Zurück zur Übersicht
22.11.2013
Unternehmensteuer

Niedersächsisches FG: Bestimmung der 10%-Grenze im Rahmen der Zinsschranke

Mit Urteil vom 11.11.2015 hat der BFH das Urteil des Niedersächsischen FG aufgehoben und entschieden, dass bei der Bestimmung der 10%-Grenze für eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Rahmen der Zinsschranke (§ 8a Abs. 3 S. 1 KStG) die Fremdkapitalvergütungen an die einzelnen wesentlich beteiligten Gesellschafter nicht zu addieren sind (entgegen BMF-Schreiben vom 04.07.2008).
BFH, Urteil vom 11.11.2015, I R 57/13, siehe Deloitte Tax-News
                                                                                                                                  

Niedersächsisches FG (Vorinstanz):
Bei der Bestimmung der 10%-Grenze für Vergütungen für Fremdkapital an wesentlich beteiligte Gesellschafter im Rahmen der Zinsschranke (§ 8a Abs. 3 S. 1 KStG), sind die Fremdkapitalvergütungen an sämtliche wesentlich beteiligte Gesellschafter zu addieren.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH und Organträgerin. Sie hatte im Streitjahr 2008 Zinsaufwendungen in Höhe von 3.745.795,00 Euro wovon Zinsen in Höhe von 398.008,47 Euro sowie 353.918,23 Euro an zwei jeweils zu über 25 % beteiligte Gesellschafter (wesentliche beteiligte Gesellschafter) entfielen. Unter Berücksichtigung von Zinsaufwendungen der Organgesellschaft in Höhe von 336.965,00 Euro und Zinserträgen der Organgesellschaft in Höhe von 38.900,00 Euro, ergab sich für die Organschaft (Betrieb im Sinne der Zinsschranke) ein Zinssaldo in Höhe von 4.043.860,00 Euro. Die Klägerin begehrte den vollen Zinsabzug, da sie die Voraussetzungen der Escape-Klausel (§ 8a Abs. 3 S. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 S. Buch. c EStG) wegen einer im Vergleich zum gesamten Konzern besseren EK-Quote (Eigenkapitalvergleich) erfülle.

Das Finanzamt folgte dem nicht, da es – nach Addition der Zinsauswendungen an beide wesentlich beteiligten Gesellschafter – dazu kam, dass die Rückausnahme gem. § 8a Abs. 3 S. 1 KStG einschlägig sei, da mehr als 10 % des Zinssaldos an wesentlich beteiligte Gesellschafter gezahlt worden seien (schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung). Demnach seien Zinsen in Höhe von 2.697.826,00 Euro nicht abziehbar. Den Zinsertrag der Organgesellschaft berücksichtigte das Finanzamt dabei nicht. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zwar zu Unrecht den Zinsertrag der Organgesellschaft nicht berücksichtigt. Allerdings habe es die Escape-Klausel zu Recht für nicht anwendbar gehalten.

Die Zinsschranke erlaubt den unbegrenzten Abzug von Zinsaufwendungen in Höhe des Zinsertrages (§ 8a Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 S. 1 HS. 1 EStG), darüber hinaus grundsätzlich nur in Höhe von 30 % des verrechenbaren EBITDA (§ 8a Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 S. 1 HS. 2 EStG). Diese Zinsschrankenregelung ist nicht anzuwenden, wenn der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG, Eigenkapitalvergleich, Escape-Klausel). Nach § 8a Abs. 3 S. 1 KStG ist § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG nur anzuwenden, "wenn die Vergütungen für Fremdkapital der Körperschaft ... an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Kapital beteiligten Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft, eine diesem nahe stehende Person ... oder einen Zinsaufwendungen ... betragen" (Rückausnahme).

Vorliegend erfülle die Klägerin zwar – unbestritten – den Eigenkapitalvergleich. Allerdings greife die Rückausnahme der Escape-Klausel, da die Klägerin mehr als 10 % des Zinssaldos an wesentlich beteiligte Gesellschafter bezahle. Zwar sei umstritten, ob der Wortlaut – Zahlung an „einen“ wesentlich beteiligten Gesellschafter – die Einzelbetrachtung hinsichtlich jedes wesentlich beteiligten Gesellschafters erfordere, wie die Klägerin meint. Das FG hingegen plädiert – ebenso wie die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 04.07.2008) – für eine Addition der an den schädlichen Personenkreis geleisteten Zinsen nach Art einer Gesamtbetrachtung.

Diese Auslegung lasse sich mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren, da von „Vergütungen“ (Plural) für Fremdkapital die Rede sei, was auf eine vom Gesetzgeber gewollte Zusammenrechnung verschiedener Vergütungen hindeute. Zudem spreche die Systematik der Zinsschranke für eine Betriebsbezogenheit sämtlicher Voraussetzungen und somit für die Zusammenrechnung, da die Zinsschranke den Abzug von Zinsaufwand auf Ebene der Einkünfteermittlung des Betriebes regele.

Ferner handele es sich bei der unschädlichen Grenze der Gesellschafter-Fremdfinanzierung in Höhe von 10 % um eine Härtefallregelung, die nicht zu weit verstanden werden dürfe. Schließlich spreche auch der Gesetzeszweck – Erschwerung der Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland und Verhinderung von Finanzierungsgestaltungen zwischen einer Körperschaft und ihrem Anteilseigner – für eine Gesamtbetrachtung der Zinsen an wesentlich beteiligte Gesellschafter.

Anmerkungen
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke werden sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung erhebliche Zweifel geäußert (vgl. BFH, Beschluss vom 13.03.2012). Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus (anhängiges Revisionsverfahren: I R 2/13). Allerdings kam der BFH in seinem (AdV-)Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13 (siehe Deloitte Tax-News) zu dem Ergebnis, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob die Regelungen der Zinsschranke verfassungsrechtlichen Vorgaben standhielten. Hinsichtlich der Frage, ob im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken AdV gewährt werden kann, befand der BFH in dem Beschluss vom 18.12.2013, dass eine AdV nicht deswegen zu versagen sei, weil zu erwarten sei, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben werde.

Dagegen vertritt das BMF in einem Nichtanwendungserlass vom 13.11.2014 (siehe Deloitte Tax-News) zu dem BFH-Beschluss vom 18.12.2013 die Auffassung, dass die Regelung der Zinsschranke – entgegen der Ansicht des BFH – mit der Verfassung in Einklang stehe und AdV selbst bei Anhängigkeit eines Normenkontrollverfahrens beim BVerfG grundsätzlich nicht zu gewähren sei.

Betroffene Norm
§ 8a Abs. 3 S. 1 KStG, § 4h EStG
Streitjahr 2008

Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.11.2015, I R 57/13, siehe Deloitte Tax-News
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11.07.2013, 6 K 226/11

Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 13.11.2014, IV C 2 - S 2742-a/07/10001 :009, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 13.03.2012, I B 111/11, siehe Deloitte Tax-News 
BMF, Schreiben vom 04.07.2008, BStBl I 2008, S. 718 sowie OFD Koblenz, Verfügung vom 27.04.2009 – S 2742a A – St 33 1

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.