BMF: Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen vom 12.12.2023
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 12.12.2023 sein überarbeitetes Schreiben zur Besteuerung von Arbeitslohn nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) veröffentlicht. Es berücksichtigt die derzeitigen Entwicklungen in der OECD sowie die aktuelle Rechtsprechung. Die Veröffentlichung enthält neben Feststellungen aus vorangegangenen BMF-Schreiben, erweiterte Begriffsdefinitionen, Klarstellungen und Beispiele.
Bestimmung Ansässigkeit nach DBA (Rz. 7ff.)
Die Ansässigkeit hat neben der Abkommensberechtigung für den Steuerpflichtigen die Aufgabe zu bestimmen, welcher Staat abkommensrechtlich der Ansässigkeitsstaat und welcher Staat der Quellenstaat ist. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Aufteilung der Besteuerungsrechte. Eine Person kann in zwei Vertragsstaaten z. B. aufgrund doppelten Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig sein, dagegen kann sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als ansässig im Sinne eines DBA gelten. In dem Fall ist nach der im Art. 4 Abs. 2 OECD-MA festgelegten Prüfungsreihenfolge festzustellen, in welchem Vertragsstaat die Person als ansässig gilt.
Ein wichtiger Punkt des neuen BMF-Schreibens sind die überarbeiteten Erläuterungen zur Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen, welcher regelmäßig zentrale Bedeutung bei der Bestimmung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit hat, wenn in beiden Vertragsstaaten von einer unbeschränkten Steuerpflicht sowie einer ständigen Wohnstätte auszugehen ist. Hierbei zeichnet sich eine neue Tendenz des BMF bei der Beurteilung der Ansässigkeit bzw. des Lebensmittelpunkts ab. Die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen sind nunmehr nach der aktuellen Auffassung des BMF gleichrangig zu gewichten. Bis dato wurden die wirtschaftlichen Verhältnisse (Einnahmequellen, Grundbesitz und sonstige Vermögenswerte) in der Praxis oft nur untergeordnet mitberücksichtigt. In der Regel wurde primär auf die persönlichen Verhältnisse (insbesondere auf den Aufenthaltsort der Familie) abgestellt.
Dabei wird deutlich, dass die Finanzverwaltung zukünftig bei kurzfristigen Auslandstätigkeiten einen Wechsel der Ansässigkeit aufgrund der Verlagerung des Lebensmittelpunktes stärker hinterfragen wird. Gemäß den Ausführungen in Rz. 18 geht die Finanzverwaltung erst bei einer befristeten Entsendung von fünf Jahren oder mehr von der widerlegbaren Vermutung aus, dass die persönlichen Beziehungen einer Person sich in den Tätigkeitsstaat verlagern. Wie aus den nachfolgenden Beispielen im BMF-Schreiben hervorgeht, kann selbst dann aufgrund der Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse von einem Verbleib der Ansässigkeit im (ehemaligen) Heimatstaat ausgegangen werden, wenn die Familie den Steuerpflichtigen auf einer Entsendung von weniger als fünf Jahren begleitet.
In der Praxis bedeutet dies, dass die deutsche Finanzverwaltung bei befristeten Entsendungen aus Deutschland heraus regelmäßig keine Verlagerung der Ansässigkeit ins Ausland sehen wird, wenn z.B. der Wohnsitz im Inland nicht aufgegeben wird. Das Ausland muss dem Ansatz nicht zwingend folgen und kann die Kriterien zur Auslegung des Lebensmittelpunktes anders definieren. In der Folge kann es zu einer abweichenden Anwendung des DBAs und somit zu einer potenziellen Doppelbesteuerung kommen. Dementsprechend sollte im Vorfeld einer Entsendung mit dem Arbeitnehmer die Faktoren zur Bestimmung der Ansässigkeit ausführlich besprochen werden, um möglichst klare Verhältnisse zu schaffen, die zu einer eindeutigen Ansässigkeitsposition im In- und Ausland führen.
Hinweis Abzug Vorsorgeaufwendungen (Rz. 95ff.)
