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04.03.2011
Unternehmensteuer

Niedersächsisches FG: Beginn der Abfärbewirkung

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine vermögensverwaltend tätige Kommanditgesellschaft, die mit Vertrag vom 14.10.2005 eine 20 % Kommanditbeteiligung an der gewerblich tätigen KG (KG) erworben hat. Die KG hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr zum 30.06. Anderes Vermögen verwaltete die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2005 nicht. In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2005 gab die Klägerin ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Das Finanzamt folgte dieser Auffassung nicht und stellte ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Aufgrund der Beteiligung an der KG führe die Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in der Fassung des JStG 2007 zur Umqualifizierung aller Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb. Es sei dabei unbeachtlich, dass die KG ein abweichendes Wirtschaftsjahr habe und erstmals im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung für das Jahr 2006 gewerbliche Einkünfte zuzurechnen seien. Die Klägerin nehme bereits seit Abschluss des Kaufvertrages als Mitunternehmerin am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Die zulässige rückwirkende gesetzliche Neuregelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sei ohne Geringfügigkeitsgrenze anzuwenden.

Entscheidung

Die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alt. EStG ist im Streitfall auf die Klägerin anwendbar und führt zur Umqualifizierung sämtlicher ab dem 14.10.2005 erzielter Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb.

Für den Beginn der Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1, 1. Alt. EStG in Zusammenhang mit einer gewerblichen Betätigung kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob die gewerbliche Tätigkeit aufgenommen wird (BFH-Urteil vom 20.12.2000). In entsprechender Weise ist die (erstmalige) Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft zu beurteilen. Der Beginn der Abfärbewirkung tritt danach in dem Moment ein, in welchem die Obergesellschaft mitunternehmerisch an der Untergesellschaft beteiligt ist. Ab dem 14.10.2005 war die Klägerin als Mitunternehmerin der KG anzusehen.

Bezieht eine Kommanditgesellschaft Einkünfte aus einer gewerblichen Mitunternehmerschaft, gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit der Kommanditgesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alt. EStG). Bei Gewerbetreibenden mit abweichendem Wirtschaftsjahr gelten Einkünfte als in dem Kalenderjahr bezogen, in welchem das Wirtschaftsjahr endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Würde der Begriff des "Beziehens von Einkünften" aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in gleicher Weise wie in § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ausgelegt, käme die Abfärbung im Streitjahr noch nicht zur Anwendung. Eine solche Interpretation der Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist nach Ansicht des Senats allerdings nicht angezeigt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bereits das bloße Halten einer (mitunternehmerischen) Beteiligung für das "Beziehen" von Einkünften und damit den Eintritt der Abfärbewirkung ausreichend ist (vgl. BT-Drs. 16/2712, S. 44, BFH-Urteil vom 08.12.1994). § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG beinhaltet nur eine Fiktion ("gilt... als bezogen") zum Zwecke der zeitlichen Zuordnung von Einkünften und soll der Steuervereinfachung dienen. Aus Sicht des Senats kann sich daraus kein Einfluss auf die Einkunftsqualifikation ergeben. Der Gesetzgeber benutzt zwar einen Begriff, welcher im EStG neben § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG auch in § 11 Abs. 1 S. 1 EStG in Zusammenhang mit der zeitlichen Erfassung von Einkünften bzw. diesen vorgelagerten Einnahmen verwendet wird. Hieraus kann jedoch der Schluss gezogen werden, die Abfärbung solle dann eintreten, sobald der in Bezug genommene Tatbestand (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG) seinerseits erfüllt ist. Dies ist im Jahr 2005 der Fall. Für diese Auslegung spricht letztlich auch, dass ansonsten der Eintritt der Abfärbewirkung von Zufällen abhängig wäre. Denn hätte die Klägerin die Anteile an der KG sogleich im Jahr 2005 wieder veräußert, wäre nach der Rechtsprechung des BFH der Gewinnanteil noch im Jahr 2005 zuzurechnen gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2010). Der zeitliche Eintritt der Abfärbewirkung kann aber nicht davon abhängen, ob die Beteiligung sogleich wieder veräußert wird.

Ein Absehen von der Abfärbewirkung aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann nur in engsten einzugrenzenden Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein angemessenes Verhältnis zwischen Mittel und Zweck ist demnach nicht gewahrt, wenn eine Tätigkeit von ganz untergeordneter Bedeutung eine umqualifizierende Wirkung entfalten würde. In diesem Fall würde die "schädliche" Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslösen und damit eine Bedeutung erlangen, die ihr von ihrem Gewicht her nicht zukommt. Bei hohen Erträgen aus der Beteiligung oder einer hohen Beteiligungsquote liegt keine "ganz geringfügige Beteiligung" vor. Im Streitfall liegt nach Ansicht des Senats deshalb keine ganz geringfügige Beteiligung vor. Auch liegt kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor (§ 15 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alt i.V.m. § 52 Abs. 32a EStG). Die Revision wurde zugelassen.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG
Streitjahr 2005

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 08.12.2010, 2 K 295/08

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 20.12.2000, XI R 8/00, BStBl II 2002, S. 478
BFH, Urteil vom 08.12.1994, IV R 7/92, BStBl II 1995, S. 264
BFH, Urteil vom 18.08.2010, X R 8/07, BStBl II 2010, S.1043, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News 
BT-Drs. 16/2712, S. 44

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