann, obwohl er funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens zeitgleich und ebenfalls steuerneutral auf eine zweite Personengesellschaft überträgt, mit einem Nichtanwendungserlass vom 12.09.2013 belegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil des FG Niedersachsen reagieren wird.
Betroffene Normen
§ 6 Abs. 3 S. 1 EStG, § 6 Abs. 5 EStG
Streitjahr 2008
Fundstelle
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2014, 1 K 10294/13, BFH-anhängig: IV R 12/15
Weitere Fundstellen
siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 12.09.2013 (Nichtanwendungserlass), IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl I 2013, S. 1164