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17.12.2019
Steuerrecht

Neuer Pflichtveranlagungstatbestand für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit außerordentlichen Einkünften ab 2020

Hintergrund

Die Einkommensteuer eines beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers gilt grundsätzlich gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG als mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten. Lediglich in den in § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG abschließend genannten Fällen erfolgt eine Veranlagung zur Einkommensteuer. Dies betraf bisher lediglich Fälle, in denen ein Freibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildet wurde (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 a) EStG) oder die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 b) EStG). Eine Antragsveranlagung ist hierbei jedoch gemäß § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG lediglich für Staatsangehörige eines EU/EWR-Mitgliedstaats, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU/EWR-Mitgliedstaat haben. In allen anderen Fällen schied eine Veranlagung zur Einkommensteuer aus, sofern Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzug durch den inländischen Arbeitgeber unterliegen.

Gesetzesänderung

Mit dem „Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (Jahressteuergesetz 2019), welchem der Bundesrat am 29.11.2019 zugestimmt hat (siehe Deloitte Tax-News), wurde mit § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe c) EStG nunmehr mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2020 ein neuer Pflichtveranlagungstatbestand für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer eingeführt. Hiernach hat durch Verweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 2, 5 und 5a EStG auch dann eine Veranlagung zur Einkommensteuer eines beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer zu erfolgen, wenn dieser nebeneinander von mehreren (inländischen) Arbeitgebern Arbeitslohn bezieht (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG), der Arbeitgeber die Lohnsteuer auf eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten oder eine Entlassungsentschädigung nach der sogenannten „Fünftel-Regelung“ ermittelt hat (§ 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG) oder der Arbeitgeber die Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug berechnet hat und dabei der Arbeitslohn aus früheren Dienstverhältnissen des Kalenderjahres außer Betracht geblieben ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 5a EStG).

Fazit

Die Gesetzesänderung wird neben dem erhöhten Administrationsaufwand in vielen Fällen eine signifikante Erhöhung der zu leistenden Steuern nach sich ziehen, da auf Grund der Durchführung der Veranlagung nunmehr gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG auch die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden (ausländischen) Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Die Auswirkungen sind hierbei insbesondere bei einem Bezug, welcher der sogenannte „Fünftel-Regelung“ unterliegt (z. B. geldwerte Vorteile aus mehrjährigen Arbeitnehmer-Aktienprogrammen oder Entlassungsentschädigungen) beträchtlich, welches an folgendem Beispiel verdeutlicht werden soll:

Ein ausschließlich in den USA ansässiger Arbeitnehmer unterliegt während des gesamten Kalenderjahres lediglich mit seinen inländischen Einkünften aus der Ausübung von Arbeitnehmer-Aktienoptionen in Höhe von 45.000 Euro (Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten) der beschränkten Steuerpflicht. Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte betragen 300.000 Euro.

Unter Anwendung der „Fünftel-Regelung“ des § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG ergibt sich unter Lohnsteuerklasse 1 eine Lohnsteuer in Höhe von 0,00 Euro. Nach bisheriger Rechtslage wäre die Einkommensteuer mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten und es verbleibt final bei einer Einkommensteuer in Höhe von 0,00 Euro.
Aufgrund der Einführung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe c) EStG muss jedoch ab dem Veranlagungszeitraum 2020 nunmehr zwingend eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgen, in welcher auch die ausländischen Einkünfte gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG in Höhe von 300.000 Euro im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung würde es infolgedessen zu einer Steuernachzahlung (inkl. SolZ) in Höhe von ca. 18.800 Euro kommen.

Die Einführung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe c) EStG kann folglich in einer Vielzahl von Fällen zu signifikant höheren Steuerbelastungen führen. Auch wenn dies fiskalpolitisch und steuersystematisch durchaus nachvollzogen werden kann, erhöht sich hierdurch der steueradministrative Aufwand durch vermehrt abzugebende Einkommensteuererklärungen nicht nur auf Seiten der Steuerpflichtigen, sondern auch der Finanzverwaltung deutlich, was unseres Erachtens den allgemeinen Bestrebungen eines Bürokratieabbaus und der Vereinfachung des deutschen Steuerrechts entgegensteht.

Darüber hinaus ist unseres Erachtens fraglich, ob die Einführung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe c) EStG, welche sicherlich zum Ziel hatte, eine gleichmäßige Besteuerung von beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern sicherzustellen, neue verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft, da nunmehr bereits eine Ungleichbehandlung von Arbeitslohn innerhalb der beschränkten Steuerpflicht erfolgt. Während der beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit einem mehrjährigen Bezug zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist und unter Umständen einen für ihn nachteiligen Progressionseffekt erleidet, gilt die Steuerschuld des beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers, der lediglich einen Bonus für das vorherige Geschäftsjahr erhält, weiterhin als mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten. In diesem Fall unterbleibt weiterhin der Progressionseinfluss der darüber hinaus bezogenen nicht steuerbaren Einkünfte. Auf das obige Beispiel bezogen würde dies schlussendlich bedeuten, dass auf einen Jahresbonus i. H. v. 45.000 Euro ohne Anwendung der Fünftel-Regelung lediglich eine weiterhin abgeltende Lohnsteuer i. H. v. ca. 8.000 Euro anfallen würde, wohingegen auf einen mehrjährigen Bezug in gleicher Höhe aufgrund der durchzuführenden Veranlagung unter Progressionsvorbehalt schlussendlich ca. 18.800 Euro an Steuern abzuführen wären. Dies erscheint uns nur schwer mit dem verfassungsmäßigen Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vereinbar zu sein.

Fundstelle

Bundestag, Gesetzesbeschluss, BR-Drs 552/19

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