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20.04.2018
Transfer Pricing

Geschäftsmodellumstellung – Erfahrungswerte aus steuerlicher Sicht

Restrukturierungen der Wertschöpfungskette bergen häufig Überraschungen, die das Projekt gefährden können. Wir möchten unsere Erfahrungen dazu teilen, wie Sie diese antizipieren und erfolgreich managen können und wie Sie die relative Bedeutung der Steuern im Blick behalten.

Geschäftsmodellumstellung – Erfahrungswerte aus steuerlicher Sicht

Das Konzept der Verlustaversion beruht auf der evolutionären Beobachtung, dass das Vermeiden lebensbedrohlicher Situationen mehr zum Überleben beitragen kann, als alternativ mögliche Gewinne. Wer also einem Löwen begegnet und sich zur Flucht entscheidet, entäußert sich der Möglichkeit einer erfolgreichen Löwenzähmung, hat jedoch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dem Genpool noch eine Weile erhalten zu bleiben.


Manchmal gleicht ein größeres Umstrukturierungsprojekt dem Ritt auf einem Löwen. Wenn man nun nicht davor weglaufen kann, gilt es, die wesentlichen Regeln des Umgangs mit dieser Herausforderung zu kennen und so das Projekt zu einem Erfolg zu bringen und einen Fehlschlag zu vermeiden. Ein solcher Fehlschlag kann darin bestehen, dass das Projekt abgebrochen wird, einen Neustart erlebt oder sich die Implementierung kostenintensiv verschiebt.


Nachfolgend stellen wir wichtige Überlegungen vor, um kosten- und arbeitsintensive Fehler zu vermeiden und so den Löwen erfolgreich zu zähmen.

Die relative Bedeutung der Steuern beachten

Aus Erfahrung lassen sich die meisten Restrukturierungsprojekte in zwei Kategorien teilen: Die einen sind operativ getrieben und haben vor allem das operative Ergebnis im Blick, bis zur Feststellung, dass die steuerlichen Konsequenzen teuer werden. Die anderen sind steuerlich getrieben und reduzieren effektiv die Steuer, allerdings auch das operative Ergebnis. Operative und steuerliche Ziele müssen sich nicht immer widersprechen, aber sie sollten in Abwägung zu einander betrachtet werden.


Für Restrukturierungsüberlegungen, die steuerliche Ziele im Blick haben, gilt es zu beachten, dass Umstrukturierungen zumeist durch Substanz untermauert werden müssen. Eine Neuverteilung von Funktionen geht somit auch immer mit Veränderungen in der physischen Realität des Unternehmens einher. Dies bedeutet regelmäßig, dass Personal entlassen, eingestellt oder umgezogen werden muss oder zumindest nachweislich für bestimmte Tätigkeiten ins Ausland reisen muss. Was in der Präsentation einfach aussieht, scheitert dann von Zeit zu Zeit an der Realität, weil es operativ nicht praktikabel ist.


Aus steuerlicher Sicht ist man also gut beraten, erst einmal die Landkarte der Wertschöpfung aufzunehmen und darauf basierend, unter Berücksichtigung aktueller operativer Planungen, Ideen zu entwickeln. Zudem ist es zu empfehlen, auch die operativen Implementierungsschritte aus dem steuerlichen Blickwinkel zu begleiten. Denn selbst einfachere Umstrukturierungen, wie beispielsweise Finanzierungen oder die Einführung von Lizenzen oder Leasingmodellen, erfordern einen gewissen Grad an Substanz und können entsprechend mit zusätzlichen (operativen) Kosten einhergehen, die man berücksichtigen sollte.


Bei operativ getriebenen Projekten besteht das Risiko, dass die Frage der Besteuerung erst am Ende gestellt wird. Durch unbedachte Bewegungen kann man also unterhalb des operativen Ergebnisses einreißen, was fleißige Hände im operativen Geschäft mühsam errichtet haben. So besteht das Risiko, einen unerwartet großen Teil der Ergebnisverbesserung an die Fiskalbehörden abzugeben. Bei größeren Verlagerungen über die Grenze kann dies so weit gehen, dass die Umstrukturierung insgesamt unter Berücksichtigung der Steuern und damit verbundenen Risiken unwirtschaftlich ist.