Bei befristeten Entsendungen ins Ausland verbleiben die Mitarbeiter häufig, sofern die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, im deutschen Sozialversicherungssystem. Besteht mit dem Gastland ein Doppelbesteuerungsabkommen, sind die Einkünfte aus der im Ausland ausgeübten Tätigkeit in Deutschland steuerfrei. Die Vorsorgeaufwendungen, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften stehen sind daher vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erster Halbsatz EStG). Eine Ausnahmeregelung besteht unter bestimmten Voraussetzungen lediglich für Einnahmen aus einer Tätigkeit in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz. Die Aufteilung der abziehbaren und nichtabziehbaren Vorsorgeaufwendungen hat im Verhältnis des steuerpflichtigen Arbeitslohns zum gesamten Arbeitslohn, unabhängig von der Beitragsbemessungsgrenze, zu erfolgen. Auch wenn die Hinweise erstmalig im BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung von Arbeitslohn nach den DBAs aufgenommen wurde, bestätigt das BMF damit lediglich die bisherige Praxis.
Definition Arbeitnehmerentsendung (Rz. 149 f.) & wirtschaftlicher Arbeitgeber (Rz. 151ff.)
Dem BMF-Schreiben wurde eine Erläuterung bezüglich der Definition einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung neu hinzugefügt - auch in Abgrenzung zu einem Arbeitnehmerverleih oder Werkleistungen. Eine Arbeitnehmerentsendung liegt danach vor, wenn das entsendende Unternehmen an das aufnehmende Unternehmen derselben multinationalen Unternehmensgruppe einen Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit in einen anderen Staat entsendet (Rn. 149 f.).
Im Falle einer konzerninternen Entsendung wird das aufnehmende (inländische) Unternehmen in vielen Fällen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber und ist in der Folge zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Der Bundesfinanzhof hat nun die Voraussetzungen dafür präzisiert. Grundlegend ist nach wie vor die Auffassung des BMF, dass es für die Annahme des wirtschaftlichen Arbeitgebers nicht darauf ankommt, ob das aufnehmende oder entsendende Unternehmen die Gehaltskosten tatsächlich trägt, sondern darauf, welches Unternehmen das betriebliche Interesse an der Tätigkeit hat und in der Folge die Gehaltskosten nach Verrechnungspreisgrundsätzen hätte tragen müssen.
Das BMF zeigt im aktualisierten Schreiben ausführlich, anhand welcher Aspekte die Interessenslage zu prüfen ist (Rz. 160 ff.). Neu sind hierbei u.a. die Hinweise in Rz. 163ff. zu den vom Steuerpflichtigen zu erbringenden Nachweisen. Dabei verweist die Finanzverwaltung insbesondere auch auf die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung auszustellen, in welcher Höhe die Lohnkosten (inkl. Lohnnebenkosten und Lohnverwaltungskosten) vom aufnehmenden und entsendenden Unternehmen getragen wurden (Rz. 167).
Es ist widerlegbar zu vermuten, dass die Tätigkeit ausschließlich im betrieblichen Interesse des aufnehmenden Unternehmens stattfindet, wenn eine Weiterbelastung aller mit der Arbeitnehmerentsendung in Verbindung stehenden Lohnkosten an das aufnehmende Unternehmen bescheinigt wird. Verbleiben diese Kosten ganz oder teilweise beim entsendenden Unternehmen, wird die Arbeitnehmerentsendung insoweit (auch) im Interesse des entsendenden Unternehmens ausgeführt.
In den Randziffern 178ff. enthält das BMF-Schreiben nunmehr zusätzliche Hinweise zur Beurteilung des wirtschaftlichen Arbeitgebers bei Geschäftsführern oder sonstigen leitenden Angestellten.
Für die Praxis lässt sich aus den zusätzlich aufgenommen Hinweisen vermuten, dass die Finanzverwaltung die Beurteilung des wirtschaftlichen Arbeitgebers noch stärker in den Fokus rückt. So ist denkbar, dass zukünftig in Fällen, in denen für Arbeitslohn aufgrund eines wirtschaftlichen Arbeitgebers im Ausland eine Steuerbefreiung im Inland beantragt wird, zusätzliche Nachweise zum wirtschaftlichen Arbeitgeber angefordert werden, selbst dann, wenn die Besteuerung im Ausland bereits nachgewiesen wurde
Hinweis Anwendung BFH-Urteil vom 21.12.2022 (Rz. 223)
Das BMF-Schreiben berücksichtigt die aktuelle Rechtsprechung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen und steuerfreien Arbeitslohns und nimmt Bezug auf das BFH-Urteil vom 21.12.2022 (Rz. 223). Danach stellt das BMF für das Kriterium der Ansässigkeit i. S. der dem Art. 4 OECD-MA entsprechenden Bestimmung des anzuwendenden DBA (s. Tz. 1.2.1, Rn. 7 ff.) stets auf den Zeitpunkt des Zuflusses nach § 11 EStG ab. Auch wenn dieser Ansatz systematisch nachvollziehbar ist und bereits gängige Praxis war, ist nicht auszuschließen, dass sich hieraus Doppelbesteuerungsproblematiken ergeben können. Dies ist immer dann der Fall, wenn im Ausland z.B. für nachlaufende Vergütung wie z.B. Bonuszahlungen oder Aktienvergütungen nicht auf den Zuflusszeitpunkt sondern auf den Ansässigkeitsstatus im Erdienungszeitraum abgestellt wird.
