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21.07.2015
Transfer Pricing

BEPS: Maßnahme 8 - Schwierig zu bewertende immaterielle Werte

Das am 04.06.2015 veröffentlichte OECD Diskussionspapier zur BEPS Maßnahme 8 thematisiert schwierig zu bewertende immaterielle Werte und die entsprechende Verwendung von Preisanpassungsklauseln.

Hintergrund

Entsprechend des von der G20 an die OECD im November 2012 erteilten Mandats, Maßnahmen gegen die sogenannte Aushöhlung der Steuerbasis bzw. Gewinnkürzungen und die Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) zu erarbeiten, wurde ein BEPS-Aktionsplan mit 15 Maßnahmen aufgestellt. Zusammen mit den BEPS Maßnahmen 6 zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch und 7 zur Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte (siehe Deloitte Tax-News vom 18.11.2014) ist mit den Maßnahmen 8, 9 und 10 beabsichtigt, bestehende nationale und internationale Steuervorschriften dahingehend zu ändern, dass Einkünfte stärker der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden, durch die sie erzielt werden (vgl. Bundesfinanzministerium „Aktionsplan zur Bekämpfung der Erosion der Bemessungsgrundlage und der Gewinnverlagerung (Deutsche Arbeitsübersetzung)“ vom 22.07.2013).

Maßnahme 8 behandelt im Wesentlichen die Erarbeitung von Vorschriften zur Vermeidung von BEPS durch die Umschichtung immaterieller Werte innerhalb von multinationalen Konzernen. Während betreffend die Grundlagen zu immateriellen Werten bereits am 16.09.2014 ein Diskussionspapier erschienen ist (siehe Deloitte Tax-News vom 26.09.2014), wurden die eng miteinander verbundenen Themen der Maßnahmen 8 bis 10 im Diskussionspapier vom 19.12.2014 („8/9/10 Diskussionspapier“) gemeinsam thematisiert (siehe Deloitte Tax-News vom 13.02.2015). In diesen Diskussionspapieren sind die Aussagen zu schwierig zu bewertenden immateriellen Werten (Hard-to-Value Intangibles, „HTVI“) als vorläufig gekennzeichnet, da die OECD beabsichtigte, zu dieser Fragestellung ein separates Diskussionspapier zu erstellen.

Dieses separate Diskussionspapier wurde nunmehr am 04.06.2015 veröffentlicht („das Diskussionspapier“). Das Diskussionspaper schlägt vor, Kapitel VI der OECD Verrechnungspreisleitlinien anzupassen, um HTVI adäquat zu berücksichtigen.

Das Diskussionspapier zur BEPS Maßnahme 8 vom 04.06.2015

Überblick

Gemäß der OECD stellen HTVI Finanzverwaltungen vor besondere Herausforderungen um BEPS zu vermeiden. Regelmäßig werden für die Bestimmung von fremdüblichen Verrechnungspreisen zukünftige Finanzzahlen, die durch diesen immateriellen Wert beeinflusst werden, beispielsweise Gewinne oder Umsätze, herangezogen. Aufgrund einer Informationsasymmetrie zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen sei es für die Finanzverwaltung schwierig zu beurteilen, ob die vom Steuerpflichtigen bei der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde gelegten Finanzzahlen zutreffend sind. So sei es gemäß der OECD fraglich, ob der Steuerpflichtige bei einer signifikanten Abweichung zwischen den tatsächlich realisierten Finanzzahlen und den geplanten Finanzzahlen die Planzahlen zum Bewertungszeitpunkt bewusst zu pessimistisch oder optimistisch bestimmt hat.

Insoweit thematisiert das Diskussionspapier insbesondere die Verwendung von Preisanpassungsklauseln, also der nachträglichen, ex-post, Anpassung/Korrektur eines im Vorhinein, ex-ante, vereinbarten Verrechnungspreises. Dieser Ansatz soll die Finanzverwaltung vor den negativen Auswirkungen der Informationsasymmetrie schützen, da im Zweifelsfall die tatsächlich realisierten Finanzzahlen für die Ermittlung des endgültigen Verrechnungspreises von Bedeutung sind.

Das Diskussionspapier widmet sich dementsprechend zum einen der Bestimmung von fremdüblichen Verrechnungspreisen bei HTVI wie auch der Fragestellung, wann immaterielle Werte als HTVI zu klassifizieren sind.

