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28.07.2015
Verfahrensrecht

Abgrenzung der Berichtigung nach § 153 AO zur Selbstanzeige: Diskussionsentwurf für ein BMF-Schreiben

Nachdem bereits vor einiger Zeit angekündigt worden war, dass ein BMF-Schreiben zur Abgrenzung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO zur Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung nach § 371 AO veröffentlicht werden sollte, liegt ein vorläufiger Diskussionsentwurf zur Änderung des AEAO vom 16.06.2015 vor. Der Entwurf beinhaltet an einigen Stellen Unklarheiten und zweifelhafte Ausführungen, ist jedoch insgesamt positiv zu bewerten.

Hintergrund

Mit dem Ende 2014 verkündeten Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO (siehe Deloitte Tax-News) wurden die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige verschärft. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als auch danach wurde intensiv die Frage der Abgrenzung des Bereiches der Berichtigung nach § 153 AO zur Selbstanzeige nach § 371 AO diskutiert.

Diskussionsentwurf

Der vorläufige Diskussionsentwurf erläutert grundsätzliche Themen des § 153 AO. Hierzu zählen insbesondere folgende Aspekte:

  • Beschreibung des grundsätzlichen Anwendungsbereiches von § 153 AO, nämlich der Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige und der nachfolgenden Berichtigung, wenn der Steuerpflichtige einen zuvor begangenen Fehler positiv erkennt.
  • Grundsätzliche Abgrenzung zur Selbstanzeige nach § 371 AO (Steuerhinterziehung) und § 378 Abs. 3 AO (leichtfertige Steuerverkürzung)
  • Abgrenzung des (bedingten) Vorsatzes zur Leichtfertigkeit und einfach fahrlässigen Handelns anhand von Beispielfällen.
  • Erläuterung des zur Anzeige nach § 153 AO verpflichteten Personenkreises.

Im Einzelnen sind folgende Themen besonders hervorzuheben:

1. Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht von einer Selbstanzeige

Der Entwurf beschreibt die Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht von Selbstanzeigen und geht auf wichtige praktische Aspekte der Abgrenzung von bloßer Fahrlässigkeit zu Leichtfertigkeit oder Vorsatz ein.

► Zum Punkt 2.1 wird ausgeführt, dass eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO keine straf- oder bußgeldbefreiende Selbstanzeige darstelle. Diese Ausführungen sind insofern leider unklar und bedürften weiterer Konkretisierung.

Es ist ohne weitere Erklärung nicht nachvollziehbar, warum eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO nicht auch eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach leichtfertiger Steuerverkürzung gemäß § 378 Abs. 3 AO darstellen kann. Denn eine leichtfertige Steuerverkürzung kann schon dann vorliegen, wenn noch keine Kenntnis von unrichtigen steuerlichen Erklärungen im Sinne des § 153 AO gegeben ist. Nach Kenntniserlangen kann die Berichtigung nach § 153 AO dementsprechend dann auch gleichzeitig eine Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO sein. Sollte von der Finanzverwaltung tatsächlich eine andere rechtliche Auffassung vertreten werden, wäre eine nähere Begründung oder eine anderslautende Klarstellung im AEAO wünschenswert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass zu Punkt 2.7 des Entwurfs davon die Rede ist, dass ein nachträgliches Erkennen bei leichtfertigem Handeln möglich ist.

► Weiterhin wird im Diskussionsentwurf zu dem Punkt 2.4 ausgeführt, dass ein Fall des § 153 AO nicht vorliege, wenn zuvor eine vollendete vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen wurde. Diese Position stimmt so nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen zur Berichtigungspflicht nach § 153 AO nach bedingt vorsätzlicher Steuerhinterziehung überein. Nach dem Bundesgerichtshof ist auch der Täter einer bedingt vorsätzlichen Steuerhinterziehung zur Berichtigung nach § 153 AO verpflichtet, wenn er seinen Fehler positiv erkennt. Insofern wäre es wünschenswert, dass im AEAO mit einer weiteren Klarstellung ausgeführt wird, dass der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen durch die Finanzverwaltung nicht gefolgt werden soll und dass eine Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO dann ausgeschlossen ist, wenn der zuvor bedingt vorsätzlich handelnde Täter sein Unrecht vollständig erkennt.

