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13.02.2015
Transfer Pricing

BEPS: Maßnahmen 8, 9 und 10 - Gewährleistung der Übereinstimmung zwischen Verrechnungspreisergebnissen und Wertschöpfung

Hintergrund

Entsprechend des von der G20 an die OECD im November 2012 erteilten Mandats, Maßnahmen gegen die sogenannte Aushöhlung der Steuerbasis bzw. Gewinnkürzungen und die Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) zu erarbeiten, wurde ein BEPS-Aktionsplan mit 15 Maßnahmen aufgestellt. Zusammen mit den BEPS Maßnahmen 6 zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch und 7 zur Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte (siehe Deloitte Tax-News) ist mit den Maßnahmen 8, 9 und 10 beabsichtigt, bestehende nationale und internationale Steuervorschriften so zu ändern, dass Einkünfte stärker der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden, durch die sie erzielt werden (vgl. Bundesfinanzministerium „Aktionsplan zur Bekämpfung der Erosion der Bemessungsgrundlage und der Gewinnverlagerung (Deutsche Arbeitsübersetzung)“ vom 22.07.2013).

Die BEPS Maßnahmen 8, 9 und 10 im Einzelnen

Zur Problemlösung sind im Aktionsplan die Maßnahmen 8, 9 und 10 im Wesentlichen wie folgt vorgesehen:

Maßnahme 8 - Immaterielle Werte

Maßnahme 8 behandelt die Erarbeitung von Vorschriften zur Vermeidung von BEPS durch die Umschichtung immaterieller Werte zwischen Konzerngesellschaften. Das 8/9/10 Diskussionspapier sieht insbesondere Vorschriften zu Verrechnungspreisen und besonderen Maßnahmen in Bezug auf die Übertragungen schwer zu bewertender immaterieller Werte vor.

Maßnahme 9 - Risiken und Kapital

Maßnahme 9 behandelt die Erarbeitung von Vorschriften zur Vermeidung von BEPS durch die Verlagerung von Risiken auf Konzerngesellschaften oder die überhöhte Ausstattung von Konzerngesellschaften mit Kapital. Das 8/9/10 Diskussionspapier sieht insbesondere Vorschriften zu Verrechnungspreisen und besonderen Maßnahmen vor, mit denen gewährleistet wird, dass einer Konzerngesellschaft nicht nur deshalb „unangemessene“ Einnahmen zugerechnet werden, weil diese im Rahmen eines Vertrags Risiken übernommen oder Kapital zur Verfügung gestellt hat.

Maßnahme 10 - Sonstige risikoreiche Transaktionen

Maßnahme 10 behandelt die Erarbeitung von Vorschriften zur Vermeidung von BEPS durch den Abschluss von Transaktionen, die zwischen Dritten nicht oder nur äußerst selten vorkommen würden. Das 8/9/10 Diskussionspapier sieht insbesondere Vorschriften zu Verrechnungspreisen sowie besondere Maßnahmen vor, die zur Klärung der Umstände dienen, unter denen Geschäfte umqualifiziert werden können.

Das Diskussionspapier zu den BEPS Maßnahmen 8, 9 und 10 vom 19.12.2014

Während betreffend immaterieller Werte also zur BEPS Maßnahme 8, bereits am 16.09.2014 ein Diskussionspapier erschienen ist (siehe Deloitte Tax-News), werden die eng miteinander verbundenen Themen der Maßnahmen 8 bis 10 im Diskussionspapier vom 19.12.2014 nunmehr verknüpft und ausgearbeitet.

Überblick

Das 8/9/10 Diskussionspapier ist in zwei Teile gegliedert. In Teil I werden Änderungen bzw. Ergänzungen der Leitlinien für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (Kapitel I Abschnitt D der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010) vorgeschlagen, insbesondere hinsichtlich

  • einer exakteren Darstellung der tatsächlichen Transaktion auf Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen als auch dem tatsächlichen Verhalten der Parteien;
  • einer genauen Bestimmung der damit verbundenen Risiken und deren Verteilung; und
  • der Nichtanerkennung von Transaktionen, bei deren Vereinbarung grundlegende Eigenschaften - welche fremde Dritte im Rahmen der Vereinbarung üblicherweise berücksichtigt hätten - fehlen.

