Zurück zur Übersicht
10.01.2012
Verfahrensrecht

BFH: Zurechnung von Gewinnanteilen bei Auszahlungsverweigerung

Dem aus einer Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter ist der gemeinschaftlich erzielte laufende Gewinn auch dann anteilig steuerlich zuzurechnen, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Auszahlung verweigern, weil der ausgeschiedene Gesellschafter ihnen Schadenersatz in übersteigender Höhe schulde.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis 1999 mit den Beigeladenen an einer GbR beteiligt. Am 19.10.1999 schied der Kläger aus der GbR im Streit aus. Die Beigeladenen verweigern seitdem die Auszahlung des dem Kläger zustehenden laufenden Gewinns der Veranlagungszeiträume 1998 und 1999 (bis zum 30.09.1999) mit der Begründung, der Kläger schulde im Gegenzug Schadenersatz in übersteigender Höhe. Darüber ist zwischen den Beteiligten ein Rechtsstreit anhängig. Das Finanzamt rechnete dem Kläger (erklärungsgemäß) die laufenden Gewinne zu und erließ entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide. Nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte der Kläger, die Feststellungsbescheide mit der Maßgabe zu ändern, dass der ihm zuzurechnende Gewinn um die bisher nicht an ihn ausgezahlten Gewinnanteile gekürzt werde. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Das FG hat das Finanzamt verpflichtet, die Feststellungsbescheide antragsgemäß zu ändern. Dagegen richtet sich die Revision des Finanzamtes.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Das FG hat das Finanzamt zu Unrecht verpflichtet, die Feststellungsbescheide vorläufig entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern. Entgegen der Auffassung des FG ist der laufende Gewinn der Jahre 1998 und 1999, soweit er dem Kläger unstreitig zusteht, steuerlich dem Kläger und nicht, auch nicht vorübergehend, den Beigeladenen zuzurechnen. Eine vom grundsätzlich maßgeblichen Gewinnverteilungsmaßstab (vorübergehend) abweichende persönliche steuerliche Zurechnung kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil der Schuldner die Auszahlung verweigert.

Nach der Rechtsprechung des BFH werden den Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die als Mitunternehmer anzusehen sind, die Ergebnisse, Gewinn und Verlust, der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 03.05.1993). Nur der Mitunternehmer ist Subjekt der Einkünfteerzielung (BFH-Urteil vom 03.02.2010). Der Gewinn ist den Mitunternehmern in dem Zeitpunkt zuzurechnen, in dem er entsteht. Soweit allerdings im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass der gemeinschaftlich erzielte Gewinn den Mitunternehmern frühestens im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses zugerechnet werden könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dies hätte - wie der Streitfall zeigt - eine nicht gerechtfertigte Besserstellung von Mitunternehmern gegenüber Einzelunternehmern zur Folge. Mitunternehmer hätten es in der Hand, den Zeitpunkt der Gewinnzurechnung selbst zu bestimmen. Bis zur Feststellung des Jahresabschlusses wäre der Gewinn niemand zurechenbar, weil die Personengesellschaft insoweit nicht selbst Subjekt der Besteuerung ist. Bei Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern über die Feststellung (z.B. einer Auseinandersetzungsbilanz) könnte die Besteuerung nicht zeitnah durchgeführt werden. Das alles ist mit den Grundprinzipien der Besteuerung unvereinbar.

Ohne Bedeutung ist danach, ob der Gewinn entnahmefähig ist, ob und gegebenenfalls wann die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung beschließen und wann diese den einzelnen Gesellschaftern zufließt. Anders als der Kläger meint, ist der Zufluss des Gewinns bei dem einzelnen Mitunternehmer danach keine Voraussetzung für die anteilige steuerliche Zurechnung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Gesellschafter den Gewinn in gemeinschaftlicher Verbundenheit "erzielt" haben (vgl. § 2 Abs. 1 EStG). Das ist grundsätzlich der Fall, sobald er bei der Gesellschaft nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften entstanden ist.

Von der Aufteilung und anteiligen Zurechnung des Gewinns nach normativen Maßstäben hat die Rechtsprechung bisher nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn ein Gesellschafter durch strafbare Handlungen (z.B. Unterschlagung oder Untreue) die tatsächliche Verteilung des Gewinns, abweichend vom Vereinbarten, zu seinen Gunsten und zum Schaden der anderen Gesellschafter beeinflusst hat (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 08.06.2000). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Grundsatz, dass kein Steuerpflichtiger ein Einkommen versteuern muss, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist, sofern es dort endgültig verbleibt.

Eine der Veruntreuung oder Unterschlagung von Einnahmen durch einen Gesellschafter vergleichbare Situation liegt im Streitfall ersichtlich nicht vor. Zum einen ist nicht zu befürchten, dass der Kläger den Gewinn endgültig nicht erhalten wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der unstreitige Anspruch des Klägers bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsanspruchs erfüllt werden wird oder bereits im Wege der Aufrechnung erfüllt worden ist. Zum anderen fehlt es im Hinblick auf die Zahlungsverweigerung der Beigeladenen an einer kriminellen Handlung. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts entspricht in ihrem Gewicht auch dann nicht einer verbotenen Eigenmacht, wenn das Zurückbehaltungsrecht nicht bestehen sollte.

Es kann dahinstehen, ob der Gewinnanspruch, wie der Kläger meint, zivilrechtlich als Anspruch untergeht und durch einen anderen, einheitlichen Auseinandersetzungsanspruch ersetzt wird. Dies ändert nichts daran, dass der im Auseinandersetzungsanspruch enthaltene laufende Gewinn dem Kläger steuerlich zugerechnet wird, weil der Kläger insofern den Besteuerungstatbestand verwirklicht hat. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der streitige Geldbetrag dem Kläger nicht endgültig vorenthalten bleibt, sondern lediglich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Auseinandersetzungsanspruch. Die vorübergehende Berücksichtigung der Besitzverhältnisse kann auch deshalb bei der steuerlichen Zurechnung nicht berücksichtigt werden, weil sie einen unverhältnismäßigen administrativen Aufwand verursachen würde. Besondere persönliche Härten, die sich im Einzelfall bei einer Besteuerung ohne vorangegangenen Zufluss an Liquidität ergeben können, sind erforderlichenfalls im Billigkeitswege zu mildern.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 1 EStG , § 165 AO
Streitjahre 1998 und 1999

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 23.01.2009, 1 K 561/04, EFG 2009, S. 929

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15.11.2011, VIII R 12/09,  BStBl II 2012, S. 207

Weitere Fundstellen

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 03.05.1993, GrS 3/92, BStBl II 1993, S. 616
BFH, Urteil vom 03.02.2010, IV R 26/07, BStBl II 2010, S. 751; siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 08.06.2000, IV R 39/99, BStBl II 2000, S. 670

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.