Fremdvergleichspreise bei „unsicheren Bewertungen“

Wenn die Bewertung eines immateriellen Werts zum Zeitpunkt der Transaktion höchst unsicher ist, dann sollte gemäß dem Diskussionspapier auf das Verhalten von fremden Dritten in vergleichbaren Situationen abgestellt werden. Entsprechend dem Diskussionspapier gibt es, je nach Sachverhalt und Gegebenheiten, eine Reihe von möglichen Vereinbarungen, die unabhängige Parteien in vergleichbaren Situationen treffen. Dazu gehören beispielsweise

  • kurze Vertragslaufzeiten
  • Preisanpassungsklauseln
  • Zahlungskonditionen mit regelmäßigen Milestone-Zahlungen
  • umsatzabhängige Lizenzgebühren
  • neue Preisverhandlungen, wenn bedeutende unvorhersehbare Entwicklungen eintreten, die die grundlegenden Annahmen ändern, auf denen die Preisgestaltung gestützt war

Entsprechend heißt es in Tz. 5 des Diskussionspapiers explizit, dass die Finanzverwaltung zu nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen ermächtigt sein sollte, soweit unabhängige Parteien Preisanpassungsklauseln vereinbart hätten oder die Preise aufgrund fundamentaler unvorhersehbarer Entwicklungen üblicherweise neu verhandelt werden würden.

Das Diskussionspapier identifiziert die Schwierigkeiten der Finanzverwaltung bei der Beurteilung der Planungsdaten, z.B. ob Entwicklungen oder Ereignisse vorhersehbar waren und entsprechend berücksichtigt hätten werden müssen. Solche evtl. bedeutsamen Entwicklungen oder Ereignisse sind in den meisten Fällen stark mit dem Geschäftsumfeld verbunden, in dem der immaterielle Wert entwickelt oder genutzt wird. Deswegen bedürfe es für die Beurteilung, welche (richtungsweisenden) Entwicklungen oder Ereignisse bei der Preisgestaltung für die Parteien relevant und vernünftigerweise vorhersehbar waren, besonderen Kenntnissen, Erfahrungen und Einblicke in das Geschäftsumfeld des Steuerpflichtigen.

Hard-to-Value Intangibles

Darüber hinaus werden im Diskussionspapier Eigenschaften von immateriellen Werten dargestellt, welche zu HTVI führen und in entsprechend „unsicheren Bewertungen“ resultieren. HTVI sind demnach immaterielle Werte oder Rechte an immateriellen Werten, bei denen zum Zeitpunkt der konzerninternen Übertragung oder Überlassung (i) keine ausreichend zuverlässigen Fremdvergleichsdaten vorliegen und (ii) verlässliche Prognosen voraussichtlicher Cash-Flows oder Erträge fehlen oder die bei der Bewertung des immateriellen Werts getroffenen Annahmen höchst unsicher sind.

HTVI können im Einzelnen eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften aufweisen:

  • zum Übertragungs- bzw. Überlassungszeitpunkt ist die Entwicklung nur teilweise abgeschlossen;
  • eine wirtschaftliche Nutzung erfolgt voraussichtlich erst mehrere Jahre nach der Übertragung oder Überlassung;
  • einzeln betrachtet gilt der immaterielle Wert nicht als schwierig zu bewerten, es besteht aber ein Zusammenhang mit der Entwicklung oder Verbesserung anderer HTVI; und/ oder
  • es ist eine Nutzung beabsichtigt, die zum Übertragungs- bzw. Überlassungszeitpunkt neu ist.

Fraglich ist insbesondere, ob in allen Fällen, in denen die tatsächlichen Finanzzahlen des HTVI von den geplanten Finanzzahlen abweichen, eine Preisanpassung anhand der tatsächlichen (ex post) Finanzzahlen zu erfolgen hat. Gemäß dem Diskussionspapier sollte dies nicht der Fall sein, wenn vom Steuerpflichtigen

  1. alle Details der Vorausberechnung der geplanten Finanzzahlen offengelegt werden; und
  2. nachweisbar ist, dass Soll-Ist-Abweichungen unvorhersehbaren Entwicklungen geschuldet sind. Als derartige unvorhersehbare Entwicklungen zählen laut dem Diskussionsentwurf beispielsweise die Insolvenz eines Mitbewerbers oder das Auftreten einer Umweltkatastrophe.

