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15.06.2012
Unternehmensteuer

Hessisches FG: Anschaffungskosten bei tauschähnlichem Vorgang

Die Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen in das betriebliche Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft ist ein tauschähnlicher Vorgang, wenn dem Einbringenden als Gegenleistung Gesellschaftsrechte gewährt werden, die dem Wert des Wirtschaftsgutes entsprechen. Die Personengesellschaft hat das erworbene Wirtschaftsgut in Höhe des entrichteten Entgelts als Anschaffungskosten zu aktivieren und mit den entsprechenden Bewertungsgrundsätzen fortzuführen. Eine notarielle Vertragsänderung des Einbringungswertes im Folgejahr ist steuerlich unbeachtlich und bewirkt keine Änderung der Anschaffungskosten.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Die alleinige Kommanditistin und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH brachte im Juli 2006 ein zu ihrem Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück im Wege eines tauschähnlichen Vorgangs in das Gesamthandsvermögen der Klägerin ein. Im Gegenzug erhielt die Kommanditistin Gesellschaftsrechte in Höhe des gemeinen Wertes (Verkehrswertes) des bebauten Grundstückes. Der Verkehrswert des eingebrachten Grundstückes war zuvor durch ein Gutachten, welches Bestandteil des Einbringungsvertrags wurde, festgestellt worden. Dementsprechend wurde das Festkapital der Klägerin erhöht und der Kommanditistin zugerechnet. Neun Monate später, im April 2007, veräußerte die Klägerin das Grundstück zu einem deutlich höheren Wert. Im Juni 2007 wurde der Einbringungsvertrag notariell geändert, indem der Einbringungswert in Höhe des erzielten Kaufpreises angesetzt wurde. Das Finanzamt erkannte die von der Klägerin geltend gemachte nachträgliche Erhöhung des Einbringungswertes und die damit erhöhte Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibungen nicht an.

Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg. Das Finanzamt hat die Anschaffungskosten und damit auch die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen des Gebäudes in zutreffender Höhe festgestellt. Die Revision wurde zugelassen.

Die Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen eines Gesellschafters in das betriebliche Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft stellt einen tauschähnlichen Vorgang dar, wenn dem Einbringenden als Gegenleistung für das eingebrachte Einzelwirtschaftsgut Gesellschaftsrechte gewährt werden, die dem Wert des Einzelwirtschaftsgutes entsprechen. Aus ertragsteuerlicher Sicht handelt es sich damit sowohl nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch der Auffassung der Finanzverwaltung auf der Seite des einbringenden Gesellschafters um eine Veräußerung und auf der Seite der übernehmenden Gesellschaft um ein Anschaffungsgeschäft (BFH-Urteile vom 19.10.1998, 24.01.2008 und 17.07.2008). Die Personengesellschaft hat das vom Gesellschafter erworbene Wirtschaftsgut in Höhe des entrichteten Entgelts bis zur Grenze seiner Marktüblichkeit als Anschaffungskosten zu aktivieren. Die Anschaffungskosten bilden zugleich die Bemessungsgrundlage für die nach dem Erwerb anzusetzende Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 EStG. Die Vertragsparteien waren sich im Zeitpunkt der Einbringung einig, dass das Grundstück zu dem Wert gemäß Gutachten auf die Klägerin übergehen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass der Wert des eingebrachten Grundstückes über seiner Marktüblichkeit liegt, sind nicht ersichtlich. Auch liegt nach Ansicht des Senats im Streitfall keine Unterbewertung des Grundstückes vor.

Die rückwirkende notarielle Vertragsänderung des Einbringungswertes im Folgejahr führt nicht zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten. Der Steueranspruch aus dem Veräußerungsgeschäft ist unabänderlich zum 31.12.2006 entstanden (§ 38 AO iVm § 36 Abs.1 EStG); die rückwirkende Vertragsänderung ist steuerlich unbeachtlich. Eine nachträgliche Bewertung des Gebäudes nach dem Grundsatz der Wertaufhellung ist ebenfalls nicht zulässig. Denn dieser Grundsatz erlaubt es lediglich, die bis zur Bilanzerstellung nachträglich bekannt werdenden Erkenntnisse über die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorliegenden Umstände bei der Erstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen. Daran fehlt es hier, da die Anschaffungskosten für das Grundstück mit den gewährten Gesellschaftsrechten bindend vereinbart worden waren und keiner aufhellenden Betrachtung mehr zugänglich sind. Im Übrigen sagen Preisverhandlungen ab dem Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres nicht zwingend etwas über den allein maßgeblichen Verkehrswert zum Einbringungsstichtag aus. Damit scheidet auch eine Bilanzberichtigung unabhängig von den zeitlichen Gegebenheiten aus. Denn die Klägerin darf ihre Bilanz nur ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung des Einkommensteuergesetzes nicht entspricht. Daran mangelt es, weil das Gebäude zwingend mit seinen Anschaffungskosten zu aktivieren war.

Auch der Einwand der Klägerin, das Finanzamt besteuere systemwidrig einen im Privatvermögen steuerfrei gebildeten Vermögenszuwachs, greift nicht durch. Selbst wenn der Verkehrswert des Grundstückes bei Einbringung höher gewesen sein sollte als der vereinbarte „Kaufpreis“, beruht diese rechtliche Beurteilung auf der von den Beteiligten gewählten Gestaltung des Einbringungsvorgangs als Veräußerungsgeschäft. Während bei einer (gewinnneutralen) Einlage der im Privatvermögen gebildete Vermögenszuwachs steuerfrei bleibt (BFH-Beschluss vom 04.12.2006), sind die steuerlichen Folgen bei einem Veräußerungsgeschäft abweichend zu beurteilen. Hier müssen sich die Beteiligten an der von Ihnen gewählten rechtlichen Gestaltung festhalten lassen.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 EStG, § 7 Abs. 4 EStG, Streitjahr 2006

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 12.12.2011, 8 K 574/08, BFH-anhängig: IV R 7/12

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.10.1998, VIII R 69/95, BStBl II 2000, S. 230
BFH, Urteil vom 24.01.2008, IV R 37/06, BStBl II 2011, S. 617
BFH, Urteil vom 17.07.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, S. 464
BFH, Beschluss vom 04.12.2006, GrS 1/05, BStBl II 2007, S. 508, 515

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