Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/arbeitnehmerentsendung-personal/steuerrecht/bfh---kein-veranlagungswahlrecht-fuer-lohneinkuenfte-eines-beschraenkt-steuerpflichtigen-us-amerikaners.html
15.06.2021
Steuerrecht

BFH: Kein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners

 Einem in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen US-amerikanischen Staatsangehörigen steht das
Veranlagungswahlrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch dann nicht zu, wenn er in einem EU- /EWR-Staat wohnt.

Sachverhalt

Der Kläger ist Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Streitjahr 2012 hatte er seinen einzigen Wohnsitz in den Niederlanden. In Deutschland hatte der Kläger weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber des Klägers führte Lohnsteuer auf diese Einkünfte an das deutsche Finanzamt ab.
Der Steuerpflichtige beantragte daraufhin die Durchführung einer Veranlagung für beschränkt steuerpflichtige Personen beim Finanzamt. Darin erklärte er Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen und Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab. Die Antragsveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG finde unter Berücksichtigung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG keine Anwendung, da der Steuerpflichtige weder Angehöriger eines Mitgliedstaats der EU noch eines anderen Staats sei, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung finde, so die Begründung des Finanzamts.

Der Steuerpflichtige bekräftigte seinen Antrag auf Durchführung einer Veranlagung für beschränkt steuerpflichtige Personen hingegen unter Verweis auf das Gleichbehandlungsgebot (= Diskriminierungsverbot) des Art. 24 Abs. 1 DBA Deutschland/USA. Das FG hat die Klage jedoch als unbegründet abgewiesen. Der Kläger beantragt daraufhin die Aufhebung des FG-Urteils und des Ablehnungsbescheids durch Revision beim BFH mit dem Ziel, als beschränkt steuerpflichtig zur deutschen Einkommensteuer veranlagt zu werden.

Entscheidung

Der BFH folgt der Auffassung des FG, dass der Kläger mit seinen Lohneinkünften nicht auf Antrag zur Einkommensteuer zu veranlagen ist und dass der Lohnsteuerabzug abgeltende Wirkung hat.

Unstrittig unterliegt der Steuerpflichtige, mangels Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, nur mit seinen Einkünften aus im Inland verrichteter nichtselbständiger Tätigkeit einer beschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland. Grundsätzlich gilt die Einkommensteuer u.a. für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. § 50 Abs. 2 Satz 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG eröffnet Steuerpflichtigen die Möglichkeit die Veranlagung zur Einkommensteuer als beschränkt steuerpflichtige Person zu beantragen. Die Anwendungsmöglichkeit wird jedoch durch § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG auf Staatsangehörige eines EU-/EWR-Staates, die darüber hinaus im Hoheitsgebiet eines dieser EU-/EWR-Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, eingeschränkt. Der Kläger als Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Tatsache, dass er in einem EU-Staat (Niederlande) wohnt, reicht in diesem Zusammenhang für die Anwendbarkeit der Antragsveranlagung nicht aus.

Der Steuerpflicht beruft sich dennoch auf Art. 24 Abs. 1 DBA Deutschland/USA. Dieser Artikel sieht vor, dass Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden dürfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können. Diese Bestimmung gilt auch für Personen, die weder in Deutschland noch den USA ansässig sind. Ein Anspruch des Klägers auf Veranlagung wie ein beschränkt steuerpflichtiger deutscher Staatsangehöriger, der als EU-Staatsbürger grundsätzlich zum privilegierten Personenkreis des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG gehört, lässt sich daraus nach Auffassung des BFH jedoch nicht ableiten.

Die Ablehnung beruht vor allem darauf, dass die Voraussetzungen des Art. 24 Abs.1 DBA Deutschland/USA nicht erfüllt sind. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit liegt zwar grundsätzlich vor, denn ein deutscher Staatsbürger könnte als EU-Staatsbürger von der Regelung Gebrauch machen, es mangelt jedoch an den vorausgesetzten „gleichen Verhältnissen“. Die Eröffnung des Veranlagungswahlrechts für beschränkt Steuerpflichtige durch Deutschland ist einzig der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit geschuldet und ausgehend vom EuGH Urteil Schumacker eingeführt worden. Vor Einführung dieser Regelung bestand auch für beschränkt steuerpflichtige deutsche Staatsangehörige mit inländischen Lohneinkünften kein Recht auf Veranlagung zur Einkommensteuer. Der Umstand, dass die Einführung des Veranlagungswahlrechts für beschränkt steuerpflichtige Lohnempfänger auf einer unionsrechtlichen Verpflichtung Deutschlands beruht und der Kläger – anders als ein in Deutschland beschränkt steuerpflichtiger deutscher Staatsangehöriger – nicht in den Schutzbereich der unionsrechtlichen Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit fällt, ist im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA Deutschland/USA zu berücksichtigen. Es liegen demnach keine „gleichen Verhältnisse“ vor und somit auch keine Diskriminierung eines US-Staatsbürgers, so dass eine Anwendung von § 50 Abs. 2 Satz. 2 Nr. 4 Buchst. b EStG i.V.m. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG durch Art. 24 Abs. 1 DBA Deutschland/USA nicht in Frage kommt.
Der Gesetzgeber ist unter dem Aspekt der Gleichbehandlung nicht gehalten, bei der Verankerung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten im nationalen Recht über die Vorgaben des Unionsrechts hinauszugehen und die in den Grundfreiheiten wurzelnden steuerlichen Begünstigungen auf Personen auszudehnen, die nicht in den Schutzbereich der jeweiligen Grundfreiheit fallen. Das Unionsrecht bietet somit im Fall des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG einen hinreichenden sachlichen Grund für die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit.

Die Entscheidung beruht im Übrigen nicht darauf, dass § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG eine abkommensdurchbrechende Wirkung (sog. „Treaty override“) im Hinblick auf das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot hat. Grundsätzlich gehen gem. § 2 Abs. 1 AO völkerrechtliche Verträge wie DBA Steuergesetzen vor, sofern sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind. Die abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes kann hingegen nach Aussage des BFH nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist. Eine solcher Wortlaut ergibt sich nicht aus § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG. Es ist jedoch nach Auffassung des BFH nicht zweifelsfrei auszuschließen, dass der Ausschluss von Staatsbürgern aus Drittstaaten auch solche Staatsbürger umfasst, bei denen sich Deutschland im Rahmen eines DBA zu einer Gleichbehandlung verpflichtet.

Der Argumentation des FG, dass das Veranlagungswahlrecht (eingeführt mit dem JStG 1996) als „jüngere“ und speziellere Regelung den Art. 24 DBA Deutschland/USA (1989/2008) verdränge, folgt der BFH dementsprechend nicht. Eine Rangfolge zwischen Normen des innerstaatlichen Steuerrechts und des Abkommensrechts kann daher nicht allein an der zeitlichen Reihenfolge ihres jeweiligen Inkrafttretens festgemacht werden.

Abschließend verweist der BFH darauf, dass auch kein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vorliegt, da Werbungskosten, Sonderausgaben und sonstige Ausgaben grundsätzlich durch die Geltendmachung entsprechender Lohnsteuerfreibeträge vom Lohnsteuerabzug ausgenommen werden können.

Betroffene Norm

§§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b, Abs. 2 Satz 7 EStG
Art. 24 Abs. 1 DBA Deutschland/USA
§ 2 AO

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.06.2016 – 6 K 1213/14, DStRE 2018, 133

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.09.2020, I R 80/16.

Ihr Ansprechpartner

Christian Röpke
Director

croepke@deloitte.de
Tel.: (040) 32080-4901

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.