Zurück zur Übersicht
30.01.2015
Transfer Pricing

Berücksichtigung realistischer Handlungsalternativen bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter

Die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern gewinnt in der Verrechnungspreisplanung und in Betriebsprüfungen zunehmend an Bedeutung. Von der OECD wird nicht zuletzt in der aktuellen Veröffentlichung zu immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen von BEPS gefordert, dass die realistischen Handlungsalternativen der beteiligten Parteien berücksichtigt werden. Anhand eines Beispiels soll illustriert werden, wie dies in der Beratungspraxis umgesetzt werden kann.

In dem Projekt zu Gewinnverkürzungen oder Gewinnverlagerungen der OECD/ G20 (Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“)) spielen immaterielle Wirtschaftsgüter eine zentrale Rolle. So wurde bereits ein umfangreicher Bericht zur Überarbeitung von Kapitel VI der OECD Verrechnungspreisrichtlinien veröffentlicht (BEPS Maßnahme 8: Immaterielle Wirtschaftsgüter).

Insbesondere soll durch BEPS sichergestellt werden, dass die Zuordnung von Gewinnen aus der Übertragung und der Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern in Übereinstimmung mit der lokal getätigten Wertschöpfung erfolgt. Hierzu betont die OECD an mehreren Stellen, dass eine Verrechnungspreisanalyse die realistischen Handlungsalternativen aller an einer Transaktion mit immateriellen Wirtschaftsgütern beteiligten Parteien zu berücksichtigen hat.

Das Thema realistische Handlungsalternativen ist allerdings nicht neu und findet bereits in den OECD Guidelines von 1995 Erwähnung (Tz. 1.15). Die darin enthaltene sehr allgemeine Formulierung, dass unabhängige Unternehmen bei der Bewertung potentieller Transaktionen die realistischen Handlungsalternativen vergleichen und eine Geschäftsbeziehung nur eingehen, wenn es keine eindeutig attraktivere Alternative gibt, ist in den aktuellen OECD Guidelines von 2010 unverändert in Tz. 1.34 verankert.

Die aktuelle Veröffentlichung, die sich weitgehend auf den Diskussionsentwurf zur Überarbeitung des Kapitels VI der OECD Guidelines aus dem Jahr 2013 stützt, stellt darüber hinaus klar, dass eine Berücksichtigung der realistischen Handlungsalternativen mit einer zwei- oder mehrseitigen Analyse einhergeht, d.h. das Entscheidungskalkül aller beteiligten Parteien einzubeziehen ist. Ein fremdüblicher Verrechnungspreis muss also mit den realistischen Handlungsalternativen aller Beteiligten konsistent sein.

Grundsätzlich erscheint die Annahme, dass fremde Dritte bei Marktransaktionen Opportunitätskosten in ihr Kalkül einbeziehen und mögliche Alternativen berücksichtigen würden, durchaus plausibel. Für Verrechnungspreiszwecke allerdings ergeben sich aufgrund der Vielzahl möglicher Handlungsalternativen, der Subjektivität der Norm sowie dem zusätzlichen, u.U. sehr hohen Aufwand die Alternativen zu identifizieren und zu prüfen nicht unerhebliche Problemstellungen. Eine Definition des Begriffs oder zumindest eine Einengung der möglichen Anwendungsfälle wäre wünschenswert. Nach unserer Auffassung sind deswegen nur „eindeutig attraktivere“ Alternativen zu berücksichtigen, so auch der Wortlaut von Tz. 1.34 OECD Guidelines 2010, d.h. die Alternative muss in allen wesentlichen Umweltzuständen eindeutig besser sein. Darüber hinaus kann der Bezug auf realistische Alternativen als Begrenzung des Universums möglicher Alternativen verstanden werden. Neben dem Zugang zu der jeweiligen Alternative, d.h. der Möglichkeit diese in angemessener Zeit und mit angemessenem Aufwand umzusetzen, sollten daher auch die notwendigen Ressourcen (fachlich, personell, finanziell, etc.) zur Nutzung einer Alternative vorhanden sein. Die rein theoretische Möglichkeit, dass eine bestimmte Alternative besser sein könnte, sollte hingegen nicht ausreichend sein.

