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31.03.2011
Thema des Monats

Das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Großbritannien

Mit unserem Artikel vom 17.05.2010 hatten wir Sie bereits über das neue Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), das Deutschland mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland am 30.03.2010 unterzeichnet hatte, sowie seine für die Entsendepraxis wesentlichen Änderungen zum bisherigen DBA informiert.

Das neue DBA ist zum 30.12.2010 in Kraft getreten. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang jedoch dessen unterschiedlichen Anwendungszeitpunkte: in Deutschland ist dieses ab dem 01.01.2011, in Großbritannien ist es grundsätzlich ab dem 06.04.2011, d.h. mit Beginn des britischen Steuerjahres 2011/2012, anzuwenden (Art. 32 DBA).

Mit diesem Beitrag möchten wir Sie detailliert über die Auswirkungen des neuen Doppelbesteuerungsabkommens informieren, die sich für Ihre Entsendepraxis ergeben können.

1. Zuweisung des Besteuerungsrechtes für Arbeitslohn (Art. 14)

Grundsätzlich steht das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Staat zu, in dem der Arbeitnehmer (abkommensrechtlich) ansässig ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seines Ansässigkeitsstaates tätig wird, da dann das DBA grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den entsprechenden Arbeitslohn zuweist.

In dem Fall, dass die folgenden drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, wird jedoch das Besteuerungsrecht für den erzielten Arbeitslohn an den Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zurückverwiesen.

  • Der Arbeitnehmer darf sich im Tätigkeitsstaat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endetaufhalten und
  • Die Vergütungen dürfen nicht von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der im Tätigkeitsstaat ansässig ist und
  • Die Vergütungen dürfen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.

Ist demnach der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seines Ansässigkeitssaates tätig geworden ist, darf der Ansässigkeitsstaat die entsprechenden Einkünfte einer Besteuerung zuführen, sofern diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.

In diesem Zusammenhang ist auf eine wesentliche Änderung des neuen DBA zu beachten, nämlich die Definition des Zeitraumes, der bei der sog. 183-Tage-Regel zu Grunde zu legen ist. Nach den bisherigen Regelungen war das Steuerjahr des jeweiligen Tätigkeitsstaates für die Beurteilung der 183-Tage-Regelung ausschlaggebend.

So war beispielsweise bei einem in Deutschland (abkommensrechtlich) ansässigen Arbeitnehmer zu prüfen, ob er sich innerhalb des britischen Steuerjahres (06.04.-05.04. des Folgejahres) an mehr als 183 Tagen im Vereinigten Königreich aufgehalten hat, um das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der auf britische Arbeitstage innerhalb des britischen Steuerjahres entfiel, einem der beiden Staaten zuweisen zu können. In Anlehnung an das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) ist nun im neuen DBA ein 12-Monats-Zeitraum, der während des betreffenden Steuerjahres des Tätigkeitsstaates beginnt oder endet, für die Beurteilung der sogenannten 183-Tage-Regelung verankert worden.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die in Deutschland und Großbritannien abweichenden Anwendungszeitpunkte des neuen DBA ggfs. zu einer Doppelbesteuerung des Arbeitslohnes in beiden Staaten führen könnte. Dieser Frage sind wir anhand des folgenden Beispiels nachgegangen:

Beispiel:
James wurde von seinem britischen Arbeitgeber nach Deutschland entsendet und bewohnt in der Nähe seines deutschen Arbeitsortes ein kleines Apartment, seine Familie ist jedoch in Großbritannien geblieben. Die Entsendung endet zum 31.03.2011. Die Gehaltskosten werden wirtschaftlich von seinem in Großbritannien ansässigen Arbeitgeber getragen. James hält sich wie folgt in Deutschland auf:

01.01.2010 – 31.12.2010: 250 Tage
01.01.2011 – 31.03.2011: 50 Tage

Sowohl nach den Regelungen des neuen als auch des alten DBA ist James aufgrund des Doppelwohnsitzes und des Lebensmittelpunktes in Großbritannien als abkommensrechtlich in Großbritannien ansässig anzusehen.

Im Kalenderjahr 2010 ist sowohl aus deutscher als auch aus britischer Sicht das „alte“ DBA anzuwenden, so dass bei der Betrachtung der 183-Tage-Regel aus Sicht des Ansässigkeitsstaates Großbritannien auf das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates, d.h. Deutschland und damit entsprechend auf das Kalenderjahr abzustellen ist.

