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18.07.2024
Rechnungslegung

FG Hamburg: Ertragsteuerliche Wirkungen eines Cash-Pools

Ein Cash-Pool führt nicht zwingend zu der Annahme von Darlehensverträgen, sondern es muss im Einzelfall ermittelt werden, ob Darlehensverträge abgeschlossen wurden. Grundsätzlich haben Gesellschafter und Gesellschaften die freie Entscheidung, wie sie ihre Beziehungen vertraglich gestalten, z.B. ob sie zusätzlich private Verträge, insbesondere Darlehensverträge abschließen oder ob sie Zahlungen über Entnahmen und Einlagen regeln.
Die Verpflichtung, das Risiko bei der Bildung von Rückstellungen vorsichtig zu bewerten, gilt insbesondere, wenn die Situation insgesamt aufgrund von mehreren noch anhängigen Zivilprozessen und erfolgten Überkreuzaufrechnungen sehr unübersichtlich geworden ist.
 

Sachverhalt

Das FG hat sich mit den ertragsteuerlichen Wirkungen eines Cash-Pools auseinandergesetzt. Strittig war das Vorliegen der Voraussetzungen für Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen und in diesem Zusammenhang auch die Höhe der gebildeten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sowie die Qualifizierungen von Geldbewegungen in einem Cash-Pool.

Die Klägerin, eine KG, hat eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter und den D Verlag als Kommanditisten. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die A KG, befasste sich mit dem Vertrieb und der Verwaltung von Zeitschriftenabonnements. Zwischen der A KG, und der E GmbH & Co. KG bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag, nach dem die E GmbH & Co. KG für die A KG über eine vertraglich gebundene Liefergesellschaft Zeitschriftenabonnements gegen Entgelt bewarb. Die A KG und die E GmbH & Co. KG schlossen zwei zinslose und besicherte Darlehensverträge aufgrund dessen die A KG der E GmbH & Co. KG bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fällige Darlehen bewilligte, jedoch wurden diese Geschäftsbeziehungen in einem späteren Jahr beendet. Deshalb und aufgrund von Unstimmigkeiten hielt die A KG die Renditen aus den Abonnementverträgen ein und verrechnete diese mit weiteren Forderungen gegenüber der E GmbH & Co. KG. Weiterhin forderte die Klägerin die E GmbH & Co. KG zur Rückzahlung eines ausstehenden Darlehens sowie zur Zahlung der restlichen Darlehensraten auf. Nach einem langjährigen Klageverfahren und mehreren Aufrechnungserklärungen wurden die E GmbH & Co. KG und der Komplementär der E GmbH & Co. KG als Gesamtschuldner verurteilt, der A KG den ausstehenden Darlehensbetrag nebst Zinsen zu zahlen.

Zwischen der D Verlag KG und der Klägerin sowie verschiedenen Gesellschaften der D Gruppe bestand ein sog. Cash-Pool. Dabei wurden die Bankkonten der beteiligten Gesellschaften werktäglich ausgeglichen und positive Salden auf das Zielkonto der D Gruppe übertragen. Die Buchungen erfolgten über ein Finanzverrechnungskonto als Unterkonto zum Kapitalkonto II, dessen Saldo monatlich verzinst wurde.

Die A KG nahm in der Höhe der besicherten Darlehensforderungen zzgl. der Zinsen eine Teilwertabschreibung vor. Außerdem bildete sie u.a. Rückstellungen für die einbehaltenen Renditen und Zinsen. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Rückstellungen für die einbehaltenen Renditen und Zinsen zu hoch gebildet worden wären und die Teilwertberichtigung zu Unrecht erfolgt sei. Außerdem sei die Klägerin an einem Cash-Pool beteiligt gewesen, wodurch sie durch das Vorliegen von Darlehen Zinserträge erzielt habe, welche ihre Zinsaufwendungen in allen Streitjahren überstiegen.

Entscheidung

Das FG kommt entgegen der Auffassung des Finanzamts zu dem Ergebnis, dass die KG keine Zinserträge aus dem sog. Cash-Pool bezog, die Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderung zulässig war und die Rückstellungen dem Grunde und der Höhe nach richtig gebildet wurden.

Kein Abschluss von Darlehensverträgen

Laut dem FG hatte die Klägerin im Streitfall weder schriftlich, noch mündlich oder konkludent einen Darlehensvertrag mit anderen Gesellschaften im Unternehmensverbund abgeschlossen, aus dem sich Zinserträge der Klägerin aus dem Cash-Pool oder Sonderbetriebseinnahmen des Kommanditisten hätten ergeben können.

