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19.08.2016
Transfer Pricing

Negativzinsen: aktuelle Herausforderungen im Corporate Treasury und Implikationen für Ertragsteuern und Verrechnungspreise

Das aktuelle negative Zinsumfeld für Geldanlagen stellt in Konzernen vor allem das Corporate Treasury vor neue Herausforderungen. Diese Schnittstelle zwischen der Konzernsteuerabteilung und dem Treasury Bereich birgt allerdings auch steuerliche und verrechnungspreisrelevante Implikationen, sodass hier ein gemeinsames Verständnis und abgestimmte Herangehensweise aller Beteiligter zu empfehlen ist.

Einleitung

Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise sind weiterhin deutlich durch die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu spüren. EZB-Chef Mario Draghi verfolgt eine Niedrigzinspolitik, welche bei vielen Unternehmen einen immer stärkeren Einfluss auf die operative Geschäftstätigkeit hat.

Zunächst profitieren die Unternehmen bei der Darlehensaufnahme von der aktuellen Niedrigzinsphase. Die Deloitte CFO Survey aus dem Frühjahr 2016 bestätigt, dass deutsche Unternehmen sich sehr günstigen Finanzierungsbedingungen gegenübersehen. Zudem gehen vier Fünftel der Befragten davon aus, dass sich dies auf Sicht von zwölf Monaten nicht ändern wird.

Nachfolgend wird kurz ausgeführt, welche Herausforderungen aus diesem Niedrigzinsumfeld für konzerninterne Geldanlagen und Cash Pools für das Treasury entstehend und welche steuerlichen und verrechnungspreisbezogenen Implikationen damit verbunden sind.

1. Geldanlagen im Niedrigzinsumfeld

Durch die kontinuierliche Senkung der Zinssätze der Einlagenfazilität, die Banken für die kurzfristige Anlage der überschüssigen Liquidität bei der EZB benutzten, haben sich die Zinsen für Geldanlagen bei Banken ebenfalls stark verändert.

Der sogenannte „Strafzins“ für Geldanlagen ist zuletzt im März 2016 um 0,1% auf aktuell -0,4% gesunken.

Zudem sind laut Marktbeobachtern weitere Zinssenkungen auf längere Sicht möglich. Der Spielraum für Unternehmen, ihr Kapital bei der kurzfristigen Geldanlage zumindest zu erhalten, ist dadurch wesentlich geringer geworden.

Im aktuellen Zinsumfeld stellen sich die Unternehmen zunehmend auf alternative Anlagemöglichkeiten und andere Methoden des Liquiditätsmanagements ein. Viele Banken gewähren einen Sockelbetrag in der Anlage bis zu welchem keine Strafzinsen verlangt werden. Einige Unternehmen versuchen daher ihre Liquidität nur bis zu dieser Höhe vorzuhalten. Andere hingegen haben als Reaktion auf die Ankündigung von Strafzinsen ihre Bank gewechselt. Ungeachtet dessen kann dies in der Praxis vor allem für Großkonzerne eine temporäre Alternative darstellen. Meistens sind diese nicht auf ein Finanzinstitut angewiesen, sondern arbeiten mit einer Vielzahl von Banken zusammen. In Rahmen der Deloitte Treasury & Risk Management Survey gaben über 80% der befragten Unternehmen an, dass die Entwicklung des Zinsniveaus zu signifikanten Veränderungen des Zinsmanagements führe. Bei der Mehrheit der befragten Unternehmen wurden negative Zinsen bereits durch die Banken thematisiert, wobei rund ein Drittel der betroffenen Unternehmen direkt durch die Weitergabe negativer Zinsen seitens der Banken betroffen ist. Zudem erhalten davon rund 80% der Unternehmen bei ihren Banken einen entgeltfreien Liquiditätssockel.

Für deutsche Unternehmen stellt diese Situation ein historisches Ereignis dar, welches sich auch auf ihre interne Prozesse und IT-Systeme sowie die dahinter liegenden Modelle auswirkt. Denn die IT-Systeme wurden in der Vergangenheit vorwiegend für ein positives (Anlage-)Zinsniveau konzipiert. Insoweit können sich Herausforderungen beispielsweise bei der internen Weiterverrechnung von Intercompany Transaktionen, der automatisierten Verbuchung von Finanzgeschäften im Treasury Management System oder im Cash Pooling ergeben.

