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17.10.2016
Steuerrecht

BVerfG: Beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben ist mit dem Grundgesetz vereinbar

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 14.06.2016 (2 BvR 323/10) entschieden, dass sowohl die Qualifikation von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben als auch die betragsmäßige Einschränkung des Sonderausgabenabzuges verfassungskonform sind und der Gesetzgeber hierdurch nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden können.

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer, der im Streitjahr 2006 als Steuerberater und vereidigter Buchführer nichtselbstständig tätig war, beantragte beim zuständigen Finanzamt – auch im Einspruchsverfahren – erfolglos für die von ihm geleisteten Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, da diese als vorweggenommene Werbungskosten mit künftigen Renteneinahmen eintragungsfähig seien.

Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg trug der Kläger vor, dass die Beiträge nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG darstellen würden, da sie objektiv und subjektiv der Erzielung künftiger steuerpflichtiger Renteneinnahmen dienen. Ferner argumentierte er, dass eine bloße Berücksichtigung als Sonderausgaben zu einer Ungleichbehandlung von Beamten und Arbeitnehmern in der Erwerbsphase und somit zu einer Nichtbeachtung des objektiven Nettoprinzips führe. Mit Urteil vom 30.11.2006 (10 K 171/06) wurde die Klage vom Finanzgericht Baden-Württemberg abgewiesen und die Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung des Klägers als nicht eintragungsfähige Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG eingestuft.

Auch die Revision des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wies der BFH mit Urteil vom 09.12.2009 (X R 28/07) zurück. Der BFH betont dabei, dass die durch das Alterseinkünftegesetz vom 05.07.2004 (BGBl. I 2004, 1427) vorgenommene steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen sowohl im Hinblick auf ihre endgültige Ausgestaltung als auch in Bezug auf die getroffene Übergangsregelung verfassungsmäßig ist (im Streitjahr 2006 waren Altersvorsorgeaufwendungen lediglich zu 62 % abzugsfähig; der prozentual zu berücksichtigende Anteil erhöht sich jährlich um 2 % und beträgt daher erst ab dem Jahr 2025 100 %).

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte. Dabei führt er insbesondere auf, dass die Qualifikation von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben und die betragsmäßige Einschränkung des Sonderausgabenabzuges in der Übergangsphase nur zu einer teilweisen Freistellung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Erwerbsphase führe. Die hierdurch entstehende Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern/Rentnern und Beamten/Pensionären sei gravierend, da letztere steuerfreie Ruhegehaltsansprüche erwerben können.

Entscheidung

Mit Beschluss vom 14.06.2016 (2 BvR 323/10) hat das BVerfG entschieden, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Die durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG vorgenommene Qualifikation von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben sowie die betragsmäßige Einschränkung des Sonderausgabenabzuges nach § 10 Abs. 3 EStG sind somit verfassungskonform. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

In seiner Entscheidungsfindung führt das BVerfG insbesondere auf, dass Altersvorsorgeaufwendungen nicht in vollem Umfang Werbungskosten des Beitragszahlers im Sinne des § 9 EStG darstellen. Zum einen werden die Beiträge für eine Hinterbliebenenversorgung und somit nicht zur Erzielung eigener Einkünfte eingesetzt, zum anderen werden damit aber auch Leistungen finanziert, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führen (z. B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). Ferner betont das BVerfG, dass Altersvorsorgeaufwendungen – anders als vorweggenommene Werbungskosten – neben ihrer Bestimmung zur Erzielung zukünftiger Einkünfte zugleich vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten aufweisen. Denn durch die in der Aufbauphase geleisteten Beiträge werden Anwartschaften begründet, die sich zu geldwerten Rechtspositionen entwickeln. Altersvorsorgeaufwendungen führen somit zu einer Vermögensumschichtung und unterscheiden sich daher von vorweggenommenen Werbungskosten, die lediglich eine reine Vermögensminderung bewirken.

Aufgrund des umfangreichen und inhomogenen Leistungsspektrums der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und dem doppelgesichtigen Charakter von Altersvorsorgeaufwendungen andererseits steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum bei der Frage zu, wie Altersvorsorgeaufwendungen zu qualifizieren sind. Dieser weite Spielraum ist mit der durch das Alterseinkünftegesetz vorgenommenen einheitlichen Zuweisung zu den Sonderausgaben nicht überschritten. Hiergegen widerspricht auch nicht die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG 105, 73 [134 f.]), nach der leidglich eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen unzulässig ist, nicht aber die Entscheidung ob dies vor- oder nachgelagert zu erfolgen hat (vgl. BVerfG 120, 169 [179]).

Das BVerfG betont in seiner Entscheidung des Weiteren, dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG – entgegen der Meinung des Beschwerdeführers – nicht zu einer verfassungsmäßigen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern/Rentnern und Beamten/Pensionären führt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es nämlich unerheblich, ob Leistungen zum Aufbau einer Versorgungs- oder Rentenanwartschaft den Einkünften von vornherein nicht zugerechnet werden (Beamte) oder diese zunächst als Einkünfte behandelt und anschließend im Rahmen des Sonderausgabenabzuges abzugsfähig sind (Arbeitnehmer).

Betroffene Norm

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a, Abs. 3 EStG.
Streitjahr 2006.

Anmerkungen

Sowohl (vorweggenommene) Werbungskosten als auch Sonderausgaben mindern das zu versteuernde Einkommen und somit die Bemessungsgrundlage. Während Werbungskosten dem objektiven Nettoprinzip zuzuordnen sind und daher bereits im Rahmen der Ermittlung der Summe der Einkünfte berücksichtigt werden, sind Sonderausgaben ein Abbild des subjektiven Nettoprinzips und daher erst im Rahmen der Ermittlung des Einkommen abzugsfähig.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat daher nicht nur auf die betragsmäßige Beschränkung der steuerlichen Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Sonderausgabenabzuges Einfluss, sondern ist vielmehr auch für die außergewöhnlichen Belastungen, den Verlust- und Spendenabzug und die verfahrensrechtliche Berücksichtigung der Aufwendungen als Lohnsteuerabzugsmerkmal Bedeutung.

Auch in einem Parallelverfahren hat das BVerfG mit Beschluss vom 14.06.2016 (2 BvR 290/10) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner bekräftigt auch der BFH im Urteil vom 06.04.2016 (X R 2/15) nochmals die Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz.

Vorinstanz

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2006, 10 K 171/06
BFH, Beschluss vom 09.12.2009 – X R 28/07

Fundstelle

BVerfG, Beschluss vom 14.06.2016, 2 BvR 323/10.

Weitere Beiträge zum Thema

Zur beschränkten Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen hatten wir bereits in den Deloitte-Tax-News vom 15.01.2010 und 24.02.2010 berichtet.

Ihre Ansprechpartner

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
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Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
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