Hinsichtlich des deutschen Steuerjahres 2010 ergibt sich daher ein Besteuerungsrecht Deutschlands für den Arbeitslohn, der auf seine deutschen Arbeitstage entfällt, da sich James im Jahr 2010 an mehr als 183 Tagen in Deutschland aufgehalten hat.

Für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 05.04.2011, also dem Zeitraum der abweichenden Anwendung des neuen DBA, ist nun Folgendes zu beachten: Aus deutscher Sicht erhält Deutschland das Besteuerungsrecht für das Gehalt, das auf James‘ deutsche Arbeitstage in diesem Zeitraum entfällt, da sich James in einem Zwölfmonatszeitraum (z.B. 06.04.2010 – 05.04.2011) an mehr als 183 Tagen in Deutschland aufgehalten hat.

Da Großbritannien für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 05.04.2011 abweichend von Deutschland noch das „alte“ DBA zugrunde legt, erhält aus britischer Sicht Großbritannien das Besteuerungsrecht für das Gehalt, welches auf Arbeitstage in Deutschland entfällt, da sich James im deutschen Steuerjahr 2011 an weniger als 183 Tagen in Deutschland aufhält. Aufgrund der Anwendung der Regelungen des „alten“ DBA durch Großbritannien könnte eine Doppelbesteuerung des im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 05.04.2011 erzielten Arbeitslohnes erfolgen.

Lösung:
Unsere britischen Kollegen sowie ein Vertreter der britischen Finanzverwaltung bestätigten uns bereits, dass eine solche eventuell bestehende Gefahr einer Doppelbesteuerung dahingehend gelöst werden wird, dass das primäre Besteuerungsrecht Deutschland zusteht, Großbritannien dann zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die deutschen Steuern, die auf diesen Arbeitslohn in Deutschland erhoben wurden, auf die britische Steuer angerechnet wird. Die abweichende Anwendung des neuen DBA wird daher im Ergebnis zu keiner Doppelbesteuerung führen.

2. Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23)

Wird nach den Zuteilungsnormen einem oder beiden der involvierten Staaten das Besteuerungsrecht für die jeweiligen Einkünfte zugewiesen, regelt der sogenannte Methodenartikel mittels welcher Methode (Anrechnungs- oder Freistellungsmethode) eine mögliche Doppelbesteuerung durch die Staaten zu vermeiden ist. Das neue DBA mit Großbritannien sieht dabei die folgenden Regelungen vor:

Bei einem in Deutschland (abkommensrechtlich) ansässigen Steuerpflichtigen ist nach dem neuen DBA eine Freistellung von Einkünften aus Großbritannien von der deutschen Besteuerung vorgesehen, wenn diese Einkünfte nach dem Abkommen tatsächlich in Großbritannien besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a)). Die entsprechend freigestellten Einkünfte werden nach den Regelungen des DBA und der deutschen steuerlichen Vorschriften jedoch bei der Ermittlung des anzuwendenden deutschen Steuersatzes erfasst (Progressionsvorbehalt).
Abweichend davon gilt jedoch beispielsweise für Dividenden, Veräußerungsgewinne sowie Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen folgendes: Bei einem in Deutschland (abkommensrechtlich) ansässigen Steuerpflichtigen wird eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung der gezahlten britischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vermieden, wobei die entsprechenden Regelungen des deutschen Einkommensteuergesetzes zur Anrechnung ausländischer Steuern zu beachten sind (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b)). Eine Anrechnung der gezahlten britischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer erfolgt somit dann, wenn nach den Regelungen des neuen DBA sowohl Großbritannien als auch Deutschland die entsprechenden Einkünfte besteuern dürfen und nach den jeweils nationalen steuerlichen Vorschriften auf diese Einkünfte auch tatsächlich Steuern gezahlt worden sind.

Entgegen der Regelung des „alten“ DBA ist es nunmehr nicht nur erforderlich, dass Großbritannien bestimmte Einkünfte nach dem DBA besteuern kann, vielmehr muss Großbritannien sein Besteuerungsrecht auch tatsächlich wahrnehmen. Die bisher geltende Einschränkung für Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, die nur dann von der Besteuerung in Deutschland freigestellt werden, wenn sie in Großbritannien tatsächlich steuerpflichtig waren bzw. besteuert wurden, wurde hierbei übernommen und auf weitere Einkünfte ausgedehnt.

Bei einem in Großbritannien (abkommensrechtlich) ansässigen Steuerpflichtigen wird eine Doppelbesteuerung regelmäßig durch Anrechnung der gezahlten deutschen Steuer auf die britische Einkommensteuer vermieden, wobei auch hier die entsprechenden Regelungen des britischen Einkommensteuergesetzes zur Anrechnung ausländischer Steuern zu beachten sind.