► Im Rahmen der Ziffer 2.5 wird erfreulicherweise festgestellt, dass nicht jede objektive Unrichtigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegt. Vielmehr bedürfe es einer sorgfältigen Prüfung durch die zuständige Finanzbehörde, ob der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung gegeben sei. Insbesondere könne nach dem Diskussionsentwurf nicht automatisch vom Vorliegen eines Anfangsverdachts allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung, der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung oder aufgrund der Anzahl der abgegebenen Berichtigungen ausgegangen werden.

Diese Ausführungen sind zu begrüßen und können in der Praxis wertvolle Argumentationshilfen bei der Diskussion mit Bußgeld- und Strafsachenstellen darstellen.

► Die Ziffer 2.6 berücksichtigt am Ende die Einführung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems und wertet dies als mögliches Indiz dafür, dass weder vorsätzliches noch leichtfertiges Handeln vorlag. Dies stellt einen wichtigen klarstellenden Hinweis dar.

2. Zur Anzeige und Berichtigung verpflichtete Personen

Neben weiteren beispielhaft genannten Fallkonstellationen wird sodann in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausgeführt, dass Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer hinsichtlich der Angelegenheiten ihrer Mandanten nicht zur Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO verpflichtet sind, selbst wenn sie Steuererklärungen vorbereitet, unterschrieben oder elektronisch übermittelt haben. Wünschenswert wäre an dieser Stelle jedoch der Hinweis, ob aus den vorgenannten Handlungen eine strafrechtlich relevante Garantenpflicht zur Korrektur der Erklärungen erwächst, die zu einer Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen führen könnte. Insoweit sind die Ausführungen in dem Diskussionsentwurf unvollständig.

3. Zeitpunkt der Anzeige und Berichtigung

Hinsichtlich des Zeitpunktes der Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO stellt der Entwurf klar, dass die Anzeige unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen muss. Sofern die nachfolgende konkrete Berichtigung längere Zeit in Anspruch nimmt, kann diese eine angemessene Zeit später erfolgen.

► Die weiteren Ausführungen werfen allerdings Fragen auf. In dem zu Ziffer 5.1 aufgeführten Beispielfall sind alternativ zwei Vorschläge für die Lösung des Falles gegeben. Soweit in dem Fall (Lösungsalternative 2) und in dem einleitenden Absatz zu dem Fall davon die Rede ist, dass ein Verantwortlicher eines Unternehmens eine Berichtigungsanzeige nach § 153 AO vornimmt hinsichtlich von Sachverhalten, die er zwar vermutet, aber nicht positiv festgestellt hat, sollte noch einmal klargestellt werden, dass eine Anzeige nach § 153 AO erst dann erforderlich wird, wenn der Steuerpflichtige Unrichtigkeiten nicht nur vermutet, sondern diese tatsächlich erkennt. Dass in dem Beispielfall bei einer Konzerntochter unrichtige Angaben festgestellt wurden, führt also nur für diesen Sachverhalt zu einer Anzeigepflicht nach § 153 AO; es besteht aber keine Anzeigepflicht zur Berichtigung von noch nicht erkannten, sondern nur für möglich gehaltenen, Sachverhalten bei anderen Konzerntöchtern.

► Der Beispielfall zu Ziffer 5.1 sowie die beiden alternativ aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten bedürfen darüber hinaus noch weiterer Klarstellungen. Soweit die erste aufgezeigte alternative Lösungsmöglichkeit davon sprechen sollte, dass ohne vorherige Anzeige unter Umständen erst nach Monaten („a)“) eine Berichtigung erfolgt und die Anforderungen des § 153 AO trotzdem erfüllt sein sollen, wäre eine ausdrückliche dahingehende Sachverhaltsschilderung und -lösung für die praktische steuerliche Beratung wünschenswert. Es könnte aber zweifelhaft sein, ob der Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige nach § 153 AO damit eingehalten werden könnte.

Anmerkung

Es ist begrüßenswert, dass durch die Finanzverwaltung im Rahmen der Änderung des AEAO eine klarere Abgrenzung des Bereiches der Berichtigung nach § 153 AO zur Selbstanzeige nach § 371 AO erfolgen soll. In einigen Teilbereichen des Entwurfs werden erfreulicherweise klarstellend Rechtspositionen vertreten, die für den Steuerpflichtigen durchaus als günstig bewertet werden können. Wünschenswert sind aber noch weitere konkretisierende Ausführungen zu Sachverhaltskonstellationen, die für die Praxis von Bedeutung sind.

Ihre Ansprechpartner

Heiko Ramcke
Partner

hramcke@deloitte.de
Tel.: 0511 3075-5953

Dr. Dennis Haase
Senior Manager

dhaase@deloitte.de
Tel.: 0511 3075-5948

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