Mit Schreiben vom 22.02.2023 nimmt das BMF zu der gesetzlichen Option Stellung, die Gebäudeabschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer statt nach typisierten festen AfA-Sätzen vorzunehmen. Insbesondere werden mögliche Rechtfertigungsgründe und maßgebliche Kriterien für eine AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer in den Blick genommen.
Mit Urteil vom 28.07.2021, IX R 25/19, hat der BFH entschieden, dass Steuerpflichtige, die sich nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG auf eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes berufen, sich jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint, soweit daraus Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sind.
Für die Inanspruchnahme der AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer gelten insbesondere folgende Grundsätze:
AfA von Gebäuden nach typisierten festen AfA-Sätzen
Gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 EStG gelten für die lineare AfA von zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäuden typisierte feste Prozentsätze (AfA-Sätze), die u.a. in Abhängigkeit von der Nutzungsart (Betriebsgebäude, soweit nicht zu Wohnzwecken genutzt, oder andere) 2 oder 2,5 oder 3 oder 4 Prozent betragen. Der jeweils für ein Gebäude anzusetzende AfA-Satz ist unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes und auch unabhängig vom tatsächlichen Alter des Gebäudes anzuwenden. In der Regel wird die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes länger als der AfA-Zeitraum sein.
AfA von Gebäuden nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer
Ist die tatsächliche Nutzungsdauer bei einem Gebäude kürzer als die sich aus der Anwendung des AfA-Satzes ergebende Nutzungsdauer, steht den Steuerpflichtigen die Option zu, die Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer statt nach typisierten festen AfA-Sätzen vorzunehmen (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG).
Ob der AfA eine die gesetzlich vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende kürzere tatsächliche Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls.
Rechtfertigungsgründe für eine AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer
Für die Bemessung der linearen Gebäude-AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer bedarf es einer konkreten Rechtfertigung auf Grund der objektiven Gegebenheiten.
Maßgebliche Kriterien für die Schätzung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird die zu schätzende kürzere tatsächliche Nutzungsdauer durch bestimmte Einflussfaktoren bestimmt (sog. maßgebliche Determinanten). Zu diesen Einflussfaktoren gehören:
Auszugehen ist regelmäßig von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Gebäude substanztechnisch abnutzt. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer fallen in der Regel zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, können sich die Steuerpflichtigen hierauf berufen.
Nachweismethoden
Der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer ist durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind, zu erbringen.
Im Rahmen des Nachweises ist der Zustand des Gebäudes in seinen die Nutzungsdauer bestimmenden Elementen (Tragstruktur des Bauwerks) darzustellen und begründet darzulegen, weshalb am Ende der geltend gemachten (kürzeren) Nutzungsdauer voraussichtlich keine wirtschaftlich sinnvolle (anderweitige) Nachfolgenutzung mehr möglich ist und kein Restwert mehr vorhanden ist.
Anwendungsregelung
Das Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.
§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG
BMF, Schreiben vom 22.02.2023, IV C 3 - S 2196/22/10006 :005
BFH, Urteil vom 28.07.2021, IX R 25/19, BFH/NV 2022 S. 108
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