Eine spürbare Veränderung des Anlageverhaltens der Unternehmen lässt sich bereits erkennen, auch wenn diese Veränderung häufig in Konkurrenz zu internen Risikomanagementvorgaben steht. Beispielsweise können längere Fristigkeiten oder Investitionen in andere Anlageklassen erst nach internen Genehmigungsprozessen umgesetzt werden. Die Überarbeitung der Anlagerichtlinie kann daher notwendig sein. Das Umdenken zur Erreichung einer gewünschten Mindestverzinsung erfordert mehr Mut zum Risiko trotz einer gewissen Sicherheitsaffinität. Die Sicherheit der Geldanlage ist damit nicht mehr alleiniges Kriterium der Anlageentscheidung. Dies stellt gerade den Mittelstand vor große Herausforderungen, da für kleinere Unternehmen das Eingehen von mehr Risiko unter Umständen schwerer umzusetzen ist als für Großkonzerne, welche in größerem Umfang bereit sind Kursschwankungen bzw. ein höheres Risiko zu akzeptieren.

Gerade dieser Aspekt der gesteigerten Risikopräferenz zur Realisierung einer gewissen Zielrendite auf das eingesetzte Kapital birgt auch einige steuerliche bzw. verrechnungspreisrelevante Implikationen und potentielle Risiken: Insbesondere nach Verabschiedung der Aktionspunkte 8-10 der OECD BEPS Initiative im Oktober 2015 lassen sich gesteigerte Anforderungen an die Risikoanalyse als Bestandteil der Analyse fremdüblicher Preise (oder im Fall von Finanztransaktionen Zinssätzen) feststellen. So ist nicht nur ausschlaggebend, welche Gesellschaft das Risiko vertraglich trägt, sondern auch ob diese die Ressourcen (Ausstattung, Mitarbeiterqualifikationen und –authorisierungen) hat, entsprechende Risiken einzugehen, sich gegebenenfalls (auch teilweise) dagegen abzusichern, diese Risiken zu überwachen und auch aktiv zu managen. Ansonsten ist neuerdings ggf. eine Umqualifizierung der beobachteten Transaktion auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes – hier auf Basis des (mitunter hypothetischen bzw. unterstellten) Verhaltens fremder Dritter – vorzunehmen mit möglicher Auswirkung auf die Verrechnungspreise und deren Fremdüblichkeit. Demnach beinhalten entsprechende Anlagetransaktionen bei unveränderter Zielrendite nicht nur ein höheres operatives Risiko, sondern unabhängig davon auch – bei unzureichenden Ressourcen im Risikomanagement – zusätzlich erhöhte steuerliche Risiken einer Umqualifizierung mit eventueller Anpassung der Verrechnungspreise.

2. Implikationen für Cash Pools

Negative Anlagezinssätze wirken sich darüber hinaus auch noch an anderen Stellen mit Verrechnungspreisrelevanz aus. Im Rahmen einer Unternehmensgruppe weisen die einzelnen Gesellschaften häufig unterschiedliche Liquiditätspositionen auf. Unter Berücksichtigung verschiedener steuerlicher Aspekte wird oft durch diese Unternehmen eine konzernweite, zentrale Finanzierungsfunktion zur bestmöglichen Kapitalallokation auf Konzernebene eingesetzt. Beispiele dafür sind länderübergreifende Cash Pooling Strukturen oder die zentrale Steuerung mittels einer Inhouse Bank. Die Disparität zwischen einem Liquiditätsüberhang der einen und einem Liquiditätsbedarf einer anderen Konzerngesellschaft wird beim Cash Pooling kurzfristig über einen Liquiditätsausgleich auf zentralen Bankkonten beseitigt. Eine Inhouse Bank ist in diesem Zusammenhang als zentrale Organisationseinheit diejenige, die den einzigen Marktzugang des Konzerns innehat und alleiniger Vertragspartner bei allen externen Finanzgeschäften ist. Im Rahmen der Kapitalbedarfsplanung werden Mittel am Kapitalmarkt aufgenommen und überschüssige Liquidität am Geld- oder Kapitalmarkt angelegt.

Der Vorteil der Zentralisierung war bisher, dass die an die Inhouse Bank angeschlossenen Konzerngesellschaften zinsgünstigere Mittel im Vergleich zu externen Finanzierungsmöglichkeiten (also auf Basis der jeweils einzelnen Konzerngesellschaft) erhalten. Der Bedarf an Außenfinanzierung wurde dadurch aus Konzernsicht ebenso wie die Abhängigkeit gegenüber Fremdkapitalgebern reduziert und somit die Innenfinanzierungskraft optimiert. Im Gegenzug wurden Liquiditätsüberhänge der Konzerngesellschaften automatisch zu marktgerechten Konditionen auf IC-Konten der Inhouse Bank verzinst.