Die OECD befürchtet, dass diese Änderungen alleine allerdings nicht ausreichen, um eine Gewinnallokation in Übereinstimmung mit der lokalen Wertschöpfung sicherzustellen. Sie führt dies auf zwei Tatsachen zurück:

  • Informationsasymmetrien zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung; sowie
  • die relative Einfachheit für multinationale Unternehmen Konzerngesellschaften mit geringen Funktionen und einer niedriger Besteuerung (die OECD nennt diese Minimal Functional Entities, „MFEs“) mit viel Kapital auszustatten. Dieses Kapital kann dann von den MFEs in Vermögenswerte investiert werden, die innerhalb des multinationalen Konzerns genutzt bzw. Konzerngesellschaften (die einer höheren Besteuerung unterliegen) zur Nutzung überlassen werden, um Gewinnverlagerungen auf die MFE vorzunehmen.

Um diesen Risiken zu begegnen, werden in Teil II des 8/9/10 Diskussionsentwurfs besondere Maßnahmen vorgestellt und diskutiert.

Im Folgenden wird auf die wichtigsten Aspekte von Teil I und Teil II des 8/9/10 Diskussionsentwurfs eingegangen.

Teil I des Diskussionspapiers zu den BEPS Maßnahmen 8, 9 und 10 vom 19.12.2014: Überarbeitung der Leitlinien für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (Kapitel I Abschnitt D der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010)

Der bisherige Abschnitt D. von Kapitel I der OECD Verrechnungspreisleitlinien i.d.F. 2010 „Leitlinien für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ befasst sich mit

  • D.1 Vergleichbarkeitsanalyse;
  • D.2 Anerkennung der tatsächlich getätigten Geschäftsvorfälle;
  • D.3 Verluste;
  • D.4 Auswirkung staatlicher Maßnahmen; und
  • D.5 Verwendung von Zollwerten.

Das 8/9/10 Diskussionspapier schlägt nun Änderungen innerhalb der Unterkapitel als auch Änderungen der Unterkapitel an sich vor. So sollen die neuen Unterkapitel wie folgt strukturiert werden:

  • D.1 Identifizierung der kaufmännischen oder finanziellen Beziehung;
  • D.2 Identifizierung der Risiken in kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen;
  • D.3 Interpretation;
  • D.4 Nicht-Anerkennung;
  • D.5 Spezifische Überlegungen; und
  • D.6 Standortvorteile und andere lokale Markteigenschaften.

Es ist damit klar zu erkennen, dass die vorgeschlagenen Änderungen sehr weitgehend sind:

  • Das neue Unterkapitel D.1 beinhaltet in weiten Teilen die alten Ausführungen von D.1 aber enthält auch substantielle Neuerungen im Bereich der Funktionsanalyse;
  • D.2, D.3 und D.4 sind grundsätzliche neue Unterkapitel;
  • D.5 beinhaltet nun die vormaligen Unterkapitel D.3, D.4, D.5; und
  • D.6 wurde durch BEPS Aktionspunkt 8: Immaterielle Werte bereits neu eingeführt.

Im Folgenden soll auf die Änderungen im Detail eingegangen werden.

D.1 Identifizierung der kaufmännischen oder finanziellen Beziehung

Gemäß dem neuen Unterkapitel D.1 ist in einem ersten Schritt eine explizite Identifizierung der kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen verbundener Unternehmen vorgesehen. Hierzu wird von der OECD auf die vertraglichen Vereinbarungen und dem tatsächlichen Verhalten der Parteien abgestellt.

