Einkommensteuer-Nachzahlung bei Nettolohnvereinbarungen – Kommentar des BFH-Urteils vom 03.09.2015
Sachverhalt
Die Kläger sind japanische Staatsangehörige. Der Kläger war seit dem Jahr 2004 auf Basis einer Entsendungsvereinbarung als Angestellter in Deutschland tätig. Die auf den Nettolohn entfallenden Steuern wurden gemäß einer Nettolohnvereinbarung von der Arbeitgeberin bezahlt.
Im Streitjahr 2008 erklärte der Kläger in der Einkommensteuererklärung einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 258.352 Euro. Dieser setzte sich aus einem Bruttoarbeitslohn laut Lohnsteuerkarte von 280.057 Euro und einem steuerpflichtigen Arbeitslohn ohne Steuerabzug von - 21.705 Euro zusammen. Der letztgenannte Betrag bestand aus einer Einkommensteuererstattung für die Jahre 2005 bis 2007 in Höhe von 22.924,89 Euro und einer von der Arbeitgeberin im Streitjahr 2008 getätigten Einkommensteuernachzahlung für 2004 von 1.219,58 Euro.
Das Finanzamt rechnete die Nachzahlung auf einen Bruttobetrag von 2.189 Euro hoch und setzte die Einkommensteuer der Kläger unter Berücksichtigung eines Bruttoarbeitslohns von 259.321 Euro [280.057 Euro (Bruttoarbeitslohn laut Lohnsteuerkarte) – 22.924,89 Euro (Einkommensteuererstattung für die Jahre 2005 bis 2007) + 1.219,58 Euro (Nettobetrag der Nachzahlung) + 970 Euro (Hochrechnung auf einen Bruttobetrag)] fest.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage des japanischen Arbeitnehmers statt und bekräftigte, dass der Arbeitslohn nur in Höhe des Nettobetrages von 1.219,58 Euro zu erhöhen sei. Bei einer Nettolohnvereinbarung sei es nicht zulässig, auf die vom Arbeitgeber getragene Lohnsteuer nochmals Steuer zu berechnen, da diese bereits Teil des Bruttolohns sei. Das Finanzamt beantragte daraufhin die Aufhebung dieses Urteils durch den BFH.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf auf und bestätigte damit das Vorgehen des Finanzamts. Die vom Arbeitgeber geleistete Nachzahlung zur Einkommensteuer stellt einen steuerpflichtigen Nettoarbeitslohn dar. Dieser ist auf einen Bruttobetrag hochzurechnen und kommt dem Arbeitnehmer als sonstiger Bezug im Zeitpunkt der Tilgung, also im Streitjahr 2008, zugute (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Die Entscheidungsgründe sind wie folgt:
- Durch die Übernahme der privaten Einkommensteuernachzahlung wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeitslohn gem. §19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu, da dieser geldwerte Vorteil dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Beschäftigung ermöglicht wird. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich in seiner Steuererklärung den Bruttolohn und nicht den Nettolohn anzugeben. Denn auch bei einer Nettolohnvereinbarung bleibt der Arbeitnehmer im Außenverhältnis zum Finanzamt der Steuerschuldner (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG).
- Die Hochrechnung führt auch zu keiner höheren als vertraglich vereinbarten Ausschüttung an Arbeitslohn von Seiten der Arbeitgeberin an den Arbeitnehmer, da die Arbeitgeberin sich durch die Nettolohnvereinbarung zu einer Auszahlung des gleichbleibenden Monatsnettolohns verpflichtet hatte.
- Es ist außerdem irrelevant, dass es sich bei der privaten Schuld um eine Einkommensteuerschuld handelte. Denn aus dem Regelfall der Nettolohnvereinbarung lässt es sich ableiten, dass Einkommensteuer auf Einkommensteuer zu entrichten ist.
- Die Tatsache, dass die Nachzahlung eine Einkommensteuererstattung teilweise rückgängig machte, hat keine Auswirkungen auf den Sachverhalt. Diese beiden Zahlungen stellen keinen vergleichbaren Sachverhalt dar und müssen daher separat untersucht werden (kein generelles Korrespondenzprinzip).
Die Einkommensteuernachzahlung erhöht demzufolge den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn im Jahr 2008 (Zeitpunkt der Tilgung) nicht um den Nettobetrag von 1.219 Euro, sondern um einen hochgerechneten Bruttobetrag in Höhe von 2.189 Euro.
Betroffene Norm
§ 11 Abs. 1 Satz 4
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG
Anmerkungen
Die Rechtsauslegung des BFH entspricht der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung. Es ist davon auszugehen, dass das Urteil im Bundessteuerblatt amtlich veröffentlicht wird.
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2013, 13 K 2184/12 E
Fundstelle
BFH, Urteil vom 03.09.2015, VI R 1/14 (BFH/NV 2016 110)
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