Das FG führt aus, dass aus der Buchung der Zinserträge und Zinsaufwendungen sich nicht ergebe, dass ein Darlehensvertrag zustanden gekommen sei. Die Klägerin hätte überzeugend vorgetragen, dass die Finanzverrechnungskonten in den Streitjahren ebenfalls Kapitalkonten gewesen seien, weil es sich hierbei um ein Unterkonto des Kapitalkontos II gehandelt hätte. Ob auf dem Kapitalkonto II gebuchte Beträge Eigenkapital oder Fremdkapital sind, bestimme sich nach der unter den Gesellschaftern getroffenen Verabredung. Liegt keine entsprechende Abrede vor, sei dies durch Auslegung zu ermitteln, wobei im Zweifel davon auszugehen sei, dass es sich um Eigenkapital handelt, denn die Zahlung von Zinsen auf Grund von Darlehen ginge zu Lasten anderer Gläubiger. Fehlt es an einer unmissverständlichen Vereinbarung, handele es sich im Zweifel um eine bloße Gewinnverteilungsabrede (vgl. Niedersächsisches FG-Urteil vom 07.05.2008, 8 K 22350/04 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 23.01.2001, VIII R 30/99).

Weiterhin sei kein Darlehensvertrag durch konkludentes Handeln geschlossen worden, da es im Streitfall keine schriftlichen Regelungen gebe. Laut dem FG haben Gesellschafter und Gesellschaften grundsätzlich die freie Entscheidung, wie sie ihre Beziehungen vertraglich gestalten. Insbesondere schreibe es weder das Handelsrecht, noch das Gesellschafts- oder Steuerrecht vor, ob die Gesellschafter mit ihren Gesellschaften zusätzlich private Verträge, insbesondere Darlehensverträge abschließen oder ob sie Zahlungen über Entnahmen und Einlagen regeln.

Nach den Grundsätzen über die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sind Verträge zwischen nahestehenden Personen grundsätzlich in einer Gesamtschau mit Verträgen zwischen fremden Dritten zu vergleichen und nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie ernsthaft gewollt, vor Beginn des Leistungsaustausches klar und eindeutig mit bürgerlich-rechtlicher Wirksamkeit vereinbart und tatsächlich durchgeführt werden sowie inhaltlich dem unter Fremden Üblichen entsprechen (BFH-Urteil vom 27.11.1989, GrS 1/88). Im Streitfall entspreche die Handhabung des Cash-Pools zwischen den Gesellschaften der Unternehmensgruppe gerade nicht dem unter Fremden Üblichen, da es in den Streitjahren keine schriftlichen Regelungen gab und auch nicht vor Beginn des Leistungsaustausches klar und eindeutig vereinbart gewesen sei, dass auf Grund von Darlehensbeziehungen Zinsen gezahlt werden sollten (insbesondere keine Vereinbarung über die Zinshöhe).

Teilwertabschreibung ist zulässig

Werden Forderungen aus Darlehensverträgen durch die Darlehensnehmerin selbst nicht bestritten und sind die Forderungen besichert, können nach der Auffassung des FG dennoch die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung der Forderungen vorliegen, wenn nämlich aus anderen Gründen, wie im Streitfall bei Aufrechnung, ein hohes Risiko besteht, dass die Forderungen nicht mehr bezahlt werden. Das Finanzamt habe daher zu Unrecht die von der vorgenommene Teilwertabschreibung korrigiert und die Teilwert-Zuschreibung vorgenommen.

Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen sind erfüllt

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine betrieblich veranlasste und in der Vergangenheit wirtschaftlich verursachte, aber dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, sofern wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird und der Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird. Das Bestehen einer ungewissen Verbindlichkeit ist wahrscheinlich, wenn nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren Verhältnissen mehr Gründe dafür als dagegensprechen.

Der Steuerpflichtige habe bei der Bildung von Rückstellungen die Verpflichtung, das Risiko vorsichtig zu bewerten. Dies gelte insbesondere, wenn die Situation in den Streitjahren insgesamt wie im Streitfall aufgrund mehrerer noch anhängiger Zivilprozesse und erfolgter Überkreuzaufrechnungen, sehr unübersichtlich gewesen ist. So bestand in diesem Zeitraum noch ein hohes Risiko aus dem Rechtsstreit mit der E GmbH & Co. KG, welches höher war, als die Summe der gebildeten Rückstellungen zusammen mit den Teilwert-Abschreibungen der Darlehensforderungen zzgl. Zinsen. Der Sachverhalt kann laut dem FG nicht rückwirkend betrachtet werden, sondern nur in der Situation der einzelnen Streitjahre. In den Streitjahren fehlte es der Klägerin an den Erkenntnissen aus den anhängigen Zivilprozessen.

Betroffene Normen

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 2002, § 249 HGB 2002, § 8 Nr. 1 Buchst. a S. 1 GewStG 2002

Streitjahre 2003-2007

Anmerkung

Gewerbesteuer

Zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Schuldzinsen bei Cash-Pooling hat der BFH bereits entschieden, dass bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung Zinsaufwendungen und -erträge unter bestimmten Voraussetzungen saldiert werden können (vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2018, III R 37/17, siehe Deloitte Tax-News).  

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 02.09.2022, 6 K 56/20, rechtskräftig

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.10.2018, III R 37/17, siehe Deloitte Tax-News

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 07.05.2008, 8 K 22350/04, DStRE 2009, S. 1167, rkr.

BFH, Urteil vom 23.01.2001, VIII R 30/99, BStBl. II 2001, S. 621

BFH, Urteil vom 27.11.1989, GrS 1/88, BStBl. 1990, S. 1600

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Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
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