Die OECD verdeutlicht in ihrem 8/9/10 Diskussionsentwurf, dass sie dem tatsächlichen Verhalten der Parteien eine besondere Bedeutung beimisst; im Zweifelsfall kommt dem tatsächlichen Verhalten eine größere Bedeutung zu als dem vertraglich Vereinbarten. So werden drei Fallkonstellationen durch die OECD thematisiert:

a)  Eine Partei nimmt eine Funktion wahr, welche nicht vertraglich in Schriftform spezifiziert wurde. Gemäß der OECD ist diese ausgeführte Funktion trotzdem zu berücksichtigen (vgl. Tz. 4).

b)  In der Gesamtschau sind die durchgeführten Funktionen der Parteien nicht mit dem schriftlich vertraglich Vereinbarten in Übereinstimmung zu bringen. Gemäß der OECD sind dann die tatsächlich durchgeführten Funktionen maßgeblich und nicht das vertraglich Vereinbarte (vgl. Tz. 6).

c)  Zwischen den Parteien findet ein Geschäftsvorfall statt, obwohl dieser nicht schriftlich vertraglich vereinbart wurde. Gemäß der OECD ist dieser Geschäftsvorfall, so wie tatsächlich vorgefallen, für Verrechnungspreisezwecke zu analysieren (Tz. 8).

Im Rahmen der zu tätigen Funktionsanalyse betont die OECD in ihrem 8/9/10 Diskussionsentwurf, dass die besondere Situation eines multinationalen Konzerns berücksichtigt werden muss. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden.

Ein verbundenes Unternehmen stellt gruppenintern Logistikleistungen bereit („Partei A“). Partei A soll insbesondere Lagerhallen mit freien Kapazitäten an mehreren Standorten betreiben, um Versorgungsengpässe an einzelnen Standorten des Konzerns vorzubeugen. Das Erzielen von höherer Effizienz im Rahmen einer Konsolidierung von Standorten und Reduzierung von Überschusskapazitäten steht damit Partei A nicht als Alternative zur Verfügung. Die Funktionen von Partei A können sich somit von einem unverbundenen Unternehmen unterscheiden, welches keine lokalen Lagerhallen betreibt und entsprechend auch keine Reduzierung der Versorgungsrisiken bei Engpässen anbietet.

Gemäß der OECD weisen multinationale Konzerne überdies zum Teil sehr fragmentierte Strukturen auf, deren Interdependenz und Koordination zu klären sei. So ist es für die OECD entscheidend, dass im Rahmen der Funktionsanalyse aufgezeigt wird, ob die Koordination von einer zentralen Stelle erfolgt oder ob die Koordination durch die einzelnen Parteien gemeinsam wahrgenommen wird.

D.2 Identifizierung des Risikos der kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen

Durch das neue Unterkapitel D.2 ist die Identifizierung der Risikoverteilung bei kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen vorzunehmen. Gemäß der OECD ist die Risikoverteilung von besonderer Wichtigkeit, da übernommene Risiken das erwartete Gewinnpotential und die tatsächliche Verteilung der Gewinne beeinflussen. Gemäß dem 8/9/10 Diskussionspapier wäre es fremdüblich, dass die Partei das Risiko trägt, die es auch kontrolliert. Begründet wird dies durch die OECD u.a. mit Moral Hazard.

Allerdings erkennt die OECD, dass Moral Hazard regelmäßig nur bei nicht gleichgerichteten Interessen zwischen fremden Dritten auftritt. Innerhalb eines multinationalen Konzerns besteht grundsätzlich ein Interessensgleichklang. Zu Recht adressiert die OECD deshalb als offene Frage, ob das Konzept Moral Hazard für Zwecke des Fremdvergleichsgrundsatzes geeignet ist.

Im Rahmen der Risikoarten und -quellen nennt die OECD beispielhaft verschiedene Kategorien von Risiken:

  • strategische Risiken;
  • operative Risiken;
  • finanzielle Risiken;
  • Transaktionsrisiken; und
  • Unfallrisiken.

In Einklang mit der verstärkten Bedeutung des tatsächlichen Verhaltens der Parteien, führt die OECD in dem 8/9/10 Diskussionsentwurf aus, dass die vertragliche Risikoallokation nur maßgeblich ist, wenn das tatsächliche Verhalten nicht auf eine andere Risikoallokation schließen lässt. Entsprechend soll die Funktionsanalyse identifizieren, wer auf Risiken innerhalb des Konzerns reagiert bzw. diese Risiken festlegt.

