BMF: Der Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers bei grenzüberschreitender Arbeitnehmertätigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens
Infolge einer zunehmenden Flexibilität des Arbeitsmarktes und der damit nicht nur einhergehenden klassischen Arbeitnehmerentsendungen, sondern auch anderen Formen der Arbeitnehmerüberlassung innerhalb derselben multinationalen Unternehmensgruppe ist es nicht nur für die Zuweisung der Besteuerungsrechte relevant zu klären, welches Unternehmen als Arbeitgeber im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens und damit als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Zu prüfen ist auch, wer in der Folge zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist. In dem überarbeiteten Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen vom 12. Dezember 2023 hat sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ausführlich zum Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers geäußert und erweiterte Dokumentationspflichten präzisiert.
Für die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers bei einem grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Es sind also stets die wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung der beteiligten Unternehmen und die betriebliche Interessenlage zu prüfen. Das aufnehmende verbundene Unternehmen wird zum wirtschaftlichen Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne, wenn der entsandte Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist, dessen fachlichen Weisungen unterworfen wird und dieses über die Höhe seiner Bezüge entscheidet sowie das Risiko für die Arbeitsergebnisse des Arbeitnehmers trägt. Zudem ist für die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers auch entscheidend, ob das aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen. Ein gesonderter Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen ist hierzu nicht erforderlich. Auch muss das aufnehmende Unternehmen das Gehalt nicht an den Mitarbeitenden auszahlen.
Sind die Merkmale des wirtschaftlichen Arbeitgebers für das deutsche Unternehmen erfüllt, besteht die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug in Deutschland (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Für die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers und die daraus resultierende Zuweisung des Besteuerungsrechts für den Arbeitslohn hat das BMF die Kriterien aus dem BMF-Schreiben vom 9. November 2001 „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen in Fällen der Arbeitnehmerentsendung“ grundsätzlich übernommen. Zudem enthält das aktualisierte BMF-Schreiben eine Aufzählung von Beispielen, anhand derer die Interessenlage künftig vom Steuerpflichtigen dargelegt werden kann (z.B. Entsendevertrag, Beschreibung der Tätigkeit des aufnehmenden Unternehmens, konkrete Tätigkeitsnachweise, Nachweis über die Höhe des Arbeitslohns vor der Entsendung, Zeitnachweise für Art und Umfang der Tätigkeit).
Bei einer Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen von nicht mehr als drei Monaten spricht eine widerlegbare Anscheinsvermutung dafür, dass das aufnehmende Unternehmen mangels Einbindung des Arbeitnehmenden nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Eine Entsendung ausschließlich zu Aus- oder Fortbildungszwecken erfolgt ebenfalls in der Regel im Interesse des entsendenden Unternehmens. Auch stellt die Finanzverwaltung fest, dass das aufnehmende Unternehmen grundsätzlich nicht wirtschaftlicher Arbeitgeber werde, wenn ein Arbeitnehmender im Rahmen einer Entsendung zur Erfüllung einer Lieferung- oder Werk-/Dienstleistungsverpflichtung des entsendenden Unternehmens beim verbundenen Unternehmen tätig werde und sein Arbeitslohn Preisbestandteil der Lieferung oder Werkleistung sei. Besonderheiten gelten für die Beurteilung des wirtschaftlichen Arbeitgebers bei Geschäftsführern oder sonstigen leitenden Angestellten.
Das BMF hat mit dem überarbeiteten Schreiben vom 12. Dezember 2023 zudem für jeden entsandten Mitarbeitenden neue Dokumentationspflichten festgelegt. So sind künftig die Interessenlage, die Höhe der weiterbelasteten Kosten wie auch die Aufteilung des Arbeitslohns zu dokumentieren. Zusätzlich muss das Unternehmen dem Arbeitnehmenden eine detaillierte Kostenübersicht aushändigen und die gesamte Kostenallokation nach Fremdvergleichsgrundsätzen unter Einbeziehung aller im Zusammenhang mit der Entsendung entstandenen Kosten (Einzel- und Gemeinkosten) bescheinigen. Die Aufschlüsselung hat nach Kosten zu erfolgen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gesamten Arbeitnehmertätigkeit im Entsendezeitraum stehen und den Gewinn des aufnehmenden oder des entsendenden Unternehmens gemindert haben, unabhängig davon, ob sie zum Lohn des Arbeitnehmers gehören und ob sie im Zusammenhang mit der Auslandstätigkeit selbst stehen.
Selbst wenn eine Eingliederung in das aufnehmende Unternehmen verneint wird und das aufnehmende Unternehmen nicht wirtschaftlicher Arbeitgeber wird, ist nach Auffassung des BMF die zusätzliche Dokumentation zu erstellen und als Negativbeweis bereitzuhalten.
Die neue Verwaltungsauffassung ist ab sofort und für alle noch offenen Fälle anzuwenden. Es sollte daher geprüft werden, ob die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers und den erweiterten Dokumentationspflichten Anpassungsbedarf im Unternehmen auslösen. Falls Sie Unterstützung oder Beratung bei der Identifizierung des wirtschaftlichen Arbeitgebers oder der Umsetzung der neu eingeführten Dokumentationspflichten benötigen, kommen Sie gern auf uns zu.
Fundstelle
BMF-Schreiben vom 12.12.2023, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005