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20.08.2014
Steuerrecht

DBA Schweiz – überdachende Besteuerung im Fokus

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz beinhaltet für die Entsendepraxis einige Sonderreglungen, die es zu beachten gilt. Neben Regelungen für Grenzgänger, Abwanderer und Leitende Angestellte ist auch die sogenannte „überdachende Besteuerung“ zu beachten, die im Folgenden beleuchtet werden soll.

Die meisten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, auch Doppelbesteuerungsabkommen (kurz: DBA) genannt, sind entsprechend des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen ausgestaltet. Grundsätzlich weisen Abkommen dieser Art dem Ansässigkeitsstaat das primäre Besteuerungsrecht zu, es sei denn, dieses wird durch das DBA eingeschränkt. In dem Fall erhält der Quellenstaat das Besteuerungsrecht für Einkünfte die aus diesem Staat stammen. Neben zahlreichen weiteren Abweichungen vom OECD-Musterabkommen im DBA Deutschland/Schweiz, bildet auch der Art. 4 Abs. 3 des DBA Deutschland/Schweiz eine Ausnahme von der Regel.

Der Artikel 4 Abs. 3 DBA Deutschland/Schweiz beinhaltet die sogenannte „überdachende Besteuerung“. Erfasst werden alle natürlichen Personen, die sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind und die nach dem DBA als steuerlich ansässig in der Schweiz gelten. Diese Personen können trotz der abkommensrechtlichen Ansässigkeit in der Schweiz zunächst in Deutschland so behandelt werden, als sei Deutschland der Ansässigkeitsstaat (fiktive Ansässigkeit in Deutschland). Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA Deutschland/Schweiz (siehe Tax-News Artikel zu Art. 15a DBA Deutschland/Schweiz) werden von dieser Regelung nicht erfasst, da diese Personen in der Regel nur in einem der beiden Staaten einen Wohnsitz innehaben.

Ziel dieser Vorschrift ist, dass vermieden werden soll, dass eine natürliche Person einen Doppelwohnsitz in der Schweiz und in Deutschland begründet, um in den Genuss möglichst vieler Vorteile zu gelangen, die sich für den Steuerpflichtigen aus dem Steuergefälle zwischen den beiden Wohnsitzstaaten ergeben könnte. Es findet also eine einseitige Begünstigung Deutschlands statt, da die Anwendung dieses Artikels auf das Besteuerungsverfahren in der Schweiz keinen Einfluss hat, sondern lediglich Deutschland zusätzliche Besteuerungsmöglichkeiten offenbart.


Ständige Wohnstätte

Voraussetzung für die überdachende Besteuerung ist die sogenannte „qualifizierte“ unbeschränkte Steuerpflicht. Diese setzt in Deutschland eine ständige Wohnstätte oder einen gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens 6 Monaten im Kalenderjahr voraus. Der Begriff der ständigen Wohnstätte ist hierbei enger definiert als der des einfachen Wohnsitzes gem. § 8 AO. Es handelt sich um alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind, über die der Steuerpflichtige ständig verfügen kann und die er regelmäßig nutzt. Das Merkmal „ständig“ setzt voraus, dass die Wohnstätte jederzeit und nicht nur gelegentlich zur Verfügung steht. Dies bezieht sich jedoch nur auf die Verfügbarkeit und nicht auf die Dauer der tatsächlichen Nutzung. Eine Abgrenzung zwischen „ständiger“ und „befristeter“ Wohnstätte findet in der Literatur regelmäßig bei einer Nutzungsabsicht von mehr als 12 Monaten statt.

Ebenso vertreten auch wir die Auffassung, dass bei einer natürlichen Person, die in der Schweiz ansässig ist und die für einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten eine Wohnung in Deutschland innehat, welche zum Wohnen geeignet ist und auch regelmäßig genutzt wird, davon auszugehen, dass eine ständige Wohnstätte vorliegt und entsprechend die überdachende Besteuerung anzuwenden ist. Bei einem Zeitraum von unter 12 Monaten sind die genaueren Umstände fallbezogen zu prüfen.

Erst wenn die Voraussetzungen des Innehabens einer ständigen Wohnstätte nicht erfüllt sind, ist zu prüfen, ob in Deutschland ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt. Dieser ist nach abkommensrechtlicher Auslegung genau dann zu bejahen, wenn sich der Steuerpflichtige pro Kalenderjahr an mehr als 183 Tage in Deutschland aufhält.


Vermeidung der Doppelbesteuerung

Sind die Voraussetzungen für die Anwendung der überdachenden Besteuerung erfüllt, darf die Bundesrepublik Deutschland alle Einkünfte besteuern, als wäre sie Ansässigkeitsstaat. Dementsprechend werden zunächst alle Einkünfte in die Veranlagung einbezogen.

