BMF: Homeoffice ertragsteuerliche Betriebsstätte des Arbeitgebers
Im Zuge der modernen Arbeitswelt und durch die Corona-Pandemie wurde das Homeoffice zu einer festen Konstante im Berufsleben und wirft insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext neue Fragestellungen auf. Nach den §§ 12 und 13 Abgabenordnung (AO) kann die Homeoffice-Tätigkeit im Inland eine ertragsteuerliche Betriebsstätte bzw. einen ständigen Vertreter und somit eine beschränkte Steuerpflicht inklusive weiterer Compliance-Verpflichtungen begründen. Besteht zwischen Deutschland und dem Ausland ein Doppelbesteuerungsabkommen, ist zudem die abkommensrechtliche Definition einschlägig. Es ist allerdings zu beachten, dass die abkommensrechtliche Auslegung nicht zwingend mit den §§ 12, 13 AO bzw. den lokalen länderspezifischen Auslegungen identisch sein muss. Sowohl § 12 Satz 1 AO als auch Art. 5 Abs. 1 OECD-MA haben neben ihrem ähnlichen Wortlaut gemein, dass sie eine hinreichende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die feste Geschäftseinrichtung (hier das Homeoffice) voraussetzen.
Update des Anwendungserlass zur Abgabenordung (AEAO)
In seiner ständigen Rechtsprechung lehnte der Bundesfinanzhof (BFH) bisher das Homeoffice von Arbeitnehmenden als feste Geschäftseinrichtungs-Betriebsstätte des Arbeitgebers im Sinne des § 12 Satz 1 AO regelmäßig mit der Begründung ab, dass Letzterer eben keine hinreichende Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten der Arbeitnehmenden innehabe. Nur in einigen wenigen Ausnahmefällen bejahte der BFH eine hinreichende Verfügungsmacht.
Aus OECD-Sicht kann eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers abgeleitet werden, wenn das Homeoffice kontinuierlich genutzt wird und aus den Tatsachen und Umständen hervorgeht, dass das Unternehmen verlangt, dieses zu nutzen (beispielsweise durch fehlende Bereitstellung eines alternativen Arbeitsplatzes), vgl. OECD-Musterkommentar 2017 zu Art. 5, Textziffer 18.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2024 zur Änderung der AEAO nimmt nun auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erstmals Stellung zum § 12 AO und Art. 5 Abs. 1 OECD-MA mit Blick auf das Homeoffice. Demnach soll die Tätigkeit von Arbeitnehmenden aus dem Homeoffice heraus mangels hinreichender Verfügungsmacht regelmäßig keine Betriebsstätte begründen. Dies solle auch gelten bei:
- Der Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber.
- Dem Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber (als Vermieter); Ausnahme: Der Arbeitgeber ist tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen.
- Fällen, in denen Arbeitnehmenden kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.
Dies will die Finanzverwaltung offenbar nur für „einfache“ Angestelltenverhältnisse gelten lassen. Liegt nämlich eine Leitungsfunktion vor, so könne diese dem Unternehmen eine Verfügungsmacht vermitteln. Dabei versäumt das BMF jedoch, zu definieren, wann Arbeitnehmende eine Leitungsfunktion innehaben.
Auf das Kriterium der Verfügungsmacht ist nur abzustellen, wenn eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 Nr. 1 AO bereits verneint werden kann. Eine solche liegt vor, wenn der Ort (beispielsweise ein häusliches Arbeitszimmer) den Mittelpunkt der Geschäftsleitung (§ 10 AO) darstellt. Eine Verfügungsmacht verlangt die Geschäftsleitungsbetriebsstätte grundsätzlich nicht. Es ist zu beachten, dass diese darüber hinaus eine unbeschränkte Körperschaftssteuerpflicht des Unternehmens im anderen Staat begründen kann.
Fazit
Für Zwecke der Rechtssicherheit sind die Ausführungen des BMF weitgehend begrüßenswert – zumindest aus deutscher Sicht und somit für alle Inbound-Fälle. Bei Outbound-Fällen hingegen gilt weiterhin, Qualifikationskonflikte frühzeitig zu identifizieren, um etwaige Doppelbesteuerungsrisiken zu vermeiden. Denn während Deutschland weiterhin hohe Anforderungen an die Verfügungsmacht stellt und ggf. dann die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte ablehnt, genügt in einigen Ländern bereits eine faktische Verfügungsmacht für die Begründung einer Betriebsstätte.
Vorsicht ist zudem geboten bei Angestellten mit Vertretungsvollmacht bzw. Zeichnungsberechtigungen und bei solchen, die regelmäßig eine aktive Rolle bei Vertragsverhandlungen einnehmen (bspw. im Vertrieb). Ähnlich wie bei der Geschäftsleitungsbetriebsstätte setzt ein ständiger Vertreter nach § 13 AO bzw. die Vertreterbetriebsstätte nach. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA keine Verfügungsmacht über etwaige Räumlichkeiten voraus.
Betroffene Normen
§§ 12, 13 AO
Fundstelle
BMF, Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)