Hinweis Abfindungszahlungen (Rz. 257)
Die Aufteilung von Abfindungszahlungen richtet sich weiterhin grundsätzlich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und ist aufgrund von Auslandsentsendungen nach den Tätigkeitszeiten in den jeweiligen Ländern aufzuteilen. Neu aufgenommen wurden Ausführungen zu Arbeitgeberwechseln innerhalb eines Konzerns. In diesem Zusammenhang sind Dienstzeiten bei diesen unterschiedlichen Arbeitgebern zusammenzurechnen, sofern sich die Höhe der Abfindung nach der gesamten Beschäftigungsdauer bemisst.
Signing Bonus (Rz. 249ff.)
Der Signing Bonus (eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags fällige Einmalzahlung, auch Antrittsgeld genannt) ist den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit zuzuordnen (i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA).
Das BMF-Schreiben nimmt in diesem Zusammenhang Bezug zum BFH-Urteil vom 11.04.2018 und stellt fest, soweit ein Antrittsgeld für eine konkrete noch auszuübende Tätigkeit gewährt wird, richtet sich das Besteuerungsrecht danach, wo die Tätigkeit erbracht werden soll. Dementsprechend ist die Vergütung zunächst nach den voraussichtlich tatsächlichen Arbeitstagen des Erdienungszeitraums aufzuteilen. Eine entsprechende Aufteilung ist ggf. im Wege der sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Die Steuer ist bis zum Ende des Erdienungszeitraums vorläufig festzusetzen. Nach Abschluss des Erdienungszeitraums ist die Zuweisung des Besteuerungsrechts anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Erdienungszeitraum zu überprüfen und bei Abweichungen gegenüber den vorläufig angenommenen Verhältnissen, z.B. insbesondere in Bezug auf die tatsächlichen Arbeitstage ggf. zu korrigieren. Muss das Antrittsgeld nach dem Arbeitsvertrag oder etwaiger Nebenabreden nicht zurückgezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen vorzeitig verlässt, fehlt es hingegen an einem Erdienungszeitraum, sodass grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht zusteht (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz OECD-MA).
Betriebliche Altersversorgung (Rz. 378f.)
Das BMF hat erstmalig Hinweise zur betrieblichen Altersversorgung i.S.d. BetrAVG aufgenommen und erläutert, wie die steuerliche Behandlung während der Ansparphase und in der Leistungsphase grundsätzlich ausgestaltet ist. Praktische Hinweise zur Beurteilung ausländischer Versorgungspläne wurden bislang jedoch nicht aufgenommen.
Zeitlicher Anwendungsbereich
Das neue BMF-Schreiben ersetzt das Schreiben vom 03.05.2018 sowie das Schreiben vom 22.04.2020, welches Ergänzungen zur Behandlung von Steuerberatungskosten enthielt, die nun in dem aktualisierten Schreiben vom 12.12.2023 integriert wurden. Es ist in allen offenen Fällen anzuwenden, sofern dem keine gesetzliche Regelungen entgegenstehen (Rz. 427).
Bei Fragen rund um das neue BMF-Schreiben stehen wir Ihnen gern jederzeit zur Verfügung und verweisen in diesem Zusammenhang auch auf unseren Webcast am 6. und 20. Februar 2024. In dieser 2-teiligen Webcast-Reihe möchten wir Ihnen nochmals die wesentlichen Änderungen vorstellen und mit Ihnen über mögliche Konsequenzen für die Praxis diskutieren. Nachfolgend finden Sie den Link zur Anmeldung zu unserem Webcast: Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 12.12.2024, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005, BStBl. I S. 2179