Nachfolgend ist zu prüfen, ob die durch die Einbeziehung der Einkünfte entstehende Doppelbesteuerung nach der Freistellungs- oder der Anrechnungsmethode vermieden wird. Dies ist abhängig von der Art und der Herkunft der Einkünfte. Die in der Regel günstigere Freistellungsmethode trifft unter anderem für die nachfolgenden Einkünfte zu:

• Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit
• Gehälter/ Löhne für eine Tätigkeit, die in der Schweiz ausgeübt wird
• Gehälter leitender Angestellter, unabhängig von dem Ort der Arbeitsausübung (dazu siehe Deloitte Tax-News Artikel zu Art. 15 Abs. 4 DBA Deutschland/Schweiz).

Alle Einkünfte, die nicht unter die Freistellungsmethode fallen, insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen und nichtselbstständiger Arbeit, welche nicht in der Schweiz ausgeübt wird, sind in Deutschland steuerpflichtig. Die ausländische Steuer ist dabei in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern berücksichtigungsfähig.

Die Konsequenz dieser Vorschrift ist also, dass der anzuwendende Steuersatz für die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte auf das deutsche Niveau angehoben wird.


Ein Beispiel zur Verdeutlichung der Vorgehensweise:

Ein in der Schweiz angestellter und ansässiger Arbeitnehmer (kein leitender Angestellter i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DBA) wird auf Dienstreise-Basis für einen Zeitraum von eineinhalb Jahren von Zürich nach Köln entsendet. Er begründet zu diesem Zweck eine ständige Wohnstätte in Köln und fährt jede Woche dienstags morgens nach Köln und donnerstags abends wieder zurück nach Zürich um an diesen drei Tagen in Deutschland zu arbeiten. Montags und freitags arbeitet er in Zürich. An 6 Tagen im Kalenderjahr übt der Steuerpflichtige seine Arbeit ferner in Drittstaaten aus. Seinen Urlaub und die Feiertage verbringt er außerhalb Deutschlands. Er erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehalt) und aus Kapitalvermögen (Zinsen aus Sparkonten und Dividenden, jeweils bezogen von Konten/ Depots in der Schweiz).

Nach den gängigen Regeln des Doppelbesteuerungsabkommens Schweiz/ Deutschlands hat Deutschland in dieser Konstellation kein Besteuerungsrecht für die Arbeitseinkünfte des Steuerpflichtigen, da:

• der Arbeitnehmer nicht in Deutschland ansässig ist,
• er sich nicht mehr als 183 Tage im Kalenderjahr im Inland aufhält,
• die deutsche Gesellschaft in der Regel nicht als Arbeitgeber zu betrachten ist
• der Arbeitnehmer im Inland keine Betriebsstätte begründet.

Ferner hat die Bundesrepublik kein Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, da grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat.

Allerdings ist in diesem Fall Art. 4 Abs. 3 DBA Deutschland/Schweiz anzuwenden, sodass der Steuerpflichtige eine fiktive Ansässigkeit in Deutschland begründet und nach den Vorschriften der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zu besteuern ist. Lediglich das Gehalt, welches auf seine Arbeitstage in der Schweiz entfällt, ist von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Entsprechend ist 3/5 seines Gehaltes (entsprechend der Arbeitstage in Deutschland und Drittstaaten) in Deutschland steuerpflichtig und der verbleibende Anteil in Deutschland lediglich unter Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.

Da sein Gehalt gemäß DBA Schweiz in vollem Umfang in der Schweiz der Besteuerung unterliegt, ist zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Schweizer Steuer, die auf das anteilige Gehalt für die Arbeitstage in Deutschland und Drittstaaten entfällt, in Deutschland anrechenbar (3/5 der Schweizer Steuer gem. § 34c EStG).

Seine Einkünfte aus Kapitalvermögen sind aufgrund der fiktiven Ansässigkeit in Deutschland ebenfalls steuerpflichtig. Die Schweizer Steuer ist hierbei ebenfalls anrechenbar, allerdings aufgrund der Sondervorschrift § 32d EStG maximal mit 25 % der kompletten Einkünfte.

Abhängig von der Besteuerung in der Schweiz kann es aus diesem Grund in Deutschland zu Einkommensteuernachzahlungen kommen, auf die man sich frühzeitig vorbereiten sollte. Denn häufig wähnen sich Steuerpflichtige in dieser Konstellation sicher, nur die – zumeist günstigere – Steuerbelastung in der Schweiz tragen zum müssen.
 

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