In einem Beispiel des 8/9/10 Diskussionsentwurfs vertreibt ein multinationaler Konzern Heizöl an Endabnehmer. Aus der Funktionsanalyse geht hervor, dass das Produkt Heizöl homogen, der Markt kompetitiv, die Marktgröße vorhersehbar ist und die Marktteilnehmer Preisnehmer sind. Unter diesen Umständen sei die Möglichkeit auf Gewinnmargen einzuwirken begrenzt. Ein wichtiger Werttreiber sind deshalb die Zahlungsziele, die der multinationale Konzern von Ölproduzenten eingeräumt bekommt und ein Hauptrisiko stellen entsprechend die Finanzierungsrisiken des Umlaufvermögens dar. Die Funktionsanalyse ergibt, dass alle Gespräche mit den Ölproduzenten direkt von der Muttergesellschaft geführt werden und das Personal der verbundenen Vertriebsgesellschaften beim Sichern der Zahlungsziele nicht beteiligt ist. Die Zahlungsziele sind jedoch bedeutend für die Gewinnmargen der lokalen Vertriebsgesellschaften, die ihr Umlaufvermögen finanzieren müssen, beispielsweise durch entsprechend lange Zahlungsziele für erhaltene Lieferungen von den Ölproduzenten. Fremde Dritte Wettbewerber, die nicht Teil des Konzerns sind und dementsprechend nicht über dieselben langen Zahlungsziele verfügen, müssen Kredite aufnehmen, um ihr Umlaufvermögen zu finanzieren.

In diesem Beispiel, so die OECD, sollte das Risiko aus dem Umlaufvermögen beim lokalen Vertriebsunternehmen verbleiben, da es die Funktionen durchführt, die zum Verwalten der Risiken, beispielsweise die Festlegung von Preisen oder Handelsmengen, maßgeblich sind. Jedoch deuten die Umstände des Beispiels daraufhin, so die OECD, dass das Risiko verbunden mit dem Umlaufvermögen teilweise auch durch zusätzliche Funktionen der Muttergesellschaft verwaltet wird, nämlich die Verhandlung der Zahlungsziele gegenüber den Öllieferanten. Dies sei entsprechend bei dem Fremdvergleich zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Analyse von Risiken soll das Risikomanagement des multinationalen Unternehmens betrachtet werden. Gemäß der OECD besteht dies aus 3 Elementen: (i) die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen, ein Risiko einzugehen, (ii) die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen, ob und wie auf Risiken zu reagieren ist, die mit der Unternehmung verbunden sind und (iii) die Fähigkeit Risiken abzumildern.

Wie bei den durchgeführten Funktionen ist das tatsächliche Verhalten der Parteien für die Zuordnung von Risiken entscheidend und nicht alleine das vertraglich Vereinbarte. Zur Bestimmung der Risikoallokation soll demnach die Fähigkeit und Funktionalität des Risikomanagements sowie die finanzielle Ausstattung eines Unternehmens berücksichtigt werden.

Schließlich ist im Rahmen einer Vergleichsanalyse der fremdübliche Verrechnungspreis unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zu bestimmen. Der 8/9/10 Diskussionsentwurf stellt dabei die Vermutung auf, dass bei bestimmten Transaktionen keine Unterschiede bei der Risikoverteilung zwischen verbundenen und unverbundenen Parteien bestehen, beispielsweise im Bereich des Vertriebs. Falls das Risikomanagement von einer Partei durchgeführt wird, die nicht Teil der Transaktionskette ist, so ist diese für Ihre Aktivität separat zu vergüten.

