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29.06.2017
Unternehmensteuer

FG Schleswig-Holstein: Steuerliche Anerkennung einer Pensionsrückstellung bei enthaltener Abfindungsklausel

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass Pensionszusagen auch nach Einfügung des sog. Eindeutigkeitsgebots anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen sind, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Eine Pensionsrückstellung ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn sich eine Abfindungsklausel dahin auslegen lässt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt ist.

BFH, Beschluss vom 10.07.2019, XI R 47/17 und Urteil vom 23.07.2019, XI R 48/17, siehe Deloitte Tax-News
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FG Schleswig-Holstein (Vorinstanzen):

Das FG hat in zwei Fällen entschieden, dass der steuerlichen Anerkennung einer Pensionszusage nicht entgegensteht, dass eine enthaltene Abfindungsklausel nicht die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende Sterbetafel oder den anzuwendenden Abzinsungssatz enthält (entgegen BMF-Schreiben vom 06.04.2005).

Sachverhalte

1 K 141/15
Die Klägerin, eine GmbH, sagte ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer eine betriebliche Altersversorgung zu. Die Pensionszusage enthielt eine Abfindungsklausel, die auf die nach dem Betriebsrentengesetz geltenden Abfindungsregeln verwies. Das Finanzamt vertrat – unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 06.04.2005 – die Auffassung, dass die bilanzierte Pensionsrückstellung nicht das Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfülle und gewinnwirksam aufzulösen sei.

1 K 68/14
Die Klägerin, eine GmbH, erteilte ihren Geschäftsführern Pensionszusagen, die im Hinblick auf die Zahlung der Versorgungsbezüge eine Abfindungsklausel enthielten. In der Abfindungsklausel waren Angaben zum Rechnungszinsfuß, aber keine Angaben zu den Sterbetafeln enthalten. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass das Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht erfüllt ist und die bilanzierte Pensionsrückstellung aufzulösen ist. 

Entscheidungen

zu 1 K 141/15
Die gewinnwirksame Auflösung der Pensionsrückstellung sei rechtswidrig. Die Abfindungsklausel der Pensionszusage müsse keinen konkreten Abzinsungssatz und keine konkret anzuwendende Sterbetafel benennen.

Die im BMF-Schreiben vom 28.08.2001 enthaltenen Regelungen zum Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Pensionszusagen gelten laut BMF-Schreiben vom 06.04.2005 für Abfindungsklauseln entsprechend. Danach sind Angaben zu den Berechnungsparametern, insbesondere zu den Sterbetafeln und dem Abzinsungssatz, in Abfindungsklauseln erforderlich. Allerdings sei nach Ansicht des FG der vertragliche Verweis auf die im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen hinreichend eindeutig i.S.d. § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Das FG teile damit nicht die auf das BMF-Schreiben vom 06.04.2005 gestützte Auffassung des Finanzamtes.

Der Gesetzgeber habe in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG eine spezielle, an das Gesetz für betriebliche Altersversorgung angelehnte Regelung für Abfindungsklauseln geschaffen. Danach sind Leistungseinschränkungen nur nach allgemein arbeitsrechtlichen Grundsätzen zulässig und eine Abfindung muss dem Wert des gesamten Versorgungsversprechens im Abfindungszeitpunkt entsprechen (Gebot der Wertgleichheit).

Im Streitfall sehe die Abfindungsklausel eine Abfindung des vollen Barwerts der zukünftigen Pensionsleistungen vor. Das Gebot der Wertgleichheit sei folglich dadurch abgesichert, dass der Barwert über den Verweis auf das BetrAVG den Rechnungsgrundlagen und den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechen müsse. Die Verweisung auf das BetrAVG stehe mit den Vorgaben des Eindeutigkeitsgebots in Einklang.

Auch der Gesetzeszweck erfordere nicht das im BMF-Schreiben vom 06.04.2005 zum Ausdruck gebrachte Verständnis des Eindeutigkeitsgebots, soweit eine Abfindung und keine beitragsorientierte Zusage vorliege. Die für die Zulässigkeit der Bildung einer Pensionsrückstellung relevante Frage, ob aus der Abfindungsklausel ein schädlicher Kürzungsvorbehalt folgt, könne beantwortet werden, ohne dass die Höhe der Abfindung betragsmäßig ermittelt werden müsse.

zu 1 K 68/14
Die gleichen Ausführungen zum Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG gelten auch für diesen vom FG entschiedenen Fall. Auch hier schließt sich das FG nicht der auf das BMF-Schreiben vom 06.04.2005 gestützten Auffassung des Finanzamts an und führt an, dass § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG die ausdrückliche Festlegung der anzuwendenden Sterbetafel nicht verlange.

Außerdem begründe die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel aufgrund der zum Barwert vorzunehmenden Abfindung auch keinen schädlichen Kürzungsvorbehalt i.S.d. § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1998).

Selbst wenn man dieser Argumentation des FGs nicht folgen wollte, sei die Abfindungsklausel dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien mit der Bezugnahme auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik die Anwendung der von der Finanzverwaltung anerkannten Richttafeln von Heubeck festschreiben wollten.

Betroffene Norm

§ 6a Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG
Streitjahre 2007-2011

Anmerkungen

Aktuell: BFH-Beschluss vom 10.07.2019, XI R 47/17 (zu 1 K 68/14)

In dem entschiedenen Fall war in der Abfindungsklausel festgelegt, dass bei der Ermittlung des Kapitalbetrages „ein Rechnungszinsfuß von 6 von Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik“ anzuwenden seien. Der BFH sah in der Regelung mit der Vorinstanz eine eindeutige Festlegung der maßgebenden Sterbetafel, weil den „anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" in langjähriger Verwaltungspraxis die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspreche.

Aktuell: BFH-Urteil vom 23.07.2019, XI R 48/17 (zu 1 K 141/15)

Zum gegenteiligen Ergebnis kam der BFH in einem Parallel-Urteil vom 23. Juli 2019 (XI R 48/17) für eine Pensionszusage, die eine Kapitalabfindung „unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen“ vorsah. Der BFH war hier im Gegensatz zur Vorinstanz der Auffassung, dass die Klausel unklar sei, da als „Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen" z.B. für den Diskontierungszinssatz sowohl die handelsrechtlichen als auch die steuerrechtlichen Rechnungsgrundlagen in Betracht kämen, darüber hinaus auch die aufsichtsrechtlichen Rechnungsgrundlagen und die des § 4 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG, im Übrigen auch Zwischen- oder Durchschnittswerte. Ein Verweis auf die barwertbezogenen Berechnungs-Maßgaben des BetrAVG konnte nach Ansicht des BFH der Pensionszusage nicht entnommen werden.

Fundstellen

BFH, Beschluss vom 10.07.2019, XI R 47/17, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 23.07.2019, XI R 48/17, siehe Deloitte Tax-News

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.02.2017, 1 K 141/15

FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.02.2017, 1 K 68/14

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 10.11.1998, I R 49/97, BStBl. II 2005, S. 261

BMF, Schreiben vom 28.08.2001, BStBl. I 2001, S. 594

BMF, Schreiben vom 06.04.2005, BStBl. I 2005, S. 619

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