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01.02.2013
Unternehmensteuer

Hessisches FG: Finanzielle Eingliederung beim unterjährigen Erwerb von Anteilen an einer Vorratsgesellschaft

Die für die ertragsteuerliche Organschaft erforderliche ununterbrochene finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ist bei Vorratsgesellschaften nicht gegeben, wenn die Anteile unterjährig im Laufe des Wirtschaftsjahres erworben werden. Die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung, wonach der Erwerb von Anteilen an einer Vorratsgesellschaft einer wirtschaftlichen Neugründung gleichzusetzen ist, sind nicht auf das Steuerrecht übertragbar.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine sog. Vorratsgesellschaft. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin entsprach dem Kalenderjahr. Die Gesellschaftsanteile an der Klägerin wurden im Streitjahr 1999 unterjährig an die A-GmbH veräußert, die mit der Klägerin eine ertragsteuerliche Organschaft begründen wollte. Streitig ist, ob die für eine Organschaft erforderliche ununterbrochene finanzielle Eingliederung der Vorratsgesellschaft in die A-GmbH bereits im Jahr des Anteilserwerbs gegeben war.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht die steuerliche Anerkennung der Organschaft im Streitjahr abgelehnt, da die erforderliche ununterbrochene finanzielle Eingliederung der Vorratsgesellschaft nicht gegeben war.

Voraussetzung für die ertragsteuerliche Organschaft ist u.a., dass der Organträger an der Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solche Maße beteiligt war, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organschaft zustand (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG; sog. finanzielle Eingliederung). § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG knüpft an den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an. Die Eingliederung der Organgesellschaft muss bereits zu Beginn ihres Wirtschaftsjahres bestehen und darf frühestens mit dem Ende ihres Wirtschaftsjahres enden. Im Streitfall fehlt es demnach an der ununterbrochenen Eingliederung der Klärgerin in die A-GmbH, da der Anteilserwerb unterjährig erfolgte und das Wirtschaftsjahr der Klägerin dem Kalenderjahr entsprach.

Nichts anderes ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des BGH zum Erwerb von Anteilen an einer sog. Vorratsgesellschaft. Der BGH hat seine Rechtsprechung, wonach der Erwerb der Anteile an einer Vorratsgesellschaft einer Neugründung gleichzusetzen ist, ausdrücklich damit begründet, dass „die mit der wirtschaftlichen Neugründung verbundenen Probleme eines wirksamen Gläubigerschutzes sowohl im Anschluss an eine Vorratsgründung als auch im Zusammenhang mit der "Wiederbelebung" eines leeren Mantels durch Ausstattung mit einem (neuen) Unternehmen bestehen (BGH, Beschluss vom 07.07.2003). Allein aus Gründen des Gläubigerschutzes wurden daher die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden handelsrechtlichen Gründungsvorschriften des GmbHG einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle analog auf den Erwerb von Anteilen an einer Vorratsgesellschaft angewendet (BGH, Beschluss vom 09.12.2002). Diese den wirksamen Gläubigerschutz gewährende zivilgerichtliche Rechtsentwicklung seitens des BGH berücksichtigt nicht die spezifisch steuerrechtliche Zielsetzung und kann daher ihre Anwendung auf steuerrechtliche Vorschriften grundsätzlich nicht rechtfertigen.

Da es sich steuerrechtlich somit nicht um einen mit einer Neugründung vergleichbaren und damit wirtschaftlich identischen Lebenssachverhalt handelt, wird auch weder der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG noch der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin selbst durch Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs die steuerlichen Folgerungen, die das Finanzamt aus der nicht ununterbrochenen Beteiligung gezogen hat, hätte vermeiden können (R 53 Abs. 3 KStR 1995).

Der vorliegenden Beurteilung entspricht es, dass der BFH offensichtlich eine Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu Vorratsgesellschaften auf das Steuerrecht ablehnt (vgl. dazu BFH, Beschluss vom 12.10.2011). Er hatte deutlich gemacht, dass die zivilgerichtliche Rechtsprechung im Steuerrecht nicht uneingeschränkt übernommen werden könne, sondern Regelungswortlaut und steuerlicher Regelungszweck im konkreten Fall zu beachten seien (BFH, Urteil vom 22.02.2006).

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Betroffene Norm  
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG
Streitjahr 1999

Anmerkungen
Zu der hier vorliegenden Problematik hat der BFH auch in den Urteilen vom 12.10.2011 (I R 4/11, siehe Kurzdarstellung Deloitte Tax-News) und vom 26.10.2011 (I R 17/11, siehe Kurzdarstellung Deloitte Tax-News) Stellung genommen.

Fundstelle
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2012, 8 K 1694/09, rechtskräftig

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 12.10.2011, I B 82/10, BFH/NV 2011, S. 69, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.02.2006, I R 74/05, BFH/NV 2006, S. 1513
BGH, Beschluss vom 07.07.2003, II ZB4/02, BGHZ 155, S. 318
BGH, Beschluss vom 09.12.2002, II ZB 12/02, BGHZ 153, S. 158

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