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23.12.2010
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Dienstwagenbesteuerung – Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach tatsächlicher Benutzung

Sachverhalt

Streitig ist die zutreffende Anwendung der 0,03%-Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

In den Urteilen VI R 55/09 und VI R 57/09 wurde den Arbeitnehmern jeweils ein auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzbarer Dienstwagen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Während die Finanzämter auf Grundlage von Nichtanwendungsschreiben die Rechtsprechung des BFH vom 04.04.2008 nicht angewandt und stattdessen als Einnahmen jeweils monatlich 0,03 % des Bruttolistenpreis der Fahrzeuge für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzt hatten, berücksichtigten die FG den Zuschlag nur nach der Anzahl der tatsächlich zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführten Fahrten und gelangten so zu entsprechend geringeren Zuschlägen.

Im Streitfall VI R 54/09 hatte der Arbeitnehmer (Kläger) eine ihm von seinem Arbeitgeber überlassene Dienstwohnung in B. Diese umfasste auch zwei vom Arbeitgeber ausgestattete und zur Erledigung dienstlicher Aufgaben dienende Räume. An rund 60 Tagen im Jahr suchte der Arbeitnehmer den 49 km entfernt gelegenen Sitz seines Arbeitgebers in C auf. Dazu stand ihm ein Dienstwagen zur Verfügung. Der Kläger machte mit Klage und Revision geltend, dass die Fahrten von B nach C keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern solche zwischen zwei Betriebsstätten des Arbeitgebers seien, so dass dafür die 0,03%-Zuschlagsregelung überhaupt nicht anzuwenden sei.

Entscheidung

Wird der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines Dienstwagens typisierend mit der 1%-Regelung besteuert, so erhöht sich der so ermittelte Betrag um monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das Fahrzeug auch dafür genutzt werden kann. Der BFH hält auch nach erneuter Überprüfung an seiner Rechtsprechung vom 04.04.2008 fest, dass die Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug darstellt und sie deshalb nur insoweit zur Anwendung kommt, wie der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt hat. Die Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hat insbesondere nicht die Funktion, eine irgendwie geartete zusätzliche private Nutzung des Dienstwagens zu bewerten. Sie bezweckt vielmehr lediglich einen Ausgleich für abgezogene, aber tatsächlich nicht entstandene Erwerbsaufwendungen. Denn die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) gestattet einen Werbungskostenabzug unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich Kosten entstanden waren. Angesichts dieser Korrekturfunktion ist der Zuschlag nur insoweit gerechtfertigt, als tatsächlich Werbungskosten überhöht zum Ansatz kommen konnten. Bei der Ermittlung des Zuschlags ist deshalb darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang der Dienstwagen tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt worden ist.

In seiner Entscheidung VI R 57/09 teilt der BFH insbesondere nicht die Auffassung der Finanzverwaltung, dass diese Auslegung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreite. Entscheidend dafür ist insbesondere, dass die 1%-Regelung für Arbeitnehmer ohnehin nur in entsprechender Anwendung der für Gewinneinkünfte geltenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gilt, es für diesen Bereich aber keine Zuschlagsregelung sondern nur eine Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs gibt. Dann aber entspricht es dem Gleichbehandlungsgebot und dem Gebot der Folgerichtigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auch bei Arbeitnehmern der Zuschlagsregelung lediglich die Funktion beizumessen, den Werbungskostenabzug zu begrenzen. Im Urteil VI R 57/09 entschied der BFH weiter, dass diese Zuschlagsregelung auch nicht formell verfassungswidrig sei, obwohl diese Regelung im Jahressteuergesetz 1996 erst nach Anrufung des Vermittlungsausschusses auf Grundlage der Beschlussempfehlungen dieses Gremiums zustande gekommen war und das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen u. a. vorgebracht hatte, dass deshalb eine detaillierte Dokumentation des historischen gesetzgeberischen Willens dazu fehle.

Im Streitfall VI R 54/09 schloss sich der BFH zwar nicht der Rechtsauffassung des Klägers an, dass die beruflich genutzten Räume in der Wohnung als Betriebsstätte des Arbeitgebers anzusehen seien. Er setzte allerdings auch hier die Zuschlagsregelung nur im Umfang der tatsächlich durchgeführten Fahrten an.

Betroffene Norm

§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG
Streitjahre 1998 bis 2000 und 2004 bis 2006

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 54/09, BStBl II 2011, S. 354
BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 55/09, BStBl II 2011, S. 358
BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 57/09, BStBl II 2011, S. 359

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 04.04.2008, VI R 85/04, BStBl II 2008, S. 887
BFH, Urteil vom 04.04.2008, VI R 68/05, BStBl II 2008, S. 890
BFH, Urteil vom 28.08.2008, VI R 52/07, BStBl II 2009, S. 280

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