Im Folgenden soll anhand eines vereinfachten Beispiels aus der Beratungspraxis dargestellt werden, wie realistische Handlungsalternativen bei immateriellen Wirtschaftsgütern außerhalb eines hypothetischen Fremdvergleichs berücksichtigt werden können.

Praxisbeispiel: Umwandlung eines Eigenproduzenten in einen Lizenzfertiger

Sachverhalt

Die operative Gesellschaft (Operating Company, „OpCo“), ansässig in Land A, agiert als vollumfänglicher Eigenproduzent und übt die zur Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern („IP“) wesentlichen Funktionen aus. Insbesondere ist die OpCo im Besitz aller Vermögenswerte, die für diese Tätigkeiten benötigt werden, einschließlich des relevanten IPs.

Am 01.01.20X1 soll das bis zu diesem Zeitpunkt entwickelte IP („Alt-IP“) von der OpCo an die verbundene IP Entrepreneur Gesellschaft (Intangible Property Company, „IPCo“), ansässig in Land B, verkauft werden. Die IPCo baut gegenwärtig ein IP-Portfolio auf, indem sie werthaltiges IP von verbundenen Konzerngesellschaften kauft. Durch diese Zentralisierung soll die Effizienz der Forschungs- und Entwicklungsprozesse („F&E“) gesteigert und unnötige Doppelarbeiten vermieden werden. Die IPCo, welche zukünftig alle F&E Tätigkeiten im Konzern finanzieren und kontrollieren wird, wird deshalb das rechtliche wie auch das wirtschaftliche Eigentum des in Zukunft entstehenden IPs erlangen („Neu-IP“).

Die OpCo wird zukünftig auf Initiative und nach Vorgaben der IPCo als Auftragsforscher ohne eigenes Entwicklungs- und Finanzierungsrisiko agieren (fremdüblicher Kostenaufschlag auf Vollkosten annahmegemäß 5%). Weiter werden der OpCo im Rahmen eines Lizenzvertrages mit der IPCo das Alt-IP sowie das Neu-IP zur Nutzung im Produktionsprozess überlassen; die OPCo wird dementsprechend in Zukunft als Lizenzfertiger agieren. Eine fremdübliche Lizenz sei unstrittig 5% für Alt-IP und Neu-IP.

Aufgabe des Beratungsprojektes war es, den Wert des Alt-IP aus Verrechnungspreissicht zu bestimmen. Im Folgenden werden die durchgeführten Schritte näher erläutert.

Bewertung des Alt-IP

Die Bewertung des Alt-IP erfolgte unter Anwendung der Methode der Lizenzpreisanalogie (Relief from Royalty Methode). Diese Methode unterstellt, dass das Unternehmen nicht Eigentümer des immateriellen Vermögengegenstands ist und diesen von einem fremden Dritten in Lizenz nehmen würde. Sodann wird ermittelt, welche Lizenzzahlungen zu leisten wären, die jedoch wegen der Inhaberschaft des immateriellen Vermögenswertes erspart bleiben. Der Wert des immateriellen Vermögensgegenstands entspricht der Summe der diskontierten (fiktiven) Lizenzzahlungen. Hierzu wurden die folgenden Schritte durchgeführt: i) Bestimmung der zu erwartenden Lebensdauer des Alt-IPs; ii) Bestimmung der prognostizierten Umsätze, welche dem Alt-IP zurechenbar sind; iii) Bestimmung einer angemessenen umsatzbasierten Lizenzrate sowie der entsprechenden Lizenzzahlungen für die Nutzung des Alt-IP; iv) Anwendung eines geeigneten Diskontfaktors, um den Barwert der Lizenzzahlungen zu bestimmen.