Generell gesprochen, sollte eine Restrukturierung für das operative Geschäft grundsätzlich sinnvoll sein und die steuerlichen Aspekte entlang dieser Maßgabe entwickelt werden.


Doch was ist nun der richtige Grad der Einbeziehung von steuerlichen Aspekten? Vereinfacht gesprochen kann man wohl sagen, dass die Steuern mit ca. 20%-30% zum Erfolg beitragen können, denn in diesem Rahmen bewegen sich in den meisten industrialisierten Ländern die Steuersätze. Wenn also das Projekt das operative Ergebnis um 100 Einheiten verbessert, möchte der Staat mit 20-30 Einheiten beteiligt werden.


Erfahrungsgemäß lässt sich dies (teilweise schon innerhalb von Deutschland, aber besonders grenzüberschreitend) zu einem Grade von ca. 5-10 Einheiten positiv oder negativ in beide Richtungen beeinflussen. Denn gerade wenn die Wertschöpfungskette neu modelliert wird, ergeben sich Chancen für steuerlich unschädliche Umstrukturierungen. Gleichzeitig können steuerliche Fauxpas vermieden werden, die meistens erst einige Jahre später entdeckt und dann sehr teuer werden können (neben Steuernachzahlungen ggfs. Verteidigungskosten, Zinsen und Strafzuschläge, schlechte Beziehung zu den Finanzbehörden etc.)


Vor diesem Hintergrund sollte die steuerliche Projektabdeckung in einem typisierten Fall einer operativen Umstellung je nach Komplexität 10%-20% des Projektvolumens ausmachen. Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass wesentliche Risiken früh eingeschätzt werden müssen. Das heißt, als Nebenbedingung tritt hinzu, dass eine steuerliche Einschätzung der Risiken und Chancen eines Restrukturierungsplans (und jeder Änderung) sehr frühzeitig erfolgen sollte.

Lokales Management frühzeitig einbeziehen

Für die ersten zwei Drittel bis drei Viertel eines Projektes stellt sich die Frage, ob bereits potentiell betroffenes lokales Management einbezogen werden sollte. In vielen Fällen wird aus guten Gründen darauf verzichtet. Erstens existieren in dieser Phase häufig noch mehrere Alternativen, die noch geprüft werden und man möchte keine halbfertigen Ideen vorstellen. Zweitens möchte man derartige Projekte oftmals nur vertraulich und bei Bedarf kommunizieren, um lokale Mitarbeiter nicht durch potentiell anstehende Umstrukturierungen zu verunsichern. Dies sind gute Gründe, die aber auch mit Risiken behaftet sind.


Wird der Plan erst dann dem lokalen Management vorgestellt, wenn eine Umsetzung effektiv beschlossen wurde, birgt dies mindestens zwei Probleme: Erstens ist nicht unwahrscheinlich, dass man spezifische lokale Verhältnisse nicht kennt, die für die Planung und Umsetzung zu berücksichtigen sind. Dies können Vereinbarungen mit der Finanzverwaltung sein, Sperrfristen oder sonstige steuerliche Attribute. Je später das lokale Management eingebunden wird, desto später wird man von solchen lokalen Spezifika erfahren.


Zweitens hat häufig das lokale Management bereits durch vorangegangene Fragen aus der Zentrale die Vermutung entwickelt, dass Änderungen anstehen. Wenn diese nicht offengelegt wurden, baut sich nicht selten eine vorsorgliche Abwehrhaltung auf. Im Ergebnis führt dies oft dazu, dass das lokale Management sich gegen das Projekt stellt. Häufig geschieht dies auch unter Verbrüderung mit den lokalen Beratern, deren Rolle als Bedenkenträger überhandnehmen kann, wenn sie spüren, dass ihr Mandant die Pläne der Zentrale nicht gutheißt.


Für das lokale Management spielen in solchen Fällen oftmals Sorgen um die eigene Zukunft eine große Rolle: die Sicherheit des Arbeitsplatzes oder die eigene künftige Funktion stehen in Frage. Auch Reputation und Prestige können sehr wichtig sein, so z.B. der Wunsch, früh einbezogen zu werden und zeichnungsberechtigter Geschäftsführer zu bleiben. Diese Fragen können adressiert und berücksichtigt werden.


