BFH: Keine Befangenheit eines Richters wegen wissenschaftlicher Äußerung einer Rechtsansicht außerhalb eines anhängigen Verfahrens
Sachverhalt
Beim V. Senat des BFH ist die Revision gegen ein FG-Urteil anhängig. Im November 2009 äußerte sich ein Richter aus diesem Senat im Rahmen eines Vortrags kritisch zu der Entscheidung des FG.
Die Klägerin beantragt den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Entscheidung
Die wissenschaftliche Äußerung einer Rechtsansicht rechtfertigt die Ablehnung eines Richters im Allgemeinen nicht. Nimmt ein Richter zu einer für einen Rechtsstreit bedeutsamen Frage (z.B. in einem Kommentar, Aufsatz oder Vortrag) Stellung, ist das allein kein Grund, seiner Unparteilichkeit zu misstrauen. Ausnahmsweise kann die Äußerung einer Rechtsauffassung außerhalb des Verfahrens aber ein Ablehnungsgrund sein, wenn ihre Diktion oder das Umfeld, in dem sie gemacht wurde, bei objektiver Betrachtungsweise Zweifel an der Offenheit des Richters für Gegenargumente entstehen lässt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Rechtsauffassung als vernünftigerweise einzig vertretbare bezeichnet wird, obwohl gewichtige Gegenargumente bekannt sind. Auch wenn Gegenargumente lächerlich gemacht oder Vertreter der Gegenansicht abwertend beurteilt werden können Zweifel entstehen. Das kann auch der Fall sein, wenn Inhalt und Zeitpunkt oder Ort der Meinungsäußerung den Verdacht entstehen lassen, mit der Meinungsäußerung solle das Ergebnis eines bestimmten bereits anhängigen oder erwarteten Verfahrens beeinflusst werden.
Betroffene Norm
§ 51 Abs. 1 FGO, § 42 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 21.12.2009, V R 10/09