Durchführung einer zweiseitigen Analyse sowie Betrachtung realistischer Handlungsalternativen

Annahmegemäß sei aus der Perspektive der IPCo der Kauf des Alt-IPs die präferierte Alternative, da dieser annahmegemäß zu Synergieeffekten und nachhaltigen Effizienzsteigerungen im F&E-Prozess führen wird. Fraglich ist, ob die verwendete Relief-from-Royalty Methode die realistischen Alternativen der OpCo berücksichtigt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der Übertragung des Alt-IP weitere Veränderungen im Geschäftsmodell einhergehen, beispielsweise die Durchführung von Auftragsforschung. Daher wurde in einem nächsten Schritt unter Anwendung eines „Prudent Business Manager Tests“ aufgezeigt, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter Berücksichtigung der realistischen Handlungsalternativen (Eigenproduzent) der Restrukturierung insgesamt zustimmen würde, d.h. dem Verkauf des Alt-IP sowie der Umstellung von einem Eigenproduzenten auf einen Auftragsforscher sowie Lizenzfertiger.

Prudent Business Manager Test

Da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den Gesamteffekt der Restrukturierung betrachten würde, wurden für den Prudent Business Manager Test die ökonomischen Kosten der Umstellungen (Lizenzzahlungen für die Nutzung des Alt-IP und Neu-IP) dem resultierenden Nutzen seitens der OpCo (Vergütung für die Auftragsforschungsleistungen sowie der Erlös aus dem Verkauf des Alt-IP) gegenübergestellt. Hierdurch wird die realistische Handlungsalternative, nämlich die unveränderte Fortführung der bisherigen Geschäftstätigkeit, berücksichtigt.

Die folgenden Schritte wurden hierfür durchgeführt: i) Bestimmung der zukünftigen Lizenzzahlungen der OpCo für die Nutzung des Alt-IP und Neu-IP; ii) Bestimmung der zukünftigen Vergütung für die Auftragsforschungsleistungen; iii) Berechnung des resultierenden Gesamteffektes.

Die einzelnen Schritte sind in der nachfolgenden Tabelle exemplarisch dargestellt

Wie der Tabelle entnommen werden kann, profitiert die OpCo von der Umstellung des Geschäftsmodells; der Barwert des Gesamteffektes ist positiv (4,1 Mio. EUR). Diese Analyse wurde deshalb seitens der Finanzbehörden in Land A akzeptiert.

Fazit

Im vorliegenden Beispiel erlaubt der Prudent Business Manager Test durch die Berücksichtigung weiterer ökonomischer zusammenhängender Geschäftsvorfälle eine genauere Abbildung der Entscheidungssituation eines fremden Dritten als die isolierte Betrachtung des IP-Werts. Während die IP-Bewertung einen fremdüblichen Preis ermittelt hat, zeigt der Prudent Business Manager Test ergänzend, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Restrukturierung tatsächlich durchführen würde. Die berücksichtigte Alternative (Fortführung) ist für die OpCo verfügbar sowie durchführbar, erweist sich jedoch als unterlegen und unterstützt damit die Fremdüblichkeit der verwirklichten Transaktion.

Fundstellen

OECD Guidance on Transfer Pricing Aspects of Intangibles, Action 8: 2014 Deliverables, Tz. 6.43, 6.52, 6.61, 6.108 ff., 6.136, 6.151, 6.154, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News.

Literaturhinweise

OECD Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung.

OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2010.

Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2011, Rn. 320.

Weitere Beiträge in den Deloitte Tax-News

Eine detaillierte Darstellung der OECD Veröffentlichung zur BEPS Maßnahme 8 sowie die Entwicklungen im Vorfeld sind hier in den Deloitte Tax-News zu finden.

Ihre Ansprechpartner

Tobias Schanz
Manager

tschanz@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2060

Sandra Braun
Manager

sbraun@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8121

Dr. Richard Schmidtke
Partner

rschmidtke@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8690

Ihre Ansprechpartner

Tobias Schanz
Manager

tschanz@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2060

Sandra Braun
Manager

sbraun@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8121

Dr. Richard Schmidtke
Partner

rschmidtke@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8690

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.