D.3 Interpretation / D. 4 Nichtanerkennung

Der 8/9/10 Diskussionsentwurf stellt im Rahmen der Nichtanerkennung klar, dass es in außergewöhnlichen Fällen notwendig sein kann, eine Nichtanerkennung (gleichbedeutend zu einer Umcharakterisierung) des getätigten Geschäftsvorfalls vorzunehmen. Dies würde gemäß der OECD bei fehlenden „fundamental wirtschaftlichen Merkmalen“, welche bei Vereinbarungen zwischen fremden Dritten üblicherweise vorkommen, notwendig sein. Die OECD stellt gleichzeitig klar, dass es nicht entscheidend ist, ob der Geschäftsvorfall so auch zwischen fremden Dritten zu beobachten ist. Es ist für die Nichtanerkennung alleinig auf die „fundamental wirtschaftlichen Merkmale“ abzustellen. Begründet wird die Notwendigkeit von Nichtanerkennung vor dem Hintergrund, dass ansonsten für konzerninterne Geschäftsvorfälle fremdübliche Verrechnungspreise der Höhe nach bestimmt werden, obwohl diese Geschäftsvorfälle dem Grunde nach nicht fremdüblich sind.

Gemäß der OECD ist das Konzept der „fundamental wirtschaftlichen Merkmale“ von dem Konzept „wirtschaftlich Vernünftig“, welches in den OECD Verrechnungspreisleitlinien i.d.F. 1995 und 2010 Verwendung findet, zu unterscheiden. So besteht gemäß der OECD die Gefahr, einen Geschäftsvorfall als wirtschaftlich Vernünftig anzusehen, wenn für diesen Geschäftsvorfall ein fremdüblicher Preis bestimmt werden kann. Dies führt laut OECD zu einem falschen Fokus, da in einem ersten Schritt in diesen Fällen nicht die fundamental wirtschaftlichen Merkmale des Geschäftsvorfalls analysiert werden.

Die fundamental wirtschaftlichen Merkmale konkretisiert die OECD anhand des folgenden Anhaltspunkts: Im Vergleich zu den realistischen Alternativen verbessert jede der beteiligten Parteien ihre Position unter Berücksichtigung der entsprechenden Risiken.

Folgendes Beispiel des 8/9/10 Diskussionsentwurfs soll dieses Konzept verdeutlichen:

Unternehmen S1 besitzt ein wertvolles Warenzeichen, das von S1 entwickelt wurde und beim Verkauf aller Produkte genutzt wird. Um den Wert des Warenzeichen zu erhalten und stärken, übt S1 umfangreiche Marketingfunktionen aus. Das Warenzeichen wird im Folgenden für eine Einmalzahlung von 400 Millionen US Dollar von S1 an ein ihm verbundenes Unternehmen S2 übertragen, das in einem Niedrigsteuergebiet angesiedelt ist. Das nun im Eigentum von S2 stehende Warenzeichen wird fortan an S1 gegen eine jährliche Gebühr zur Nutzung überlassen, die dem Wert der finanziellen Rendite des Warenzeichens entspricht. S2 geht überdies ein Dienstleistungsvertrag mit S1 ein, der vorsieht, dass S1 umfangreiche Marketingfunktionen ausübt, um den Wert des Warenzeichens zu erhalten und stärken. S2 verfügt über mehrere Mitarbeiter, um die Verwendung des Warenzeichens durch S1 zu überwachen oder zu lenken und hat in diesem Zusammenhang Kosten in Höhe von jährlich 10 Millionen US Dollar; S2 besitzt außer der Nutzungsüberlassung keine Verwertungsmöglichkeiten des Warenzeichens. Der Konzern beabsichtigt, dass die jährlichen Kosten in Höhe von 10 Millionen US Dollar durch die Steuerersparnisse aufgewogen werden.

Laut OECD ist es fraglich, ob S1 (oder S2) seine Position unter der Berücksichtigung der entsprechenden Risiken im Vergleich zu den realistischen Alternativen verbessert hat und ob der gesamte multinationale Konzern in Folge der Transaktion vor Steuern sich nicht schlechter stellt. Entsprechend ist zu bezweifeln, dass diese Transaktion die „fundamental wirtschaftlichen Merkmale“ einer Transaktion zwischen fremden Dritten innehat.