Durch die Teilnahme an einem konzerninternen Cash Pool wurden Zinseinkünfte auf Konzernebene somit weitgehend internalisiert. In Anbetracht der insgesamt deutlich zurückgegangen Höhe des Zinsniveaus im Allgemeinen (sowohl bezogen auf die Anlage als auch auf die Aufnahme von kurzfristigen Mitteln) lässt sich beobachten, dass die Höhe der internalisierten Zinseinkünfte im Konzern insgesamt deutlich zurückgeht. Ebenso lässt sich allerdings aufgrund des niedrigen Marktzinsniveaus auch ein Rückgang der Zinsaufwendungen insgesamt beobachten. Vor allem vor dem Hintergrund des nunmehr (manchmal schon recht deutlich) negativen Anlagezinsniveaus sinkt auch die Attraktivität aus Sicht der Konzerngesellschaften, ihre überschüssige Liquidität an Cash Pools teilzunehmen bzw. überschüssige Liquidität in der Inhouse Bank anzulegen. Zur Vermeidung der Reduzierung der Akzeptanz der Inhouse Bank innerhalb des Konzerns scheuten sich aus unserer Erfahrung Unternehmen bislang, die negativen Geldmarktzinsen an die Tochtergesellschaften weiterzugeben.

Dies stellt allerdings eine Herausforderung hinsichtlich der steuerlichen Dokumentation der verwendeten IC-Zinsen und der Gewinn- bzw. Risikoaufschläge auf Seiten der Inhouse Bank dar. Darüber hinaus lässt sich in jüngeren Beiträgen in der Fachliteratur doch eine Tendenz dahingehend erkennen, dass die Inhouse Bank zunehmend pauschal einem risikolosen Dienstleister gleichgesetzt wird, der sämtliche Gewinne aus dem Cash Pool an die Teilnehmer ausschütten sollte und eine kostenaufschlagsbasierte Vergütung für seine eigenen entsprechenden Dienstleistungen erhält. Diesem Profil entsprechend sollte eine solche Inhouse Bank dann allerdings auch von entsprechenden Verlustrisiken befreit sein. In der Praxis wird dies häufig dadurch umgesetzt, dass die Bankzinssätze in Anlage und Aufnahme der Inhouse Bank dann auch 1:1 an die Cash Pool Teilnehmer weitergegeben werden und dass die Dienstleistungen der Inhouse Bank durch eine separate Kostenumlage inklusive eines i.d.R. geringen Gewinnaufschlags abgegolten werden. In solchen Fällen müsste somit eigentlich auch aus Verrechnungspreissicht eine entsprechende Weitergabe dieser negativen Bankanlagezinssätze an sämtliche Cash Pool Teilnehmer erfolgen. Dies wiederum erhöht Aufgriffsrisiken von Seiten der lokalen Betriebsprüfung bei den Cash Pool Teilnehmern: Je negativer das Anlagezinsniveau bei Banken, desto negativer dann die Anlagezinssätze für die Cash Pool Teilnehmer beim Cash Pool Leader bei 1:1 Weitergabe der externen Konditionen und desto höher das Aufgriffsrisiko in einer lokalen steuerlichen Betriebsprüfung.

3. Ertragsteuerliche Qualifikation

Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind negative Einlagezinsen als eine Art Verwahr- oder Einlagegebühr und somit wohl als Betriebsausgaben zu behandeln. Sie stellen keine Zinsen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, da sie nicht vom Kapitalnehmer an den Kapitalgeber als Entgelt für die Überlassung von Kapital gezahlt werden (BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015, BStBl. I S. 473, bzw. BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, BStBl. I S. 85, Rn. 129a). Eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von negativen Einlagezinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hat nach Ansicht der Finanzverwaltung aus diesen Gründen ebenfalls zu unterbleiben (gleichlautende Erlasse vom 17. November 2015, BStBl. I, S. 896).

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zunehmend zu beobachtende negative Anlagezinssätze zunächst einmal Treasurer und CFOs vor akute Herausforderungen stellen bezüglich der vorhandenen Systeme aber auch bezüglich der erwünschten bzw. tolerierten Risiken aus operativer Sicht. Ertragsteuerlich qualifizieren negative Einlagezinsen nach Ansicht der Finanzverwaltung als eine Art Verwahr- oder Einlagegebühr und somit als Betriebsausgaben. Wichtig ist es, mögliche verrechnungspreisrelevante Implikationen nicht aus den Augen zu verlieren. Infolge des OECD BEPS Maßnahmenpaketes ist hier vor allem die Risikoanalyse und Risikotragfähigkeit zu nennen. Diese Aspekte sollten demnach entsprechend auch in der dazugehörigen Verrechnungspreisdokumentation abgebildet sein.

Ihre Ansprechpartner

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nnolden@deloitte.de
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mvonseggern@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3629

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Senior Consultant

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