3. Remittance Base – Klausel (Art. 24)

Britisches Steuerrecht
Eine Besonderheit des britischen Steuerrechts ist, dass bestimmte Personen aufgrund ihres Steuerstatus (resident domiciled abroad oder not ordinarily resident) nur dann mit Einkünften der britischen Besteuerung unterliegen, wenn diese Einkünfte nach Großbritannien verbracht bzw. dort in Empfang genommen werden (sog. remittance base taxation). Einkünfte, die außerhalb Großbritanniens verbleiben, sind demnach nach britischem Steuerrecht nicht in Großbritannien steuerpflichtig.

Um die remittance base taxation in Großbritannien in Anspruch zu nehmen, muss ein Antrag gestellt sowie ein jährlicher Pauschalbetrag von GBP 30.000 gezahlt werden. Durch die remittance base taxation gehen dem Steuerpflichtigen allerdings Vergünstigungen, wie beispielsweise persönliche Freibeträge, verloren.

Als nach Großbritannien verbracht bzw. dort in Empfang genommen gilt u.a.:

  • Überweisung auf ein Bankkonto in Großbritannien 
  • Ausgaben in Großbritannien werden durch nicht-britische Kreditkarten gezahlt 
  • Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen in Großbritannien, die mit im Ausland erzielten Einkünften erworben wurden und nach Großbritannien verbracht wurden

Nicht als nach Großbritannien verbracht gilt der Pauschalbetrag von GBP 30.000, sofern dieser direkt von einem ausländischen Konto auf ein Konto der britischen Finanzbehörden übermittelt wird.

Abkommensrechtliche Behandlung 
Bereits das „alte“ DBA enthielt für solche Fälle eine remittance base-Klausel (Art. II Abs. 2). Bei Einkünften aus Deutschland, für die Großbritannien nach dem DBA zwar das Besteuerungsrecht zustand, die aber aufgrund der nationalen remittance base taxation tatsächlich nicht besteuert wurden, fiel regelmäßig das Besteuerungsrecht wieder an Deutschland als Quellenstaat zurück. Diese remittance base-Rückfallklausel kam in der Vergangenheit jedoch nur dann zur Anwendung, wenn bereits der jeweilige Zuteilungsartikel selbst eine eigene Rückfallklausel beinhaltete. Zudem galt diese Rückfallklausel nur für laufende Einkünfte, nicht aber z. B. für Veräußerungsgewinne.

Art. 24 des neuen DBA erweitert diese remittance base-Rückfallklausel dahingehend, dass diese nun auf alle laufenden Einkünfte und Gewinne (z.B. Veräußerungsgewinne) anzuwenden ist, da auch die allgemeine Rückfallklausel (als Grundlage der remittance base-Rückfallklausel) nun für alle Einkünfte eine tatsächliche Besteuerung in Großbritannien voraussetzt.

4. Abfindungen

Grundsätzlich sollte die zuvor erläuterte Remittance-Base Klausel in Art. 24 des neuen DBA auch auf Abfindungszahlungen Anwendung finden, die an eine in Großbritannien ansässige Person für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden. Grundlage hierfür ist jedoch, dass ein Besteuerungsrecht nach der britischen abkommensrechtlichen Sichtweise gegeben ist und, dass eine Besteuerung in Großbritannien nur unterbleibt, weil der Steuerpflichtige die begünstigende Remittance Base-Taxation wählt. In den meisten Fällen unterbleibt eine Besteuerung der Abfindung in Großbritannien jedoch aufgrund der britischen nationalen Sichtweise hinsichtlich derartiger Zahlungen: Sofern 75% der aktiven Tätigkeit, aufgrund dessen die Abfindungszahlung geleistet wird, ausgeübt wurden als der Empfänger nicht in Großbritannien ansässig war, so kann gemäß den nationalen Regelungen zum Foreign Service Relief grundsätzlich der gesamte Betrag von der Besteuerung in Großbritannien freigestellt werden. Derartige Gestaltungsmöglichkeiten sollten jedoch im Einzelfall detailliert geprüft werden.


Die Neufassung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien sowie Nordirland enthält umfangreiche Änderungen, die sich unter anderem auch auf die steuerliche Behandlung Ihrer entsandten Mitarbeiter auswirken werden. Wir stehen Ihnen und Ihren entsandten Arbeitnehmern in diesem Zusammenhang gern beratend zur Seite, sprechen Sie uns an!

Ansprechpartner

Peter Mosbach I Düsseldorf

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