Wertend ist zu befürchten, dass dieses Konzept der „fundamental wirtschaftlichen Merkmale“ zu mehr Unsicherheit und Doppelbesteuerung führt. Dies wird allein schon daran ersichtlich, dass das oben dargestellte Beispiel den Ausführungen von Aktionspunkt Nr. 8 „Immaterielle Werte“ widerspricht, welches gegebenenfalls die Bepreisung der Transaktion anpassen würde und eben keine Umcharakterisierung vornehmen würde.

Weitere Ausführungen

Im Wesentlichen unverändert bleiben die Leitlinien betreffend die Eigenschaften der Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen (vorgesehen unter D.1.2, bisher D.1.2.1), wirtschaftliche Verhältnisse (vorgesehen unter D.1.3, bisher D.1.2.4), Geschäftsstrategien (vorgesehen unter D.1.4, bisher D.1.2.5), Verluste (vorgesehen unter D.5.1, bisher D.3), Auswirkungen staatlicher Maßnahmen (vorgesehen unter D.5.2, bisher D.4) und Verwendung von Zollwerten (vorgesehen unter D.5.3, bisher D.5).

Teil II des Diskussionspapiers zu den BEPS Maßnahmen 8, 9 und 10 vom 19.12.2014: Besondere Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln in Bezug auf Einnahmen aus immateriellen Werten, Risiken und Überkapitalisierung

Zur Vorbeugung von Risiken die sich aus Informationsasymmetrie zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung und aus MFEs ergeben können, sind in dem 8/9/10 Diskussionspapier fünf Optionen für besondere Maßnahmen dargestellt.

Informationsasymmetrie

Option 1: Schwer zu bewertende immaterielle Werte

Falls für immaterielle Werte keine verlässlichen Vergleichswerte existieren und diese immateriellen Werte damit basierend auf Schätzungen von zukünftigen Gewinnen zu bewerten sind, dann soll im Rahmen der „besonderen Maßnahme“ die Durchführung von nachträglichen Preisanpassungen möglich sein. Der Steuerpflichtige soll im Rahmen einer widerlegbaren Vermutung einen Gegenbeweis führen können bzw. es soll innerhalb einer bestimmten Bandbreite von Abweichungen ein „Safe Harbor“ existieren.

Minimal Functional Entities

Die restlichen vier Optionen befassen sich mit besonderen Maßnahmen, die unangemessene Erträge für das Bereitstellen von Kapital auf Ebene von MFEs adressieren sollen.

Option 2: Unabhängiger Investor

Ausgangspunkt ist ein kapitalreiches, über Vermögensgegenständen verfügendes Unternehmen (A), welches von einem verbunden Unternehmen (B) abhängig ist, um Gewinne aus seinen Vermögensgegenständen zu erzielen, da nur B die wesentlichen, notwendigen Funktionen in Zusammenhang mit den Vermögensgegenständen von A ausübt. Die besondere Maßnahme zielt nun darauf ab, in welches Unternehmen ein unabhängiger Investor investieren würde. Aufgrund der Fähigkeiten von B sei B attraktiver als A, so die OECD. Entsprechend, so die Idee der besonderen Maßnahme, wird fiktiv unterstellt, dass das Kapital/ die Vermögensgegenstände in B eingelegt werden statt ihr diese basierend auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit A zur Verfügung zu stellen. Entsprechend würde der Gewinn von A auf B umverteilt werden. Alternativ kann auch der Gewinn von A auf das Mutterunternehmen von A umverteilt werden, da ein unabhängiger Investor in der Position des Mutterunternehmens nicht den Umweg über A gegangen wäre, sondern direkt die Vermögensgegenstände erworben hätte, um diese B zur Verfügung zu stellen.

Option 3: Überkapitalisierung

Ausgangspunkt ist wieder ein kapitalreiches, über Vermögensgegenständen verfügendes, Unternehmen (A), welches von einem verbunden Unternehmen (B) abhängig ist, um Gewinne aus seinen Vermögensgegenständen zu erzielen. Die besondere Maßnahme zielt darauf ab, gemäß einer festgelegten Kapitalquote auf „überschüssiges“ Eigenkapital auf der Ebene von A fiktive Zinsaufwendungen zu ermitteln, welche dann dem Eigenkapitalgeber von A als Zinsertrag zugerechnet wird.

