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16.12.2024
Thema des Monats

DBA: Qualifikationskonflikte bei geschäftsführenden Tätigkeiten im Ausland

In internationalen Konzernen werden verstärkt Mitarbeitende in geschäftsführenden Positionen ins Ausland entsendet. Gründe hierfür sind z.B. unbesetzte Stellen, Ausscheiden der aktuellen Geschäftsführung oder Kontrolle durch die inländische Muttergesellschaft. 

​Einige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) enthalten separate Regelungen hinsichtlich des Besteuerungsrechts von Geschäftsführervergütungen (z.B. Art. 15 DBA-Niederlande, Art. 16 DBA-Österreich, Art. 16 DBA-Polen, Art. 16 DBA-Schweden). Diese Vorschriften weisen dem Staat, in dem die Gesellschaft sitzt, das alleinige Besteuerungsrecht zu, sofern die steuerpflichtige Person im anderen Staat abkommensrechtlich ansässig ist. Ist dagegen keine sog. Geschäftsführerklausel in dem jeweiligen DBA enthalten, verbleibt es bei den allgemeinen Allokationsregelungen des Art. 15 OECD-Musterabkommen (OECD-MA). Zu beachten ist dabei, dass in einigen DBAs bereits ausdrücklich die Tätigkeit als leitender Angestellter bzw. Prokurist unter den Anwendungsbereich der sog. Geschäftsführerklausel fällt (z.B. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz).

In der Praxis kommt es allerdings vor, dass einige Länder trotz fehlender Geschäftsführerklausel nicht Art. 15 OECD-MA, sondern Art. 16 OECD-MA anwenden. Art. 16 OCED-MA umfasst sog. Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen. Aufgrund unterschiedlicher Übersetzungen des Art. 16 OECD-MA werden in einigen Ländern hierunter nicht nur die Einkünfte eines überwachenden Organs, sondern auch die Einkünfte der Geschäftsführung subsumiert. Diese abweichende Interpretation hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 16 OECD-MA führt somit zu einem sog. Qualifikationskonflikt. Dies lässt sich am folgenden Beispiel verdeutlichen:

Eine angestellte Person des deutschen Headquarters soll für den deutschen Arbeitgeber für zwei Jahre zur tschechischen Tochtergesellschaft (Kapitalgesellschaft) entsendet, dort als geschäftsführende Person bestellt und während des Entsendezeitraums ausschließlich für die tschechische Gesellschaft tätig werden. Die Gehaltskosten werden vollumfänglich an die tschechische Gesellschaft weiterbelastet. Während der Entsendung verbleibt die abkommensrechtliche Ansässigkeit in Deutschland. Neben regelmäßigen Dienstreisen außerhalb von Deutschland und Tschechien werden auch vereinzelt Arbeitstage im Homeoffice in Deutschland ausgeübt.

Aus deutscher Perspektive ist Art. 15 Abs. 1 DBA-Tschechien anzuwenden, wonach der Arbeitslohn anhand der Arbeitstage aufzuteilen und anteilig in Deutschland und Tschechien zu versteuern ist:

  • ​Arbeitstage außerhalb Tschechiens sind im Ansässigkeitsstaat Deutschland steuerpflichtig.
  • Tschechische Arbeitstage sind dagegen aufgrund der Kostentragung in Tschechien zu versteuern und in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen.

Art. 16 DBA-Tschechien ist aus deutscher Sicht hingegen nicht anzuwenden, da sich diese Regelung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 16 DBA-Tschechien ausschließlich auf Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrats bezieht. Als Kontrollorgan der Gesellschaft besteht die Funktion des Aufsichtsrats vielmehr darin, die Geschäftsführung zu überwachen.

Die deutsche Sichtweise deckt sich jedoch nicht mit der tschechischen Interpretation des Art. 16 DBA-Tschechien. Nach Ansicht der tschechischen Finanzverwaltung soll auch bei geschäftsführenden Personen Art. 16 DBA-Tschechien Anwendung finden. Danach können Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, die eine in einem Vertragsstaat (Deutschland) ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht, die in dem anderen Vertragsstaat (Tschechien) ansässig ist, in dem anderen Vertragsstaat (Tschechien) besteuert werden. Dies würde bedeuten, dass unabhängig von der Ansässigkeit und dem Arbeitsort der Arbeitslohn des Geschäftsführers in vollem Umfang in Tschechien zu versteuern wäre. 

Aufgrund der abweichenden Interpretationen aus deutscher und tschechischer Sicht kommt es somit zu einer Doppelbesteuerung des auf Arbeitstage außerhalb Tschechiens entfallenden Arbeitslohns. Eine Doppelbesteuerung kann nur durch Einleitung eines Verständigungsverfahrens gelöst werden.

Neben dem aufgeführten Beispiel für eine in Tschechien tätige geschäftsführende Person kann es in Einzelfällen aber auch bei anderen Ländern wie Polen, Kanada, Slowenien oder Großbritannien zu abweichenden Auslegungen kommen. Vereinzelt existieren für die Qualifikationsprobleme Sonderregelungen (siehe z.B. die Verfügung der OFD Münster vom 22. März 2010 für Polen).​

Fazit

​Bei der Bestellung von Mitarbeitenden als Geschäftsführer im Ausland sollte im Vorhinein geprüft werden, ob das einschlägige DBA eine sog. Geschäftsführerklausel vorsieht und diese zur Anwendung kommt. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt es sich – um eine Doppelbesteuerung bzw. ein langjähriges Verständigungsverfahren zu vermeiden –, eine korrespondierende Besteuerung mit dem jeweiligen Ausland abzustimmen.

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