Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/rechnungslegung/fg-berlin-brandenburg-bewertung-von-hybriden-wertpapieren.html
15.04.2021
Rechnungslegung

FG Berlin-Brandenburg: Bewertung von hybriden Wertpapieren

Aktuell:
 
  • Der BFH bestätigt die Entscheidung des FG. Bei börsennotierten verzinslichen Wertpapieren ohne feste Laufzeit, die von den Gläubigern nicht gekündigt werden können, liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, wenn der Börsenwert Kurswert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet. (BFH, Urteil vom 23.08.2023, XI R 36/20, siehe Deloitte Tax-News)

 

FG Berlin-Brandenburg (Vorinstanz):

Bei Anleihen ohne feste Laufzeit, die nur vom Emittenten, nicht aber vom Anleger gekündigt werden können (sog. Tier 1-Anleihen), führt - anders als bei festverzinslichen Wertpapieren- ein Kursrückgang regelmäßig zu einer dauerhaften Wertminderung, es sei denn, eine Kündigung durch den Emittenten ist absehbar.  

Sachverhalt

Eine GmbH hielt in ihrem Umlaufvermögen zwei Anleihen (sog. Tier 1-Anleihen (nachrangige Bankschuldverschreibungen). Beide Anleihen sind bei Fälligkeit zu 100 % des Nennkapitals rückzahlbar, haben keine feste Laufzeit und können nur vom Emittenten zu bestimmten Zeitpunkten gekündigt werden, nicht aber vom Anleger. Die Verzinsung der Anleihen ist vom Euribor abhängig. Während die GmbH die Anleihen aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zum Kurswert bewertete, war das Finanzamt der Auffassung, dass im Anschluss an die BFH-Rechtsprechung zu festverzinslichen Wertpapieren die Anleihen zum Nominalwert zu bewerten sind.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des Finanzamts kommt das FG zu dem Ergebnis, dass die Anleihen nur mit dem Kurswert als niedrigerem Teilwert anzusetzen sind, weil eine dauerhafte Wertminderung vorliegt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 i.V.m. Nr. 2 S. 2 EStG).

Allgemeine Grundsätze zur Bewertung von Wertpapieren

Für den Teilwert ist nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Wiederbeschaffungswert maßgeblich. Es kommt auf die objektiven Erwägungen zum Wert durch einen gedachten Erwerber des Betriebs an (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.1990, I R 116/86). Daher sind Wertpapiere aus Sicht des FG mit dem Kurswert anzusetzen, es sei denn ein Kursverlust ist absehbar vorübergehend oder bewegt sich innerhalb der Marge von 5 %, was beides im zugrundeliegenden Streitfall – unstreitig – nicht vorliegt.

Bisherige Rechtsprechung zur Bewertung festverzinslicher Wertpapiere

Abweichend von diesen Grundsätzen hat der BFH speziell für festverzinsliche Wertpapiere mit fester Laufzeit, die bei Laufzeitende zum Nominalbetrag rückzahlbar sind, ausgesprochen, dass hier regelmäßig allein wegen des gefallenen Kurses keine dauernde Wertminderung vorliege, es sei denn es bestehe zusätzlich beim Emittenten ein Insolvenzrisiko (vgl. BFH-Urteile vom 08.06.2011, I R 98/10 und vom 18.04.2018, I R 37/16). Für den BFH war entscheidend, dass der Inhaber „am Ende der Laufzeit“ („bei Endfälligkeit“) den Nominalwert erhalten würde, was zwischenzeitliche Kursverluste grundsätzlich zu vorübergehenden mache.

Keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf hybride Wertpapiere ohne feste Laufzeit

Nach Auffassung des FG lassen sich die Erwägungen des BFH nicht auf Wertpapiere ohne feste Laufzeit, die nur vom Emittenten, nicht aber vom Anleger gekündigt werden können, übertragen. Der Inhaber eines endfälligen Wertpapiers, das bei Laufzeitende zu 100% zurückzuzahlen ist, müsse bei gesunkenem Börsenkurs lediglich das Ende der Laufzeit abwarten, um 100% des Nennwerts zu bekommen. Mangels Endfälligkeit und mangels Kündigungsmöglichkeit des Inhabers trete dieser Effekt im vorliegenden Fall jedoch nicht ein. 

Nominalwert als Teilwert nur bei absehbarer Kündigung durch den Emittenten

Ein höherer Wert als der Kurswert komme bei den Anleihen im Streitfall nur dann in Betracht, wenn aufgrund der Marktgegebenheiten eine zumindest gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Emittent in absehbarer Zeit von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen wird (mit der Folge der Rückzahlung zu 100% des Nominalwerts). Solche Umstände seien an den Bilanzstichtagen jedoch nicht ersichtlich.

Fazit

Während bei festverzinslichen Wertpapieren mit einem festen Endfälligkeitsdatum nach der BFH-Rechtsprechung gilt, dass Kursverluste nur zu einem niedrigeren Teilwert führen, wenn beim Emittenten ein Insolvenzrisiko besteht, gilt bei Wertpapieren ohne feste Laufzeit und Kündigungsmöglichkeit nur des Emittenten aus Sicht des FG gerade umgekehrt, dass ein Kursrückgang regelmäßig zu einer dauernden Wertminderung führt, es sei denn eine Kündigung durch den Emittenten ist absehbar.

Anmerkung

Praxishinweis

Die angeführte Rechtsprechung des BFH zur Bewertung festverzinslicher Wertpapiere wurde im Schrifttum mehrfach kritisiert. Der BFH wird nun im anhängigen Verfahren die Gelegenheit haben, sich erneut mit seiner bisherigen Auffassung auseinanderzusetzen. Ob er dies tut, oder ob er sich auf die Entscheidung des Einzelfalles beschränkt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollten bis zu einer abschließenden Entscheidung des BFH entsprechende Fälle mit einer Bewertung von Tier 1-Anleihen zu einem geringeren Kurswert offen gehalten werden. 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.08.2023, XI R 36/20, siehe Deloitte Tax-News 

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.10.2020, 10 K 10021/17, BFH-anhängig: XI R 36/20

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.04.2018, I R 37/16, BStBl II 2019, S. 73, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 08.06.2011, I R 98/10, BStBl II 2012, S. 716, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 07.11.1990, I R 116/86, BStBl II 1991, S. 342
 

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.