Option 4: Minimal Functional Entity

Für diese Option wird eine Transaktion zwischen zwei verbundenen Parteien betrachtet, wobei eine der beiden Parteien nur minimale Funktionen ausübt („A“). Falls die minimalen Funktionen unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes liegen, so wird der Gewinn von A „umverteilt“, so die Idee dieser besonderen Maßnahme. Die Umverteilung könnte durch die Gewinnaufteilungsmethode vorgenommen werden. Alternativ kann der Gewinn dem Mutterunternehmen von A oder dem Transaktionspartner von A zugesprochen werden.

Der Schwellenwert an sich kann durch qualitative als auch quantitative Merkmale festgelegt werden, beispielsweise Anzahl der Mitarbeiter von A oder das Verhältnis des Anlagevermögens zu dem Gewinn von A.

Option 5: Gewährleistung angemessener Besteuerung von Überschusserträgen

Bei Vorliegen von einer Niedrigbesteuerung einer Konzerngesellschaft soll eine Vorschrift zur Hinzurechnungsbesteuerung angewendet werden, so die Idee dieser besonderen Maßnahme. Überschusserträge, definiert als Gewinn abzüglich einer fiktiven Eigenkapitalverzinsung und abzüglich des erzielten Einkommens aus Geschäften mit fremden Dritten im Ansässigkeitsstaat dieser Konzerngesellschaft sollen bei der Besteuerungsgrundlage der Muttergesellschaft berücksichtigt werden. Falls diese Vorschrift auf Ebene der Konzernobergesellschaften keine Anwendung findet, soll eine zweite Vorschrift durch Umverteilung der Besteuerungsrechte über diese Überschusserträge auf Schwester- oder Tochtergesellschaften eine Niedrigbesteuerung verhindern.

Einschätzungen und Empfehlungen

Mit dem 8/9/10 Diskussionspapier wird deutlich, dass die OECD dem tatsächlichen Verhalten bei verbundenen Parteien in Zukunft einen viel größeren Stellenwert einräumen wird. Die OECD bestätigt damit ihre Position, welche sie bereits in dem Bericht zu der Maßnahme 8 „Leitlinien für Verrechnungspreisaspekte von immateriellen Werten" ausführlich dargelegt hat: Entscheidend ist, dass verbundene Parteien das schriftlich vertraglich Vereinbarte auch tatsächlich leben. Dieser Fokus auf die tatsächlich ausgeübten Funktionen ist schon jetzt in Betriebsprüfungen zu erkennen. Entsprechend sollte bereits bei der Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation dieser Tatsache eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass in der Betriebsprüfung, welche regelmäßig erst einige Jahre später stattfindet, entsprechende Unterlagen über die ausgeübten Funktionen nicht mehr identifizierbar sind.

Die neuen Ausführungen zu der Nichtanerkennung/ Umcharakterisierung sind besorgniserregend und werden in der Praxis zu vermehrten Diskussionen in Betriebsprüfungen und einer zunehmenden Doppelbesteuerung führen. Es ist zu hoffen, dass die OECD diesen Ansatz überdenkt bzw. deutlich einschränkt. Ebenso kritisch sind die besonderen Maßnahmen zu betrachten. Entsprechende klare Hinwiese sollten im Rahmen der Kommentierung von der Industrie, den Interessensverbänden und der Beratung an die OECD gegeben werden.

Fundstelle

OECD, BEPS ACTIONS 8, 9 AND 10: Public Discussion Draft

Die Autoren danken Reinhold Kesler für seine tatkräftige Unterstützung.

Ihre Ansprechpartner

Dr. Richard Schmidtke
Partner

rschmidtke@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8690

Jochen Breunig
Consultant

jbreunig@deloitte.de
Tel.: 0621 1590-1831

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