Ein ganz wesentlicher Faktor ist das Anreizsystem des Konzerns, denn Änderungen bei den Verrechnungspreisen führen oft zu veränderten Volumen und Gewinn. Dies wirkt sich häufig direkt auf die individuelle Tantieme oder das Standing im Konzern aus. Eine Trennung von Management Accounting (für leistungs- und erfolgsorientierte Vergütung) und Legal Accounting (für steuerliche Verrechnungspreiszwecke) kann oftmals derartige Sorgen mindern, solange das Ergebnis steuerlich vertretbar ist.


Sofern unliebsame Änderungen faktisch nicht vermeidbar sein sollten, wird durch offene Kommunikation mit dem lokalen Management regelmäßig eine bessere Zusammenarbeit zur Umsetzung erreicht. Um das wertvolle Wissen des lokalen Managements für das Gelingen des Projektes zu nutzen und eher die Unterstützung als den Widerstand zu erwirken, ist es also zu empfehlen, nach Möglichkeit das lokale Management frühzeitig in die Planung einzubeziehen.

Frühzeitig die neuen konzerninternen Beziehungen definieren und Verträge entwerfen

Wenn die Restrukturierung entschieden worden und das Management informiert und bereit zur Umsetzung ist, steht „nur noch“ die Implementierung an. Während sich bei der Erstellung des Implementierungsplanes noch alle einig sind, kann die Konkretisierung im Rahmen von konzerninternen Verträgen unerwartete Fragen aufwerfen. Die Erstellung von Verträgen wird häufig so weit wie möglich an das Ende des Projektes geschoben, da erst dann alle Fakten feststehen und gruppeninterne Verträge als eher lästige Pflichtübung gesehen werden. Der Nachteil dieser Abfolge ist, dass manchmal erst bei der Vertragsformulierung offenbar wird, dass sich die Beteiligten nur scheinbar über alle Aspekte einig waren und dass es noch ungeklärte Fragen gibt.


Das Entwerfen von Verträgen zwingt zu sprachlicher Präzision und erst dann, wenn Gegenstand, Rechte und Pflichten der Parteien sowie Preisbildung genau definiert sind, ist sichergestellt, dass sich alle über das zukünftige Modell einig sind. Als illustratives Beispiel sei der Fall betrachtet, in dem eine Gesellschaft als Auftragsfertiger arbeiten soll. Ein entsprechender Vertrag würde insbesondere die folgenden Aspekte klären.

  • Gegenstand: Handelt es sich um einen Lohnhersteller (Dienstleistung) oder um einen Auftragsfertiger (Warenlieferung)?
  • Rechte und Pflichten: Wer trägt die (zumeist erheblichen) Schließungskosten? Wer haftet für die Produkte und deren Qualität?
  • Preisbildung: Diese ist abhängig unter anderem von der Frage, wer das Risiko der Schließung trägt. Daneben geht es um Anreizprinzipien: Wer trägt die Kosten für Mehrverbrauch und Ausschuss?

Selbst wenn sie im Verlauf noch mehrfach angepasst werden müssen, lohnt es sich erfahrungsgemäß, gruppeninterne Verträge früh aufzusetzen. Um Kosten und Zeit für mehrfache Revisionen von Vertragsentwürfen zu sparen, kann aus steuerlicher Sicht auch zunächst mit präzisen „Term Sheets“ gearbeitet werden, d.h. eine schriftliche Dokumentation der wesentlichen Elemente der zukünftigen Vertragsbeziehungen. Die voll ausgereifte rechtliche Formulierung kann dann erfolgen, wenn keine wesentlichen Veränderungen mehr zu erwarten sind.

An das große Ganze denken – und dessen Details

Hindernisse entstehen in vielen Fällen deshalb, weil niemand sie vorhergesehen hat. Bestehende Strukturen sind häufig in komplexe Gesamtstrukturen eingebettet, die bei einem Wechsel in eine andere Struktur direkt und indirekt betroffen sein können. Diese Verbindungen sollten bekannt sein und aktiv gemanagt werden, damit sie nicht die Projektumsetzung verzögern oder gar gefährden oder ungewollte Kollateralschäden verursachen. Auch hier kann sehr häufig die frühzeitige Vorbereitung schriftlicher Verträge das Risiko mindern.


Die folgenden Themen können aus unserer Erfahrung im falschen Moment – d.h. zu spät – erkannt werden und seien nur beispielhaft genannt.

