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12.03.2010
Verfahrensrecht

BFH: Irrige Annahme einer einheitlichen Zuwendung bei tatsächlich mehreren Erwerben– Zeitpunkt der Schenkung eines erst entstehenden GmbH-Anteils

Sachverhalt

Der Kläger, sein Bruder (B) und deren Vater (V) beschlossen am 10.11.1993, das Stammkapital einer GmbH, an der sie zu je einem Drittel beteiligt waren, zu erhöhen. Die neuen Stammeinlagen sollten in bar sowie durch Einbringung von Aktien geleistet werden. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 11.11.1993 trat V an den Kläger und B jeweils die Hälfte seines bestehenden Geschäftsanteils und seines aufgrund der Kapitalerhöhung neu entstehenden Geschäftsanteils „mit sofortiger Wirkung" schenkweise ab. Die Kapitalerhöhung wurde in 1995 in das Handelsregister eingetragen. In der in 1996 eingereichten Schenkungsteuererklärung gab der Kläger eine ausgeführte Zuwendung eines Geschäftsanteils mit einem Wert von 131 % des Nominalwerts an. Diese Bewertung stützte sich auf § 12 Abs. 1a S.1 ErbStG. Nach dieser Vorschrift war das Vermögen bei Schätzung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit dem Einheitswert des Gewerbebetriebs anzusetzen, der für den Feststellungszeitpunkt maßgebend war, der der Entstehung der Steuer voranging oder mit ihm zusammenfiel. § 12 Abs. 1a ErbStG wurde durch das Missbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 für Erwerbe nach dem 11.11.1993 geändert. Nunmehr war das Vermögen mit dem Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer anzusetzen. 

Das Finanzamt behandelte die Zuwendungen – entsprechend der Erklärung des Klägers – zunächst als einheitlichen Erwerbsvorgang. Nach einer Außenprüfung wurde jedoch festgesetzt, dass nur die Zuwendung des bestehenden Geschäftsanteils bereits am 11.11.1993 ausgeführt worden und daher mit 131 % seines Nominalwerts anzusetzen sei. Die Zuwendung des aufgrund der Kapitalerhöhung entstehenden Geschäftsanteils sei hingegen erst nach dem 11.11.1993 ausgeführt worden. Denn für die Übertragung der im Rahmen der Kapitalerhöhung in die GmbH einzubringenden Aktien sei die Eintragung in das Handelsregister erforderlich gewesen. Da diese erst in 1995 erfolgt sei, sei die Schenkung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeführt gewesen. Dementsprechend sei der Besteuerung der gemeine Wert zum Besteuerungszeitpunkt zu Grunde zu legen (hier: 1.069% des Nominalwerts) und die Steuer für diesen Erwerb gesondert festzusetzen. Nach Ansicht des Klägers ist die Zuwendung der beiden Geschäftsanteile hingegen aufgrund des einheitlichen Schenkungsversprechens am 11.11.1993 ausgeführt worden. Die Anteile seien demgemäß insgesamt nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 12 Abs. 1a S. 1 ErbStG mit 131 % ihres Nominalwerts anzusetzen. Sollten dennoch zwei Erwerbe anzunehmen sein, seien die Steuerbescheide wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig.

Entscheidung

Die ursprüngliche Annahme des Finanzamts, es liege nur ein einheitlicher Erwerbsvorgang vor, war fehlerhaft. Trotz der Zusammenfassung des Schenkungsversprechens in einer notariellen Urkunde liegen zwei getrennt zu besteuernde Erwerbsvorgänge vor. 

Die Schenkungsteuer für die Übertragung der bestehenden Geschäftsanteile und der aufgrund der Kapitalerhöhung entstehenden Geschäftsanteile ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden, da die Zuwendungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeführt wurden. Die Schenkungsteuer entsteht bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Hierbei kommt es grundsätzlich auf den Eintritt des Leistungserfolgs an. Vor Entstehung des zugewendeten Gegenstands kann die Zuwendung nicht ausgeführt sein. Bei der Schenkung eines Geschäftsanteils, der im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH neu entsteht, ist die Zuwendung danach nicht vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ausgeführt. Denn eine derartige Abänderung des Gesellschaftsvertrages erzeugt bei einer GmbH keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister eingetragen ist. Diese Beurteilung wird im vorliegenden Fall auch nicht dadurch geändert, dass die Abtretung der Geschäftsanteile im Vertrag vom 11.11.1993 „mit sofortiger Wirkung" vereinbart wurde und die Schenkung der beiden Geschäftsanteile schuldrechtlich in einer notariellen Urkunde vereinbart worden ist. Somit gilt: Die Übertragung des bestehenden Geschäftsanteils erfolgte mit deren notarieller Beurkundung am 11.11.1993. Die Übertragung des durch die Kapitalerhöhung entstehenden Geschäftsanteils hingegen erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister in 1995. 

Die fehlerhafte Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Finanzamt im ursprünglichen Bescheid führte indes nur zu dessen Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein solcher Fehler liegt nicht vor, bei der irrigen Annahme des Finanzamts, es sei nur ein einziger der Besteuerung unterliegender Erwerbsvorgang gegeben. Denn ein Verwaltungsakt ist nicht allein deswegen nichtig, weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind. Auch die Rechtsprechung zur Unbestimmtheit eines Steuerbescheids bei unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid ist nicht anwendbar. Im vorliegenden Sachverhalt ist der Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt, da das Finanzamt – wenn auch rechtsirrtümlich – bei der Steuerfestsetzung vom Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsvorgangs ausgegangen ist. Der durch die Kapitalerhöhung entstehende Geschäftsanteil ist somit nach der in 1995 geltenden Fassung des § 12 Abs. 1a ErbStG mit 1.069 % des Nominalwerts zu bewerten.

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg vom 20.09.2007, Az. IV 277/2004, EFG 2008, S. 395.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 20.01.2010, Az. II R 54/07, BStBl II 2010, S. 463.

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