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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/rechnungslegung/bfh-tw-abschreibung-auf-boersennotierte-aktien-und-investmentanteile.html
13.01.2012
Rechnungslegung

BFH: TW-Abschreibung auf börsennotierte Aktien und Investmentanteile

Bei börsennotierten Aktien ist grundsätzlich dann von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet. Auf die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag kommt es hierbei nicht an. Dies gilt auch für Investmentanteile, wenn das Vermögen des Investmentfonds überwiegend aus Aktien besteht, die an Börsen gehandelt werden (sog. Aktienfonds).

Sachverhalt

Der BFH hat in zwei Urteilen über die Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen bei börsennotierten Aktien entschieden.

I R 89/10
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin), eine AG, hat zum 31.12.2001 Teilwertabschreibungen auf ihre im Anlagevermögen gehaltenen börsennotierten Aktien vorgenommen. Das Finanzamt erkannte die Teilwertabschreibungen nicht in voller Höhe an, das FG hat der Klage teilweise stattgegeben. Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen bei börsennotierten Aktien eine "voraussichtlich dauernde Wertminderung" anzunehmen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG).

I R 7/11
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, hielt in ihrem Anlagevermögen Aktienfonds und machte Teilwertabschreibungen geltend, die sie nach den Unterschiedsbeträgen zwischen den Anschaffungskosten der Anteile an den Aktienfonds und den zum Bilanzstichtag (31.12.2000) gesunkenen Depotwerten (Rücknahmepreisen) bestimmte. Das Finanzamt erkannte die Teilwertabschreibungen mangels dauernder Wertminderungen der Anteilsscheine nicht an. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Revision des Finanzamts.

Entscheidungen

I R 89/10
Das FG-Urteil wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, da der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht beurteilen kann, in welchem Umfang die von der Klägerin insgesamt begehrten Teilwertabschreibungen über den von der Vorinstanz zugesprochenen Betrag hinaus anzuerkennen sind.

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist und deshalb aus Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden muss (BFH-Urteil vom 27.11.1974). Bei börsennotierten und im Anlagevermögen gehaltenen Aktien ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenkurs der Aktie (zuzüglich der im Falle eines Erwerbs anfallenden Nebenkosten) zum Bilanzstichtag unter ihren Buchwert gesunken ist und keine konkreten Anhaltspunkte für eine baldige Wertsteigerung vorliegen. Entgegen BMF-Schreiben vom 26.03.2009 und entgegen der Vorinstanz rechtfertigt jede Minderung des Kurswerts grds. die Annahme einer gegenüber dem Kurswert im Zeitpunkt des Aktienerwerbs voraussichtlich dauernden Wertminderung. Zum anderen sind die bis zum Tag der Bilanzaufstellung eingetretenen Kursänderungen als für die Verhältnisse am Bilanzstichtag werterhellend anzusehen, so dass es sich hierbei um wertbeeinflussende (wertbegründende) Umstände handelt, die grundsätzlich die Bewertung der Aktien zum Bilanzstichtag nicht berühren.

Für die Bewältigung einer Vielzahl von Steuerverfahren (Massenverfahren) bedürfe es einfacher und leicht überprüfbarer Kriterien (BFH-Urteil vom 26.09.2007). Der aktuelle Börsenkurs spiegelt die Einschätzung einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die künftigen Risiken und Erfolgsaussichten des jeweiligen Unternehmens wider und drückt zugleich deren Erwartung aus, dass der jetzt gefundene Kurs voraussichtlich dauerhaften Charakter besitzt. Mit Rücksicht auf die gebotene Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erscheint es sachgerecht, Kursverluste innerhalb einer Bandbreite minimaler und in ihrer Höhe zu vernachlässigender Wertschwankungen außer Ansatz zu lassen (Bagatellgrenze). Diese Schwelle geringfügiger Kursverluste ist auf 5 % der Notierung im Erwerbszeitpunkt zu begrenzen.

I R 7/11
Dem FG ist darin zuzustimmen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung gegeben sind.

