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06.07.2012
Unternehmensteuer

Niedersächsisches FG: Vorzeitige Beendigung einer Organschaft

Mit Urteil vom 13.11.2013 hat der BFH die Auffassung des FG bestätigt, wonach eine konzerninterne Umstrukturierung steuerlich kein wichtiger Grund für die Kündigung eines Gewinnabführungsvertrages sei. Allein die Kündbarkeit aus wichtigem Grund beeinträchtige die Wirksamkeit eines auf 5 Jahre abgeschlossenen GAV jedoch nicht. Ein auf 5 Jahre abgeschlossener GAV sei überdies auch dann anzuerkennen, wenn die Organgesellschaft ihr Wirtschaftsjahr verkürzt, vorausgesetzt, dass der GAV auch für das (gesamte) Wirtschaftsjahr, in dem er (unterjährig) endet, durchgeführt wird.
BFH, Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12 (siehe Deloitte Tax-News)
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Niedersächsisches FG:
Bei vorzeitiger Kündigung des Gewinnabführungsvertrags kann eine Zurechnung an den Organträger nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann die Veräußerung der Organgesellschaft ein wichtiger Grund sein. Die Veräußerung an eine zu 100 % dem gleichen Konzern angehörende Gesellschaft stellt keinen wichtigen Grund für eine vorzeitige Beendigung der Organschaft dar.

Sachverhalt

X ist alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Mit Wirkung ab dem 01.07.2005 schlossen die Klägerin und X einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) über die Laufzeit von fünf Jahren ab. Nach einer Laufzeit von einem Jahr und neun Monaten hoben die Klägerin und X in 2007 den bestehenden GAV einvernehmlich auf. . Anschließend veräußerte X ihre Geschäftsanteile an der Klägerin innerhalb des Konzerns. Nach Angaben der Klägerin erfolgte die Umstrukturierung, um nach Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen in den Niederlanden die Anwendung der englischen Regeln zu den „controlled foreign companies“ vermeiden zu können.
Das Finanzamt hat die von der Klägerin für das Jahr 2006 erklärte Organschaft nicht anerkannt. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, da eine Veräußerung einen wichtigen Grund darstellt, der die Auflösung des Gewinnabführungsvertrags rechtfertigt.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht die Organschaft nicht anerkannt und das Einkommen der Klägerin zugerechnet. Die Revision wurde zugelassen, da die Frage, ob und ggf. wann eine Veräußerung einer Organgesellschaft innerhalb eines Konzerns einen wichtigen Grund für eine Beendigung der Organschaft bildet, grundsätzliche Bedeutung hat.

Eine Einkommenszurechnung an den Organträger hat nicht zu erfolgen, wenn der Gewinnabführungsvertrag nicht mindestens fünf Jahre lang durchgeführt wurde (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG). Eine vorzeitige Beendigung des GAV durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Das Gesetz verwendet dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne näher zu erläutern, in welchen Fällen eine vorzeitige Beendigung des GAV steuerlich unschädlich sein soll.

Zivilrechtlich liegt eine Kündigung aus wichtigem Grund vor, wenn der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine aufgrund des Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen, die Fortsetzung des Vertrags einer oder beiden Parteien nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann oder wenn die wirtschaftliche Existenz eines Vertragspartners wegen unvorhersehbarer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Fortsetzung des Vertrags gefährdet wäre. Eine Veräußerung der Organgesellschaft wird nach der zivilrechtlich überwiegenden Ansicht nicht als wichtiger Grund angesehen.

Die Finanzverwaltung sieht in R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR dagegen eine Vielzahl von Gründen als wichtigen Grund für eine Beendigung eines Gewinnausschüttungsvertrags an, darunter auch die Veräußerung der Organbeteiligung. Die Rechtsprechung hat bisher noch nicht zu der Frage Stellung genommen, ob der Begriff der „Kündigung“ aus „wichtigem Grund“ im Sinne dieser zivilrechtlichen Bestimmungen auszulegen ist.

Auch der BFH sieht den Zweck der Mindestdauer des GAV in der Verhinderung, dass eine Organschaft zum Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet wird (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2011). Nach dieser Auffassung soll eine vorzeitige Beendigung des Vertrags immer dann unschädlich sein, wenn sie bei vernünftiger kaufmännischer Überlegung als sachgerecht erscheine. Eine Veräußerung soll dabei nur dann als wichtiger Grund anzusehen sein, wenn die Beteiligung an einen Dritten veräußert wird, nicht jedoch eine Veräußerung an eine zu 100 % dem gleichen Konzern angehörende Gesellschaft.
Das Finanzgericht ist ebenfalls der Auffassung, dass § 14 Abs. 1 KStG nicht im zivilrechtlichen, sondern in einem steuerrechtlichen Sinn zu verstehen ist. Ein „wichtiger Grund“ kommt insbesondere dann in Betracht, wenn gewichtige außersteuerliche Gründe den Anlass für die Beendigung des GAV bilden.

Im Streitfall lag kein wichtiger Grund vor, der eine Beendigung des GAV rechtfertigte. Allein die Tatsache des Verkaufs der Organgesellschaft innerhalb des Konzerns der Klägerin ist kein wichtiger Grund für die Beendigung der Organschaft. Wäre jeder Verkauf einer Beteiligung innerhalb eines Konzerns per se als wichtiger Grund anzuerkennen, so wäre die Mindestdauer des GAV innerhalb eines Konzerns dem Belieben der beteiligten Gesellschaften überlassen.
Auch die Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen in den Niederlanden ist kein wichtiger Grund. Die Niederlande haben im Jahr 2007 eine Senkung ihrer Steuersätze vorgenommen. Die Gesetzesänderung bewirkte, dass die effektive Steuerbelastung der niederländischen Holding sank. Dies wiederum hatte zur Folge, dass bei der englischen Muttergesellschaft eine Hinzurechnung nach Maßgabe der Regeln über „controlled foreign companies“ vorzunehmen gewesen wäre, wenn die Klägerin die Beteiligung in Deutschland nicht umstrukturiert hätte.
Die insoweit maßgeblichen steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und in Großbritannien sind dagegen unverändert geblieben. Die Klägerin wusste bereits bei Abschluss des GAV, dass ihre Beteiligungsstruktur in Deutschland bei einem vierstufigen Konzernaufbau nicht den Anforderungen an eine „local holding“ im Sinne der britischen Vorschriften zu „controlled foreign companies“ entsprach. Gleichwohl wählte sie diese Konzernstruktur, die außerdem der ansonsten im Konzern üblichen Zuordnung von Gesellschaften nach Betätigungsfeldern widersprach, um gewerbesteuerliche Verlustvorträge der X zu verbrauchen.

Betroffene Norm
§ 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG, Streitjahr 2006

Fundstelle
BFH, Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12, siehe Deloitte Tax-News
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom10.05.2012, 6 K 140/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.01.2011, I R 3/10, BStBl II 2011, S. 727, siehe Deloitte Tax-News

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