  • Datenschutz: Ein Transfer von Kundendaten ist notwendig, aber mangels ausreichender Einverständniserklärungen sind individuelle Zustimmungen einzuholen und der Projektplan sieht nicht den notwendigen zeitlichen Vorlauf dafür vor.
  • Vertragsübernahmen: Kunden oder Zuliefererverträge sollen von einer anderen Gruppengesellschaft übernommen werden, aber die Vertragspartner müssen benachrichtigt werden und ihr Einverständnis abgeben. Zudem ist damit zu rechnen, dass es dadurch zu Nachverhandlungen und neuen Konditionen kommt, die ungünstiger für das Unternehmen ausfallen können. Die geplanten Effizienzgewinne werden entsprechend geringer ausfallen.
  • Genehmigungen und Zulassungen: Produktionsstätten müssen für einzelne Produkte zertifiziert werden, bevor sie die jeweilige Fertigung aufnehmen dürfen. Dieser Prozess braucht Zeit, da auch Prüfstellen eingebunden werden müssen, deren Arbeitsgeschwindigkeit schlecht vorhersehbar und nicht beeinflussbar ist. Die geplante Umstellung der Produktionsstandorte wird länger benötigen als gedacht und es wird zu Ineffizienzen in der Kapazitätsnutzung kommen.
  • Arbeitsrecht: Gewisse Informationspflichten und Wartefristen müssen eingehalten werden und es kommt zu Verschiebungen von go-live Terminen um mehrere Monate. Tarifbedingungen fallen aufgrund rechtlicher Vorschriften großzügiger aus und die Personalkosten steigen unerwartet.
  • Covenants: Für bestehende Finanzierungen wurden Vereinbarungen getroffen, nach denen bestimmte Umstrukturierungen nicht zulässig sind oder zumindest genehmigt werden müssen. Die geplante Umsetzung der neuen Struktur muss kurzfristig on-hold gestellt werden, um sie vorab mit den Banken abzustimmen.

Um das Risiko zu verringern, dass derartige Themen übersehen werden, empfiehlt es sich, umfassend zu denken und nach Themenbereichen Fragen zu stellen etwa wie folgt.

  • Vertragliche Vereinbarungen: Welche Verträge bestehen in der zu ändernden Struktur und welche Konsequenzen können sich durch die Restrukturierung ergeben?
  • Immaterielle Wirtschaftsgüter: Welche immateriellen Wirtschaftsgüter gibt es und wie ist Eigentum bzw. Erträge aus deren Nutzung aus steuerlicher und rechtlicher Sicht tatsächlich zuzuordnen?
  • IT: Lässt sich das neue Modell im ERP-System implementieren? Welche Daten und Zugriffsrechte werden benötigt?
  • Steuern und Zoll: Wie ändert sich die Steuerfindung der Umsatzsteuer? Gibt es Auswirkungen auf Zollprozesse (einschließlich Genehmigungen)?
  • Zulassungen und Registrierungen: Welche werden in der neuen Struktur benötigt und von wem?

Zusammenfassend sollte breit geprüft werden, welche „Show Stopper“ am Horizont auftauchen könnten, um diese rechtzeitig angehen zu können. Dabei kann die frühe Ausformulierung schriftlicher Verträge für die zukünftigen Konzernbeziehungen helfen; diese dienen auch dazu, Klarheit über das neue Modell zu schaffen. Betroffenes lokales Management empfehlen wir eher früher als später anzusprechen und für das Projekt zu gewinnen. Ein laufender Einbezug der Steuerfunktion ist geboten zum einen, weil auch steuerliche Themen den Erfolg oder Misserfolg in der Umsetzung bedeuten können, zum anderen, weil jedes Projektergebnis langfristige steuerliche Konsequenzen haben wird.


Restrukturierungsprojekte mögen ähnlich wild und unvorhersehbar sein, wie ein Ritt auf einem Löwen. Aber unter Beachtung der oben dargestellten Punkte, sollten sie sich besser zähmen und ohne große Unterbrechung oder Abbruch zum Erfolg bringen lassen.

Ihre Ansprechpartner

Christian Schoppe
Partner

cschoppe@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 7272

Yvonne Weigelt
Senior Manager

yweigelt@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 7218

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