Die o.g. Grundsätze des BFH-Urteils vom 21.09.2011 (I R 89/10) gelten entsprechend für Anteile an Aktienfonds, d.h. an Sondervermögen, die nach ihren vertraglichen Bedingungen zumindest überwiegend direkt oder (als Dachfonds) indirekt in börsennotierte Aktien investieren. Dabei ist es unerheblich, dass die Anteilsrechte selbst am Bilanzstichtag (31.12.2000) nicht an der Börse gehandelt wurden, da sowohl der Ausgabepreis als auch der Rücknahmepreis der Investmentanteile nach dem Anteil am börsentäglich zu ermittelnden Wert des Sondervermögens und letzterer Wert wiederum nach den Kurswerten der zum Fonds gehörenden börsennotierten Aktien zu bestimmen ist. Der Senat schließt sich damit der Ansicht des BMF-Schreibens vom 05.07.2011 an, nach dem die für die Teilwertabschreibung börsengehandelter Aktien entwickelten Rechtsregeln sinngemäß auch auf nicht börsennotierte Anteile an Investmentfonds Anwendung finden, wenn deren Vermögen überwiegend in an Börsen gehandelten Aktien angelegt ist. Angesichts der gebotenen Typisierung ist es zu vernachlässigen, dass dem Vermögen eines solchen Fonds (Aktienfonds) z.B. auch festverzinsliche Wertpapiere angehören können, für die ein Kursverlust regelmäßig nicht die Annahme einer voraussichtlich dauernden Wertminderung rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2011).

Soweit das BMF-Schreiben vom 05.07.2011 allerdings der Entscheidung über eine voraussichtlich dauernde Minderung des Teilwerts von (nicht börsengehandelten) Investmentanteilen durchgängig den Rücknahmepreis zugrunde legt, kann dem - jedenfalls für den Streitfall - nicht gefolgt werden. Auch vermag der Senat dem BMF-Schreiben vom 05.07.2011 insoweit nicht zu folgen, als es eine voraussichtlich dauernde Wertminderung der Investmentanteile nur dann bejaht, wenn die Werte der Anteilsscheine am Bilanzstichtag deren Anschaffungskosten um mehr als 40 % oder an zwei aufeinander folgenden Stichtagen um mehr als 25 % unterschreiten. Vielmehr ist auch im Rahmen der auf die Kursnotierungen von Aktien gestützten Bewertung von Investmentanteilen anzunehmen, dass - vorbehaltlich einer Bagatellgrenze von 5 % der Erwerbskosten - jeder Rückgang des Ausgabepreises zugleich auch die Dauerhaftigkeit dieser Wertminderung abbildet.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, da das FG noch keine Feststellungen zu den Ausgabepreisen der Investmentanteile am Bilanzstichtag getroffen hat und auch Feststellungen dazu fehlen, ob im Falle eines gedachten Erwerbs der Anteilsscheine möglicherweise Erwerbsnebenkosten angefallen wären, die zu einer weiteren Kürzung der begehrten Teilwertabschreibungen führen müssten.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 253 HGB
Streitjahr 2001 (I R 89/10), Streitjahr 2000 (I R 7/11)

Anmerkungen

Mit dem am 16.07.2014 veröffentlichten BMF-Schreiben (siehe Deloitte Tax-News) hat sich das BMF der Sichtweise des BFH angeschlossen und vertritt nun ebenfalls die Auffassung, dass Kursänderungen bei börsennotierten Aktien (und Investmentanteilen, wenn das Investmentvermögen überwiegend in börsennotierten Aktien investiert ist) nach dem Bilanzstichtag und bis zum Tag der Bilanzaufstellung als wertbegründender Umstand nicht zu berücksichtigen seien. Das gleiche gelte für börsennotierte Anteile im Umlaufvermögen (so bereits Hessisches FG,Urteil vom 12.02.2014, 11 K 1833/10 (BFH-anhängig: IV R 18/14) zu börsennotierten Aktienoptionen).

Vorinstanzen

Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.08.2010, 9 K 3466/09 K,G, EFG 2011, S. 124 (zu I R 89/10), siehe Deloitte Tax-News 
Finanzgericht Rheinland Pfalz, Urteil vom 15.12.2010, 1 K 2237/08, EFG 2011, S. 953 (zu I R 7/11)

Fundstellen

BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 89/10
BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 7/11

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.11.1974, I R 123/73, BStBl II 1975, S. 294
BFH, Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06, BStBl II 2009, S. 294
BMF, Schreiben vom 26.03.2009, IV C 6 - S 2171-DOK 2009/0195335, BStBl I 2009, S. 514
BMF, Schreiben vom 05.07.2011, IV C 1 - S 1980-1/10/10011 :006, BStBl I 2011, S. 735
BFH, Urteil vom 08.06.2011, I R 98/10, siehe Deloitte Tax-News 
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 12.02.2014, 11 K 1833/10, BFH-anhängig: IV R 18/14
BMF, Schreiben vom 16.07.2014, siehe Deloitte Tax-News

Englische Zusammenfassung

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