Einordnung der Vorschläge im Diskussionspapier

Das Diskussionspapier baut auf den bestehenden OECD-Verrechnungspreisleitlinien auf und postuliert den Fremdvergleichsgrundsatz als Ausgangspunkt für die Behandlung der HTVI, einschließlich möglicher Preisanpassungsklauseln. Das 8/9/10 Diskussionspapier thematisiert Preisanpassungsklausel hingegen als zusätzliche „besondere Maßnahmen“, welche nicht zwingenderweise mit dem Fremdvergleichsgrundsatz in Übereinstimmung stehen müssen.

Der vorgeschlagene Ansatz nachträglicher Preisanpassungen folgt grundsätzlich der Idee des sog. „commensurate with income“ Konzepts aus den USA (Sec. 482 Internal Revenue Code). Somit spiegeln die aktuellen Vorschläge der OECD eine Abkehr ihrer früheren Auffassung wider, welche derartige nachträglichen Anpassungen zunächst als unvereinbar mit dem Fremdvergleichsgrundsatz angesehen hat (vgl. Wittendorff, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Law, 2010, S. 104). Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 1 Abs. 3 S. 11 AStG ähnlich argumentiert wie aktuell die OECD: Wenn die tatsächliche Gewinnentwicklung von der zuvor erwarteten Gewinnentwicklung erheblich abweicht, so gilt die widerlegbare Vermutung, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses so hohe Unsicherheiten vorgelegen haben, dass fremde Dritte in einem solchen Fall ebenfalls eine sachgerechte Preisanpassungsklausel vereinbart hätten.

Unklarheiten und offene Punkte

Das Diskussionspapier lässt diverse, nicht unwesentliche Fragen offen, welche im Rahmen des Fortschritts des BEPS-Projektes klargestellt werden sollten. Dies betrifft u.a. die folgenden Punkte:

  • Klarstellung der Definition und Abgrenzung des Begriffs der „HTVI“
  • Auflösung der Unsicherheit bzgl. der Auslegung des Begriffs der „signifikanten Abweichung“ (beispielsweise in Anlehnung an die Safe Harbor-Regelungen in den USA, wonach Abweichungen des ex post-Werts zum ex ante-Wert i.H.v. 80% bis 120% keine Anpassungen hervorrufen)
  • Schaffung von Rechtssicherheit durch die Begrenzung des Zeithorizonts in dem Preisanpassungsklauseln vereinbart werden
  • Konsequente Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes beispielsweise durch symmetrische Behandlung der nachträglichen Preisanpassungen nach oben und unten, d.h. zum Vorteil sowie zum Nachteil des Steuerpflichtigen
  • Vermeidung unterschiedlicher Auffassungen der Finanzverwaltungen in Bezug auf die Einschätzung der Verlässlichkeit der Informationen für die ex ante Preissetzung (vgl. Tz. 12 des Diskussionspapiers)

Ausblick und Implikationen für den Steuerpflichtigen

Die Tatsache, dass zwischen der Veröffentlichung des ersten Diskussionspapiers zu Maßnahme 8 am 16.09.2014 und dem aktuellen Diskussionspapier mehr als ein ¾ Jahr vergangen ist und substantielle Punkte weiterhin ungeklärt sind, reflektiert die inhärente Herausforderungen bei der Formulierung von Leitlinien im Zusammenhang mit HTVI.

Am 07.07.2015 gab es im Rahmen der öffentlichen Konsultation der OECD ein erneutes Update hinsichtlich Maßnahmen 8, 9 und 10. Obwohl noch keine finalen Entscheidungen präsentiert wurden, scheint sich ein Konsens insbesondere in Bezug auf die sogenannten „besonderen Maßnahmen“ abzuzeichnen. Demnach sieht die OECD nun keinen Bedarf mehr besondere Maßnahmen für HTVI abweichend vom Fremdvergleichsgrundsatz einzuführen. Keinen Konsens hingegen scheint es bisher hinsichtlich der Toleranz bei Abweichungen von ex post-Werten zum ex ante-Werten zu geben.

Die Veröffentlichung von Implementierungsrichtlinien für HTVI wird im Jahr 2016 erwartet. Bis dahin bleibt offen, in welcher Gestalt die Vorschläge umsetzt werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen kreieren möglicherweise ein Risiko der Doppelbesteuerung, falls die jeweils beteiligten Finanzverwaltungen die Regelungen nicht beidseitig und konsistent anwenden und unterschiedlicher Auffassung z.B. hinsichtlich der Gewinnabweichungen sind.

Fundstelle

OECD, Public Discussion Draft, BEPS ACTION 8: HARD-TO-VALUE INTANGIBLES

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