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19.01.2023
Rechnungslegung

FG Hamburg: Vororganschaftliche Mehrabführung aufgrund unterlassener Teilwertabschreibung im Jahr vor Gründung der Organschaft

Eine Teilwertabschreibung, die im Jahr vor der Organschaft unterlassen wurde, kann zu einer vororganschaftlichen Mehrabführung führen. Für die Beurteilung, ob eine vororganschaftliche Mehrabführung vorliegt, darf eine fiktive Handelsbilanz mit der Steuerbilanz verglichen werden. 

Sachverhalt

Eine KGaA schloss im Streitjahr 2013 mit einer GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV), der erstmals für das laufende Geschäftsjahr die Abführung des gesamten Gewinns an die KGaA als Organträgerin vorsah. Im Jahr vor der Organschaft hatte die GmbH ein Darlehen an eine Tochtergesellschaft gewährt, auf welches sie anschließend verzichtete. Die GmbH erhielt anschließend im Dezember 2012 eine Dividende von dieser Tochtergesellschaft. Zum 31.12.2013 erfolgte bei der GmbH eine Teilwertabschreibung auf den Beteiligungsansatz der Tochtergesellschaft.

Das Finanzamt gelangte zu der Auffassung, dass die handelsrechtliche Abschreibung bereits in 2012 wegen des Vorliegens einer dauernden Wertminderung hätte erfolgen müssen. In der unterlassenen handelsrechtlichen Abschreibung zum 31.12.2012 liege eine vororganschaftliche Verursachung.

Entscheidung

Das FG kommt in Übereinstimmung mit dem Finanzamt zu dem Schluss, dass eine Mehrabführung in vororganschaftlicher Zeit vorliegt, die gem. § 14 Abs. 3 S. 1 KStG als Gewinnausschüttung der Organgesellschaft an die Organträgerin zu qualifizieren und nach § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG zu 5% zu versteuern ist.

Wirksame Organschaft trotz Fehler beim Bilanzansatz

Nach Ansicht des FG hat eine Organschaft nach § 14 Abs. 1 KStG vorgelegen, da die GmbH eine mögliche Organgesellschaft i.S. des § 17 Abs. 1 KStG ist und die KGaA als Kapitalgesellschaft gilt und damit Organträgerin i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG sein kann. Ferner wurde ein EAV i.S.v. § 291 AktG mit Wirkung ab dem 01.01.2013 geschlossen und auch gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG tatsächlich durchgeführt. Der Fehler beim Bilanzansatz (s.u.) sei dabei unschädlich, weil der Jahresabschluss jedenfalls wirksam festgestellt worden ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. a KStG), ein entsprechendes Testat vorliegt (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. b i. V. m. S. 5) und schließlich der von der Finanzverwaltung beanstandete Fehler bei der Ergebnisabführung korrigiert wurde gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 Buchst. c KStG.

Begriff der vororganschaftlichen Mehrabführung

Als vororganschaftlich gilt aus Sicht des FG die Zeit, die mit Beginn des ersten Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft endet, für das das Organschaftsverhältnis erstmals gilt (vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2019, 1 K 1418/18). In organschaftlicher Zeit liegt eine Mehrabführung nach § 14 Abs. 4 S. 6 KStG vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist. Eine Legaldefinition für eine vororganschaftliche Mehrabführung fehlt dagegen. Die Definitionen sind aber nach der ständigen BFH-Rechtsprechung bis auf die zeitliche Verursachung inhaltlich deckungsgleich. Eine Mehrabführung liegt daher vor, wenn handelsrechtlich ein größerer Kapitalbetrag an den Organträger abgeführt wird, als steuerlich als bilanzielle Vermögensmehrung in der Periode erwirtschaftet worden ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 21.02.2022, I R 51/19). Es ist grundsätzlich auf die rechnerische Differenz zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz abzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.2013, I R 36/13).

Auch wenn die Mehrabführung erst in organschaftlicher Zeit "realisiert" wird, ist sie vororganschaftlich veranlasst, wenn die entsprechenden Bilanzansätze in vororganschaftlicher Zeit vorgenommen worden sind (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 27.11.2013, I R 36/11) bzw. wenn der betroffene Geschäftsvorfall in einer Handels- oder Steuerbilanz vor Wirksamwerden des EAV zu bilanzieren war (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2019, 1 K 1418/18).

Übertragung auf den zugrundeliegenden Streitfall

Nach Auffassung des FG hatte die in Rede stehende Teilwertabschreibung ihre Ursache in 2012 und damit in dem Jahr, bevor die Organschaft gegründet wurde. Der Beteiligungsansatz der Organgesellschaft an ihrer Tochtergesellschaft hätte aufgrund des Darlehensverzichts und der anschließenden Ausschüttung der Tochtergesellschaft mit einem entsprechend niedrigeren Teilwert in der Handelsbilanz zum 31.12.2012 angesetzt werden müssen. Denn nach der Ausschüttung der Dividende an die Organgesellschaft in 2012 war der Wert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft um den entsprechenden Wert der Ausschüttung gemindert. Die Wertminderung war auch voraussichtlich dauernd i.S.v. § 253 Abs. 3 S. 5 HGB.

Abstellen auf eine fiktive Handelsbilanz möglich

Für die Beurteilung, ob eine Mehrabführung vorliegt, darf laut FG ferner auf die fiktive Handelsbilanz zum 31.12.2012 abgestellt werden. § 14 Abs. 3 KStG enthalte keine Vorgaben, welche der beiden Bilanzen zugrunde zu legen ist. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift könne es aber keinen Unterschied machen, ob die Handelsbilanz richtig ist oder nicht. Es komme allein darauf an, ob vororganschaftlich erwirtschaftetes Einkommen in die organschaftliche Zeit verschoben wird, was auch bei einer nicht korrekten Handelsbilanz der Fall sein kann. Zudem dürfe nicht derjenige privilegiert werden, der eine unkorrekte Bilanzierung vornimmt im Vergleich zu demjenigen, der handelsrechtlich korrekt bilanziert.

Vorliegen einer vororganschaftlichen Mehrabführung

Die Teilwertabschreibung führt nach Ansicht des FG somit zu einem Unterschied zwischen der fiktiven Handelsbilanz und der Steuerbilanz und damit zu einer vororganschaftlichen Mehrabführung.

Die zwingende Teilwertabschreibung in der Handelsbilanz zum 31.12.2012 musste in der Steuerbilanz nicht erfolgen, da steuerlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG bei Wirtschaftsgütern des Betriebs bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen ein Wahlrecht zum niedrigeren Teilwertansatz besteht. Folglich bestand ein Unterschied zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz. Zwar wurde zum 31.12.2013 eine entsprechende Teilwertabschreibung vorgenommen, sodass die Handelsbilanz entsprechend berichtigt war, dies habe aber zu einer zeitlichen Verschiebung der Verluste ins erste Organschaftsjahr geführt. Tatsächlich entstanden waren die Verluste zum 31.12.2012, also in vororganschaftlicher Zeit.​

Betroffene Normen

​§ 14 Abs. 1, 3 und 4 KStG, § 253 Abs. 3 HGB

Streitjahr ​2013

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 30.06.2022, 6 K 40/21, BFH-anhängig: I R 27/22

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 21.02.2022, I R 51/19, siehe Deloitte Tax News

BFH, Vorlagebeschluss vom 27.11.2013, I R 36/13, BStBl II, 2014, S. 651, siehe Deloitte Tax News 

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2019, 1 K 1418/18, EFG 2020, S. 61, siehe Deloitte Tax News

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