BFH: Besteuerungsrecht nach DBA-Schweiz in der Freistellungsphase eines Arbeitsverhältnisses
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 1. August 2024 entschieden, dass das Arbeitsentgelt für einen in Deutschland ansässigen Arbeitnehmenden von seinem Schweizer Arbeitgeber für die Phase einer unwiderruflichen Freistellung im Ansässigkeitsstaat Deutschland zu versteuern ist.
Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es um einen Außendienstmitarbeiter mit ausschließlichem Wohnsitz in Deutschland, der bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt war und im April 2016 gekündigt wurde. Der Arbeitgeber stellte den Mitarbeiter unwiderruflich während der Kündigungsfrist von der Arbeit frei, wobei der
Mitarbeiter weiterhin sein Gehalt sowie eine Abfindung erhielt.
Die Streitfrage war, in welchem Land der Lohn während der Freistellung zu versteuern ist, insbesondere da der Mitarbeiter vor der Freistellungsphase sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz tätig war. Das Finanzamt hatte zunächst den deutschen Besteuerungsanspruch geltend gemacht, während der Mitarbeiter eine Besteuerung in der Schweiz anstrebte.
Entscheidung
Letztendlich entschied der BFH, dass für die Zeit der Arbeitsfreistellung der Arbeitslohn in Deutschland zu versteuern ist, da der Mitarbeiter in dieser Zeit keine Tätigkeit in der Schweiz ausübte.
Zahlungen während der Arbeitsfreistellung wurden als Teil eines weiterhin bestehenden Arbeitsverhältnisses betrachtet, jedoch ohne tatsächliche Arbeitsleistung. Die Freistellung bedeutete, dass der Mitarbeiter keine Verpflichtung mehr hatte, für den Arbeitgeber tätig zu sein, was zu einer fehlenden Verbindung zwischen dem Arbeitslohn und der Schweiz als Tätigkeitsort führte. Daher verbleibt das Besteuerungsrecht in Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Mitarbeiters.
Anmerkung
Das BFH-Urteil vom 1. August 2024 bestätigt die Ansicht der Finanzverwaltung, dass das Besteuerungsrecht im Falle einer unwiderruflichen Arbeitsfreistellung dem Ansässigkeitsstaat im Zeitpunkt der Freistellung zusteht (siehe Tz. 362 des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2023 zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen).
Allerdings widerspricht dies der Ansicht des OECD-Musterabkommens, das in solchen Fällen den Arbeitslohn dem Land zuweist, in dem die Arbeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Diese unterschiedliche Auslegung zwischen deutscher Rechtsauffassung und Ländern, die der Auffassung des OECD-Musterabkommens folgen, birgt die Gefahr potenzieller Doppel- bzw. Nichtbesteuerungen. Der deutsche Gesetzgeber hat daher das Einkommensteuergesetz im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 durch den neu eingefügten § 50d Abs. 15 Einkommensteuergesetz (EStG) an die Regelung des OECD-Musterkommentars angepasst, sodass zukünftig Arbeitslohn, den ein von der Tätigkeit freigestellter Arbeitnehmender für die Zeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, auch aus deutscher Sicht grundsätzlich in dem Staat zu besteuern ist, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre.