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18.06.2020
Rechnungslegung

BFH: Genussrechte und „Repo“-Transaktionen

Genussrechte führen nur dann zu steuerfreien Beteiligungserträgen, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Eine fehlende Beteiligung am Liquidationserlös kann auch nicht durch einen wirtschaftlich bedeutungslosen Rückzahlungsanspruch des Genussrechtskapitals ausgeglichen werden (entgegen Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 08.12.1986).

Im zweiten Teil des Urteils äußert sich der BFH zur Beurteilung des wirtschafltichen Eigentums bei sog. „Repo“-Transaktionen (Put Option und Terminverkauf) und verneinte einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO. 

1. Teil: Genussrechte

Sachverhalt

Eine in Deutschland ansässige Aktiengesellschaft (AG) hielt 100% der Anteile an der in Kanada ansässigen X-A. X-A hat eine Schuld gegenüber ihrer Muttergesellschaft durch die Ausgabe von Genussrechten beglichen. Die Genussrechte sahen eine feste, 40-jährige Laufzeit mit vollständiger Rückzahlung des Kapitals sowie gewinnabhängige Ausschüttungen, aber keine Beteiligung am Liquidationserlös vor. 

Die AG behandelte die Genussrechtsausschüttungen als steuerfreie Beteiligungserträge im Sinne des § 8b Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Auf Ebene der X-A wurden die geleisteten Ausschüttungen als steuerlich abzugsfähiger Zinsaufwand behandelt. Finanzamt und FG sahen die Genussrechtsausschüttungen bei der AG hingegen als steuerpflichtige Zinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an mit der Begründung, dass die für § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Beteiligung am Liquidationserlös fehle.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Genussrechtsausschüttungen bei der AG als steuerpflichtige Zinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln sind.

Gesetzliche Grundlage

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile aus Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist. Für die das Genussrecht emittierende Kapitalgesellschaft regelt § 8 Abs. 3 S. 2 Variante 2 KStG entsprechend, dass „Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist“, nicht das Einkommen dieser Kapitalgesellschaft mindern.

Abgrenzung zwischen beteiligungs- und obligationsähnlichen Genussrechten

Der BFH beruft sich auf den Gesetzeswortlaut von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und von § 8 Abs. 3 S. 2 Variante 2 KStG und qualifiziert nur diejenigen Genussrechte, bei denen der Genussrechtsinhaber sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist, als sog. beteiligungsähnlichen Genussrechte (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.1994, I R 67/92). Nur wenn beide Voraussetzungen, also Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, kumulativ erfüllt seien, lägen beteiligungsähnliche Genussrechte vor, die zu Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, liegen dagegen nach dem BFH keine beteiligungsähnlichen, sondern obligationsähnliche Genussrechte vor, aus denen steuerpflichtige Zinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2012, I R 27/12).

Nach Auffassung des BFH gelten weiterhin die vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätze, nach denen beteiligungsähnliche Genussrechte anzunehmen sind, wenn das Genussrecht die Kapitalgesellschaft etwa in gleicher Weise belastet wie die Beteiligung eines Gesellschafters (vgl. RFH-Urteil vom 17.04.1934, I A 316/32). Vermögensrechte eines Genussrechtsinhabers, die einem Gesellschafter vergleichbar sind, setzen nach dem BFH eine Beteiligung am Liquidationserlös auf das Abwicklungsendvermögen im Sinne des § 11 KStG voraus, d.h. eine Beteiligung an einem etwaigen Liquidations(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung an den stillen Reserven (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005, VIII R 73/03, BStBl. II 2005, S. 861).

Fehlende Beteiligung am Liquidationserlös

Im Streitfall fehle es allerdings an der Beteiligung der Aktiengesellschaft am Liquidationserlös.

Die gewinnabhängigen Genussrechtsausschüttungen und die im Fall einer Liquidation vorgesehene Rückzahlung des Genussrechtskapitals zum Nennbetrag führten allein noch nicht zu einer Beteiligung der Aktiengesellschaft am Liquidationserlös im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Auch die Stellung der Aktiengesellschaft als Alleingesellschafterin reiche nicht aus, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfüllen. Zwar stehen dem Alleingesellschafter sämtliche stille Reserven seiner Gesellschaft zu, allerdings müsse sich die Beteiligung an den stillen Reserven aus den Genussrechtsvereinbarungen ergeben. 

Darüber hinaus könne auch die Dauer der Kapitalbindung (hier: 40-jährige Laufzeit der Genussrechte) die fehlende Beteiligung am Liquidationserlös nicht ausgleichen. Nach dem BFH spielt die wirtschaftliche Bedeutung des Anspruchs auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals keine Rolle. Der BFH verweist auf seine frühere Rechtsprechung (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.01.1994, I R 67/92), wonach selbst der Ausschluss des Anspruchs auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals nicht dazu führt, das Kriterium der Beteiligung am Liquidationserlös zu erfüllen. Dies müsse erst recht gelten, wenn dieser Anspruch (lediglich) wirtschaftlich bedeutungslos sein sollte. Hiermit spricht sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung aus, wonach ein Genussrecht im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann vorliegt, wenn die Rückzahlung des Genusskapitals frühestens nach 30 Jahren geltend gemacht werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 08.12.1986). 

Des Weiteren führe auch das Wandlungsrecht des Genussrechtsinhabers zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen nicht zu einer ausreichenden Beteiligung an den stillen Reserven.

Besteuerungsrecht nach dem DBA

Nach dem DBA-Kanada steht Deutschland auch das Besteuerungsrecht an den nach § 20 Abs. 1 N. 7 EStG steuerpflichtigen Genussrechtsausschüttungen aus obligationsähnlichen Genussrechten zu.

2. Teil: „Repo“-Transaktion

Der zweite Teil der o.g. Entscheidung behandelt eine sog. „Repo“-Transaktion.

Sachverhalt

Eine in den USA ansässige Tochtergesellschaft (X-I) der AG veräußerte ihre Class-B Shares (X-B), die mit einer Vorzugsdividende ausgestattet waren, an eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft (X-H). Gleichzeitig räumte die X-I der X-H das Recht ein, ihr die erworbenen Class-B Shares zum Rückkauf anzudienen (Put Option). Darüber hinaus verpflichtete sich eine weitere Konzerngesellschaft (X-F) in einer Terminverkaufsvereinbarung, sämtliche Anteile der X-H GmbH an die X-I zu veräußern. 

Die AG behandelte die auf Ebene ihrer Organgesellschaft (X-H) vereinnahmte Vorzugsdividende als steuerfreie Bezüge im Sinne des § 15 S. 1 Nr. 2 S. 2 i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG a.F. Das Finanzamt behandelte – mit der Begründung, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Class-B Shares nicht auf die X-H übergegangen sei – die Vorzugsdividende hingegen als steuerpflichtige Zinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dem widersprach das FG, ging aber dennoch aufgrund der Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO von steuerpflichtigen Zinsen aus. 

Entscheidung

Der BFH kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass X-H wirtschaftliche Eigentümerin der Class-B Shares ist, die erzielten Vorzugsdividenden steuerfreie Bezüge gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 u. 5 KStG a.F. sowie § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen und kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vorliegt. 

Die Annahme steuerfreier Bezüge im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG a.F. setzt nach dem BFH voraus, dass die Vorzugsdividenden steuerrechtlich der X-H GmbH zuzurechnen sind. In ständiger Rechtsprechung des BFH wird stets wirtschaftliches Eigentum an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft angenommen, wenn aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte Position des Käufers vorliegt, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und darüber hinaus die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil vom 11.07.2006, VIII R 32/04). Die X-H GmbH habe (auch) das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der X-B erlangt. Nach Auffassung des BFH führen die Put Option und der Terminverkauf – weder einzeln noch in der Gesamtschau – zu einer gesicherten Rechtsposition der X-I auf Rückerwerb der Class-B Shares. Hinsichtlich des Terminverkaufs ist nach dem BFH entscheidend, dass Gegenstand dieser Vereinbarung nicht die Class-B Shares, sondern die Anteile an der X-H GmbH waren. 

Nach Auffassung des BFH liegt kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO vor, da es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich freisteht, bestimmte Einkünfte nicht in eigener Person, sondern die in Frage stehende Einkunftsquelle auf eine dauerhaft zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft, deren Anteilseigner er ist, zu übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 29.05.2008, IX R 77/06). Entscheidend sei, dass es sich nicht um eine nur vorübergehende, sondern um eine dauerhafte Zwischenschaltung der X-H GmbH handelt. Weiter fehle es an einer Steuerminderung im Sinne von § 42 AO. Die Erzielung von Steuervorteilen im Ausland sei keine für § 42 AO relevante Steuerminderung (vgl. BFH-Urteil vom 07.09.2005, I R 118/04). Auch der doppelte steuerliche Vorteil, der durch die Steuerfreistellung für Dividenden im Inland und dem gleichzeitigen Zinsabzug im Ausland eintritt, ist nach dem BFH keine Frage des Missbrauchs, sondern der unterschiedlichen Qualifikation von Besteuerungstatbeständen durch souveräne Staaten.

Anmerkung: Gesetzliche Neuregelung des § 8b Abs. 1 S. 2 KStG

Im o.g. Streitfall galt die gesetzliche Neuregelung des § 8b Abs. 1 S. 2 KStG noch nicht. Das Amtshilfe-Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 (BGBL. I 2013, S. 1809) fasste § 8b Abs. 1 S. 2 KStG neu und erweiterte das zuvor nur für verdeckte Gewinnausschüttungen geltende materielle Korrespondenzprinzip auf alle Bezüge im Sinne des § 8b Abs. 1 S. 1 KStG (d.h. auch auf ordentliche Ausschüttungen und auf Bezüge aus sog. hybriden Finanzierungen) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 (vgl. § 34 Abs. 7 S. 13f. i.d.F. des Amthilfe-Richtlinien-Umsetzungsgesetz). Folglich gilt gemäß § 8b Abs. 1 S. 2 KStG n.F. die Steuerfreistellung von Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG nur, soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben. Diese Neuregelung zielt auf genau solche Gestaltungen wie im o.g. Streitfall ab und soll die Schaffung sog. „weißer Einkünfte“, Zinsabzug im Quellenstaat und steuerfreie Dividenden im Empfängerstaat, verhindern. 

Betroffene Normen

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 8b Abs. 1 KStG a.F., § 8b Abs. 5 KStG, § 39 AO, § 42 AO

Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2017, 10 K 1859/15, EFG 2017, S. 1433

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14.08.2019, I R 44/17

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.01.1994, I R 67/92, BStBl. II 1996, S. 77

BFH, Urteil vom 12.12.2012, I R 27/12, BStBl. II 2013, S. 682

RFH, Urteil vom 17.04.1934, I A 316/32, RStBl. 1934, S. 773

BMF, Schreiben vom 08.12.1986, IV B 7 - S 2742 - 26/86

BFH, Urteil vom 11.07.2006, VIII R 32/04, BStBl. II 2007, S. 296

BFH, Urteil vom 29.05.2008, IX R 77/06, BStBl. II 2008, S. 789

BFH, Urteil vom 07.09.2005, I R 118/04, BStBl. II 2006, S. 537

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