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17.10.2016
Steuerrecht

BFH: Kindbezogene Berechnung des Differenzkindergeldes

Mit Urteil vom 13.04.2016 (III R 34/15) hat der BFH entschieden, dass die Berechnung des Differenzkindergeldes für jedes Kind gesondert vorzunehmen ist. Eine Gesamtbetrachtung der insgesamt bezogenen Familienleistungen ist demnach bei der Ermittlung der Unterschiedsbeträge beim Zusammentreffen von nationalen Kindegeldleistungen und vergleichbaren ausländischen Familienleistungen ausgeschlossen.

Sachverhalt

Die Klägerin lebt gemeinsam mit ihren drei Kindern in Deutschland. Der Ehemann der Klägerin und Vater der Kinder übt in der Schweiz eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Er bezieht dort Kinder- und Ausbildungszulagen (Schweizer Kinderzulage). Für das erste und zweite Kind betragen diese 250 CHF und für das dritte Kind 200 CHF.

In Deutschland erhielt die Klägerin Differenzkindergeld. Die Beklagte (Familienkasse) hob die Festsetzung von Differenzkindergeld auf und forderte das bisher bezogene Differenzkindergeld zurück, da ihrer Auffassung nach bei Berechnung der Höhe des Differenzkindergeldes die Summe der Schweizer Familienleistungen für alle drei Kinder mit der Summe der nach deutschem Recht zustehenden Familienleistungen zu vergleichen sei. Da die Schweizer Familienzulagen von umgerechnet monatlich 578,99 EUR höher seien als das deutsche Kindergeld für drei Kinder von monatlich 558 EUR, bestehe kein Anspruch auf Differenzkindergeld mehr.

Streitig war, ob die Berechnung des Differenzkindergelds familien- oder kindbezogen zu erfolgen hat. Das Finanzgericht Baden-Württemberg bejahte eine kindbezogene Betrachtungsweise. Hiergegen richtete sich die Revision der Familienkasse.

Entscheidung

Nach der Entscheidung des BFH ist die Revision unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Differenzkindergeld für das dritte Kind.

Im Falle von Anspruchskonkurrenzen zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung regelt Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Kindergeldberechtigung (Prioritätsregelung). Durch das Freizügigkeitsabkommen ist die Verordnung auch im Verhältnis zu der Schweiz anwendbar. Nach dieser Verordnung haben Ansprüche, die sich durch eine Beschäftigung ergeben, Vorrang. Erforderlichenfalls ist im anderen Staat ein Unterschiedsbetrag zu gewähren. Die Verordnung selber enthält allerdings keine Regelungen hinsichtlich der Berechnung des Unterschiedsbetrags. Die Entscheidung, ob eine familien- oder kindbezogene Betrachtungsweise erfolgt, ist dem jeweiligen Mitgliedstaat überlassen.

Der BFH stellt in seinem Urteil klar, dass sich die Berechnung folglich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes bestimmen lassen muss. Das Einkommensteuergesetz sieht zwar keine ausdrückliche Regelung für die Berechnung der Unterschiedsbeträge beim Zusammentreffen von nationalen und vergleichbaren ausländischen Familienleistungen vor, allerdings sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewährung und Festsetzung von Kindergeld stets kindbezogen ausgestaltet. Zudem ist die im Rahmen der Günstigerprüfung durchzuführende Vergleichsberechnung ebenfalls für jedes Kind einzeln durchzuführen. Folglich hat die Ermittlung des Differenzkindergelds ebenso kindbezogen zu erfolgen.

Die Kürzung des Differenzkindergelds für ein Kind durch Verrechnung des übersteigenden Betrags der Schweizer Kinderzulage für die ersten beiden Kinder ist demnach mangels einer gesetzlichen Regelung ausgeschlossen. Eine anderslautende behördliche Dienstanweisung der Familienkassen ersetzt auch keine gesetzliche Bestimmung.
Im Ergebnis wurde durch das Finanzgericht der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für die Kindergeldfestsetzung zurecht aufgehoben und der Klägerin Differenzkindergeld zugestanden.

Betroffene Norm

§§ 62 - 66 EStG.
Streitjahre 2012 und 2013.

Anmerkungen

Die Entscheidung betrifft eine typische Situation für Grenzgänger aber auch Entsendungsfälle, in denen die Beschäftigung in einem anderen Staat ausgeübt wird und der Familienwohnsitz im Inland beibehalten wird.

Betroffene, denen die Zahlung von Differenzkindergeld mit der Begründung abgelehnt wird, dass die Gesamtleistungen im Ausland die Höhe des deutschen Kindegelds übersteigen, sollten gegen den ablehnenden Bescheid der Familienkasse Einspruch erheben und auf die Rechtsprechung des BFH verweisen.

Bereits mit Urteil vom 04.02.2016 hat sich der BFH für eine kindbezogenen Betrachtungsweise ausgesprochen. Mit Urteil vom 13.04.2016 bestätigt der BFH nunmehr seine Rechtsprechung.

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2015, 3 K 1747/13, EFG 2015, 997.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.4.2016, III R 34/15.

Weitere Fundstelle

BFH, Urteil vom 04.02.2016, III R 9/15.

Ihre Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
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Christian Röpke

croepke@deloitte.de
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